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[Sechstes Bruchstück]

γ) Die reale Individualität der empfindenden Seele                                                                                                                                                   1)

§

Die Empfindungen, sowohl äußere als innere, sind bestimmte, und zunächst als der formellen Individualität, dem Empfindenden überhaupt angehörig schließen sie sich gegenseitig aus, verdrängen einander und sind so in der Zeit spurlos verschwindende äußere Begebenheiten an dem Subjekt. Die Seele aber ist nicht seiende, unmittelbare, sondern allgemeine Substanz, somit ist sie in sich das Bestehen des Mannigfaltigen und nicht ein bloßes Durchlaufen von seienden Empfindungen, sondern das Aufbewahren von ideell gesetzten. Denn die bloße, abstrakte Negation des Seienden wird in der Seele zu einem Aufgehobenen als aufbewahrten; - ein Übergang, der im Begriffe und zeitlos ist und bei welchem daher auch die Bestimmung des Seienden als eines Jetzt und desselben, insofern es ideell ist, als eines Vergangenen und Gewesenen nicht das Wesentliche, sondern vielmehr das erst in der weiteren Form des äußerlichen Sinnlichen Hinzukommende ist. Die Seele ist als diese insichseiende Allgemeinheit des Bestimmten der unendliche Raum, in welchem der Inhalt unmittelbar als aufbewahrter ist; der Durchgang einer Affektion zur eigentlichen Erinnerung, welcher durch das Bewußtsein und Anschauung eines äußerlichen Gegenstandes vermittelt ist, hat hier noch nicht seine Stelle, sondern gehört einer entwickelteren Stufe des Geistes an.
- Dieser so in der Seele ein Bestehen erhaltende Inhalt der Affektionen gehört nun zu dem eigenen Bestimmtsein der Seele, wie die Bestimmungen, welche die Grundlage der Triebe, Neigungen usf., überhaupt der inneren Empfindungen der Seele ausmachen; und daß dieser Stoff [als] Inhalt empfunden werde oder aus dem Ansichsein in das Fürsichsein der Seele heraustrete, ist ein Übergang und vermittelnde Tätigkeit, welche erst später als reproduzierende Tätigkeit des Geistes überhaupt zu betrachten ist.

§

Ferner nun sind die Empfindungen, wie sie als Arten bestimmt worden sind, beschränkte, qualitativ unterschiedene, auseinanderfallende Bestimmungen. Die Seele aber ist individuell überhaupt und das Mannigfaltige, das an sich zum Kreis der Totalität gehört, in ihr zur Einheit verbunden. Der Inhalt ist an ihm selbst nur das Konkrete jener vereinzelten Bestimmungen, und diese ansichseiende Verknüpfung macht die Objektivität desselben aus. Die Seele ist jedoch noch nicht als Subjekt und nicht als Geist bestimmt, darum ist der Inhalt für dieselbe noch nicht in einer eigentümlichen Objektivität, d. i. entwickelten und in ihre Bestimmungen zugleich ausgelegten Einheit (wovon nachher noch näher); die Seele hat aber überhaupt die Bestimmungen der Empfindung als einen zum Konkreten vereinigten Inhalt in ihr, und was sie aus sich reproduziert, sind solche Ganze von Inhalt.

§

Dieser konkrete Inhalt hat hier noch keine der weiteren näheren Bestimmungen, welche er daher erhalten wird, daß er durch das Bewußtsein und den Geist hindurchgegangen und durch sie gebildet worden wäre. Er ist aber auch nicht nur irgendein Inhalt, sondern an sich der allgemeine Inhalt, aber zugleich für die einzelne Seele individualisiert; die ganze - zunächst noch zukünftige - Welt des Individuums liegt in seiner Seele. Aber dies, was noch in ihr eingehüllter Stoff ist, wird ihm erst durch das Bewußtsein und die Tätigkeit des Geistes als seine Welt vorgeführt werden.

§

Insofern das Individuum noch als empfindendes existiert, ist noch nicht an den Unterschied eines objektiven Daseins und äußerer oder innerer, überhaupt gegebener Dinge gegen die Subjektivität der Seele zu denken. Die Empfindungen sind seiende Affektionen, ob ihre Bestimmtheit späterhin als durch ein Objekt veranlaßt, als Eindruck von außen, oder ob als durch vorhandene innere Affektionen bewirkt angesehen werde.

§

Indem vorhin das Empfinden überhaupt betrachtet worden ist, so ist nunmehr das Empfindende als Individuum bestimmt2) , welches zu betrachten ist, und es ist zunächst die Bestimmung anzugeben, welche in das Empfinden kommt, dadurch daß es ein individuelles ist; wie der Stoff des Empfindens durch die Individualität der Seele bestimmt wird, ist soeben angegeben worden.
Das Empfinden aber als [das] der individuellen Seele ist, daß sie als empfindend für sich selbst ist, - d. i. daß sie sich empfindet und in dieser Unterscheidung zwar, aber darin in unmittelbarer Beziehung auf sich und bei sich ist.

§

Die sich empfindende Seele aber ist bestimmt und beschränkt überhaupt, weil sie nur erst auf unmittelbare Weise  näher aber ist sie ihrer selbst nicht mächtig. Daß sie frei und ihrer mächtig wäre, dazu gehört, daß ihr Inhalt und ihre natürlichen Bestimmungen sich in ihr als ideell bestimmt hätten und sie abstrakte, bestimmungslose Beziehung auf sich selbst, - als Ich wäre. Hiermit wäre verbunden, daß sie ihre Bestimmungen von sich abgetrennt, sie außer ihr selbst gesetzt hätte, und daß sie als andere, denn sie ist, als für sich seiende Objekte gegenüberstünden. So wäre sie Bewußtsein, das abstrakte Ich, für welches der Inhalt als für sich seiender Gegenstand, als eine vorhandene Welt ist. Daß die Seele ohne Freiheit und daß ihr Inhalt ohne seine von ihr unterschiedene Objektivität an ihm selbst ist, ist eins und dasselbe. Erst als Bewußtsein, nur als diese Negativität ihrer Bestimmungen, das abstrakte nur bei sich seiende Ich, ist die Macht über dieselben, welche sie von sich ausgeschlossen hat.
Aber nicht frei und mächtig ihrer selbst ist die Seele, insofern ihr noch unabgeschiedene, unmittelbar ihr immanente Bestimmungen zukommen, insofern sie somit überhaupt noch auf unmittelbare, natürliche Weise existiert.

§

Es ist gerade um der noch unmittelbaren Einheit der erst empfindenden Individualität mit sich [willen], daß die Seele in dieser Form als subjektive Seele zu bestimmen ist, - zum Unterschiede von der Objektivität des Bewußtseins und dann des Verstandes.

Es ist eine alte Vorstellung, daß der primitive Zustand der Menschen als ein Zustand der Unschuld oder als ein goldenes Zeitalter von einfacher Lebensweise, einfachen, genügsamen, von Leidenschaften freien Sitten aufgefaßt wird.
Dieser Vorstellung ist in neuerer Zeit zuerst als einer geschichtlichen Theorie, die nachher von da auch in die Philosophie überging, die Bedeutung gegeben worden, daß dieser Zustand ein geistiger Zustand sowohl der Reinheit des Willens als eines ungetrübten Durchschauens der inneren Lebendigkeit der Natur und eines klaren Anschauens der göttlichen Wahrheit gewesen sei.
So daß der spätere Aufgang des Bewußtseins, alle Kenntnisse von Gott und von Pflichten seiner Verehrung wie von den Gesetzen der Natur, einerseits nur eine Trübung und Verderben jenes göttlichen Lebens und Schauens gewesen, andererseits alles, was unter solchem Vorkommen noch von höherem Inhalt und Wissen sich zeige, nur nachgelassene Trümmer und Spuren aus jener ersten Reinheit und Klarheit seien.
Es soll diese Vollkommenheit wesentlich nicht als eine selbstbewußte Sittlichkeit des vernünftigen Willens, noch als eine gedachte wissenschaftliche Einsicht in die Gesetze der Natur und des Geistes, noch als ein begreifendes Erkennen des göttlichen Wesens bestimmt [werden], sondern im Gegenteil ist dasjenige, wodurch solcher Zustand ein Leben in der Wahrheit sei, eben die noch ungetrennte Einheit des intelligenten und natürlichen Lebens, des Denkens und Empfindens.
- So leicht, faßlich und selbst anmutig sich solche Ansicht für die Vorstellung macht, so zeigt sie sich doch bei näherer Betrachtung, nicht nur oberflächlich zu sein, sondern selbst auf der gänzlichen Verkennung der Natur des Geistes, auf der Verkennung des Begriffes überhaupt zu beruhen. Denn der Begriff, und dann der als Begriff existierende Begriff, der Geist, ist nur, insofern die durch Aufheben der Unmittelbarkeit für sich seiende Idee ist. Die unmittelbare Idee überhaupt ist nur die Natur, und der unmittelbare Geist nur der schlafende, nicht der selbstbewußte, noch weniger der wirklich denkende, wissende und erkennende Geist.
Die Natur aber, in ihrer Wahrheit ist sie die ansichseiende Idee, das Leben des Allgemeinen in sich. Aber eben das Allgemeine ist nicht das Unmittelbare des Daseins; die Natur, wie sie in ihrer Unmittelbarkeit ist, bietet sie das Schauspiel der sinnlich bunten Welt dar. Sinnliches Dasein heißt nichts anderes als das Außersichsein des Begriffs, der in die Verworrenheit und Vergänglichkeit der Erscheinung verlorene Begriff.
Wenn aber der Geist sich anschauend verhält, so verhält er ebendamit sich nur auf eine unmittelbare, d. i. sinnliche, sich selbst und seiner Freiheit äußerliche Weise und nur zu jener äußerlichen Weise und unvernünftigen, unwahren Gestalt der Natur.
Nur erst für denkenden Geist ist die Wahrheit, die Idee als Idee; der denkende Geist aber ist nicht der empfindende und anschauende. Es hilft nichts zu sagen, jenes primitive Anschauen der Natur sei nicht ein sinnliches, äußerliches Anschauen, sondern ein Schauen durch die Äußerlichkeit der Natur, eine Gegenwart ihres Zentrums, ein intellektuelles Anschauen, indem eben in dieser Ursprünglichkeit das Denken sich noch nicht von dem Anschauen losgerissen und zum reflektierenden Erkennen sich bestimmt habe. Allein eben diese nur unmittelbare Einheit des Denkens und Anschauens ist es, worin nur das Anschauen gesetzt ist; es ist ein leeres Wort, davon zu sprechen, daß es nicht bloß Anschauen, sondern vielmehr das Denken darin enthalten sei. An sich ist freilich die Natur sowohl als der Geist Denken; aber das Denken ist eben dies, nicht bloß an sich, nicht in der gegensatzlosen Einheit und Unmittelbarkeit zu sein, und wenn es nicht bloß als innere Natur, sondern existierendes Denken sein soll, so ist es nicht in seiner nur an sich seienden Einheit mit dem Anschauen geblieben.
Dieses Denken, um Wissen von dem Wahren zu sein, überhaupt daß das Wahre für dasselbe sei, muß freilich nicht auf dem Standpunkt der nur trennenden Reflexion stehenbleiben, sondern, als Idee, zur objektiven Einheit sich hindurchgearbeitet haben. Das Denken ist nur Wissen und Erkennen, insofern es sich befreit hat und zwar befreit wesentlich von der Weise der bloßen Unmittelbarkeit der Seele; diese Unmittelbarkeit werde nur als Anschauen oder als Einheit des Anschauens und Denkens genommen. 

 

1) am Rand: "α) Empfindung überhaupt β) Äußere und innere Empfindung"

2) am Rand: "bestimmt, in der Macht eines anderen, seiner, seiner Sinne nicht mächtig - im Gegensatz gegen Freiheit des Bewußtseins"

 

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