[Fünftes Bruchstück]
c. Die empfindende Seele
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Die Seele ist erstens bestimmt (§ ), aber zweitens ist sie zur Individualität bestimmt, und die Bestimmtheiten verändern sich zunächst an sich, so daß die Seele die allgemeine Substanz dieser Veränderungen und die Totalität der Bestimmtheiten ist. Die Wahrheit dieses Verhältnisses ist daher, daß die Bestimmtheit nicht durch eine andere verändert wird sondern in der allgemeinen Seele unmittelbar eine aufgehobene und diese darin in sich reflektiert ist und so, in ihrer Allgemeinheit die Bestimmtheit negierend, erst als für sich seiende Individualität, nicht mehr nur als Individualität an sich oder Zustand bestimmt ist. Oder die Seele ist und bleibt dies allgemeine durchgängige Wesen, in dem alle Besonderheit aufgelöst; in ihrer Individualität aber ist solche Besonderheit nun gesetzt, und für die Seele.
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Die Seele empfindet, nicht indem sie nur als wach einer Welt von Bestimmtheiten sich gegenüber, sondern indem sie sich selbst bestimmt findet. Sie ist selbst das Gedoppelte, Unterschiedene, einmal die bestimmte Seele und das andremal die allgemeine, aber indem diese und die unterschiedene Seele eins und dasselbe ist, so ist sie in dieser Bestimmtheit bei sich selbst. Aber nicht nur ist auf diese Weise die Seele nur an sich Eine, sondern daß die Bestimmtheit als unterschieden von der Allgemeinheit der Seele und als ideelle in ihr selbst ist, dadurch ist die Seele in ihrer Bestimmtheit für sich.
Wenn das neutrale Wasser, indem es z. B. gefärbt und so nur in dieser Qualität oder Zustand ist, nicht nur für uns oder, was dasselbe ist, der Möglichkeit nach von diesem seinem Zustande unterschieden, sondern selbst von sich, als so bestimmtem, zugleich unterschieden wäre, so würde es empfindend sein. Oder die Gattung Farbe existiert nur als blaue oder als irgendeine bestimmte Farbe; sie bleibt die Gattung Farbe, indem sie blau ist. Wenn aber die Farbe als Farbe, d. i. nicht als Blau, sondern zugleich als Farbe gegen sich als blaue Farbe bliebe, - der Unterschied ihrer Allgemeinheit und ihrer Besonderheit nicht bloß für uns, sondern in ihr selbst existierte, so wäre sie Empfindung des Blauen.
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Die Bestimmtheit oder der Inhalt der Empfindung ist noch ein Seiendes; die Seele findet sich so oder anders affiziert. Daß die Seele sich so bestimmt findet, dies ist es, daß die Bestimmtheit zugleich als ideell in der Seele gesetzt, nicht eine Qualität derselben ist, und indem die Idealität dieser Bestimmtheit nicht eine andere Bestimmtheit [ist], die an deren Stelle träte und die erstere verdrängte, sondern die Seele selbst die Idealität dieser Bestimmtheit [ist], die in ihr, dem Endlichen, in sich reflektiert, d. i. unendlich ist, ist diese Bestimmtheit auch nicht ein bloßer Zustand. - Die Seele ist somit freie Lebendigkeit in der Empfindung und zugleich als seiend Bestimmtes, als Abhängiges. Der Inhalt der Empfindung ist ein Gegebenes, und die Empfindung selbst ist der Widerspruch der Reflexion der Seele in sich selbst und der Äußerlichkeit derselben; - ein Widerspruch, der in der Empfindung noch nicht aufgelöst [ist], sondern seine Auflösung in einer höheren Weise der Seele hat.
Die Endlichkeit einer Existenz, es sei einer natürlichen oder geistigen, besteht in einem Widerspruche, der sie in sich selbst ist, und es ist wesentlich, dies überhaupt, aber vornehmlich den bestimmten Widerspruch einzusehen, der die Natur einer bestimmten Existenz ausmacht. Die Empfindung ist diese erste Gestalt, in welcher die Seele als konkret, als Individualität, oder somit eigentlich erst Seele ist. Aber die Empfindung ist eben darum zugleich diese ganz untergeordnete Weise der Seele, weil sie dieser unmittelbare Widerspruch ist, das ganz Freie und zugleich als seiend bestimmt zu sein, so daß dieser Inhalt der Empfindung noch ganz unversöhnt, noch auf keine Weise geistiger Inhalt ist. Der Widerspruch der Empfindung allein ist es, welcher den Geist aus derselben hinaus oder vielmehr dazu treibt, sie aufzuheben, wie alles Höhere nur dadurch entsteht, daß das Niedrigere sich als Widerspruch in sich zu dem Höheren aufhebt. Diejenigen, welche die Empfindung oder das Gefühl für die wahre Weise des Geistigen und damit für die Weise, in welcher die Wahrheit für den Geist ist, halten, haben über das, was die Natur der Empfindung ist, sowie überhaupt über das, was Geist und Wahrheit ist, noch wenig nachgedacht.
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Weil das, was einen Inhalt zum Inhalt der Empfindung macht, als ein Seiendes ist, ist es in vollkommener qualitativer Beschränktheit, eine unmittelbare Einzelheit. Ein solches Beschränktes ist aber nur so, daß seinem Anderen ebensogut das Sein zukommt; es ist ein Dasein, das nur den Wert der Möglichkeit hat, - ein Zufälliges. Dies macht die Zufälligkeit der Empfindung überhaupt aus, und die Empfindung heißt darum auch etwas bloß Subjektives, weil die Seele als empfindend überhaupt in beschränkter Qualität sich befindet und darum sich nach unmittelbarer Einzelheit verhält.
Die Subjektivität der Empfindung bedeutet die Beschränktheit und Zufälligkeit derselben im Gegensatz gegen das Objektive, den Inhalt, insofern er an und für sich selbst ist; seine Wahrheit besteht darin, daß er als bloßer Inhalt in sich selbst, dessen Realität mit seinem Begriffe zusammenstimmt. Solches Wahre kann und ist denn auch - Das Wahre, Gewußte oder Gewollte muß wesentlich ebenso ein Subjektives, der Intelligenz oder dem Willen Angehöriges, sein, als es seinem Inhalte nach objektiv ist. Aber eine solche Subjektivität, wie sie vernünftige Einsicht und vernünftiger Wille ist, ist eine ganz andere Subjektivität als die der bloßen Empfindung; diese letztere ist eben die nur ganz abstrakte Subjektivität, welche der Seele in ihrer noch ungeistigen nur unmittelbaren Einzelheit zukommt und einen wahren ebensowohl als einen falschen, einen guten sowohl als einen schlechten Inhalt haben kann.
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Die Empfindung ist zunächst überhaupt unendlich mannigfaltiger Art, weil der Inhalt derselben eine seiende Bestimmtheit ist, diese aber zunächst den formlosen Unterschied, die vielfache Mannigfaltigkeit an ihr hat. Indem die Empfindungen nach diesem ihrem mannigfaltigen Inhalte betrachtet werden, so wird von demselben die Form, nach der er Empfindung ist, weggelassen, und es wird also von den Bestimmtheiten in ihrer sonstigen objektiven Form die Rede.
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Insofern dabei die Empfindung nach dem Gegenstande, inneren oder äußeren, von welchem sie erregt werde, bestimmt wird, so liegt in dieser Betrachtung ein Unterschied von dem Empfindenden und dem Empfundenen, dem fühlenden Subjekte und gefühlten Objekte, sowie ein Verhältnis, so daß das Objekt einen Eindruck auf das Subjekt mache, dieses von dem Gegenstande affiziert werde, der Gegenstand Ursache oder Erregendes usf. sei. Alle diese Unterschiede aber gehören noch nicht dem Standpunkte der Empfindung selbst an, sondern einer späteren Reflexion der Seele, insofern sie sich weiterhin zu Ich und dann zum Geiste bestimmt hat, - oder wenn wir sogleich bei der Empfindung sie nach solchen Unterschieden betrachten, [gehören sie] unserer äußeren Reflexion an. Wenn ich sage, ich fühle etwas Hartes oder Warmes oder sehe etwas Rotes, oder ich habe ein Gefühl von Recht und Unrecht, so gehört diese Unterscheidung meinem Bewußtsein oder Reflexion an, welche die Unterscheidung von subjektiver Empfindung und deren Gegenstand macht, - eine Unterscheidung, welche der Empfindung als solcher noch nicht angehört. - Ich empfinde Freude, Schmerz, Zorn usf. ist insofern ein pleonastischer Ausdruck, als Freude, Schmerz, Zorn usf. selbst Empfindungen sind, und dieser Ausdruck spricht nur zuerst mein Empfinden überhaupt und dann die besondere Empfindung aus, die ich habe.
§ [Der folgende Paragraph ist eingeklammert]
Indem das, was ich empfinde, als Seiendes in mir ist, welchen Inhalt auch dasselbe weiter an sich habe, so bin ich als empfindend, nur als Seele bestimmt. An sich ist die Seele Ich, Geist; aber die Unterschiede als Seele, Ich und Geist betreffen eben die unterschiedene Bestimmtheit, in welcher dies Ansich existiert. Die Seele aber überhaupt oder der noch als seiend bestimmte Geist ist noch der Geist in Leiblichkeit, und die Empfindung ist daher unmittelbar zugleich ein Leibliches. Die Empfindung gehört der noch unmittelbaren Einzelheit des Geistes an, und dies ist die nähere Bestimmung der Subjektivität (§ ), die der Empfindung zukommt.
§
Die Bestimmtheit der Empfindung ist noch als eine unmittelbare Affektion in der Seele, der Geist selbst damit noch als unmittelbarer Geist bestimmt. In dem Empfinden als solchem ist daher die Seele noch nicht frei. Selbst im Gefühle der Freiheit ist die Seele nach der Seite unfrei, nach welcher sie die Freiheit fühlt; diese Seite der Unmittelbarkeit ist es deswegen, an welcher alle Zufälligkeiten und Partikularitäten des Subjekts in die Freiheit sich einmischen. - Ferner aber ist die Unmittelbarkeit des Geistes als empfindenden in ihrem bestimmten Sinne zu nehmen, sie ist die Leiblichkeit; die Empfindung muß daher wesentlich als Leibliches gefaßt werden. Welchen Inhalt die Empfindung sonst auch habe, zum Beispiel auch wenn sie religiöse Empfindung ist, ist sie unmittelbar zugleich in einer Leiblichkeit.
§
Die Empfindung, weil sie leiblich ist, ist insofern animalisch. Aber ein anderes ist die Animalität des Tieres, welches nicht Mensch ist, und ein anderes die Animalität des Menschen. Die anthropologische Betrachtung kann deswegen nicht bei der Animalität des Empfindens stehenbleiben, sondern hat dasselbe als Empfinden der Seele zu fassen und deswegen als zweiseitig zu erkennen. Nämlich es ist vorhin (§ ) zwischen der bestimmtseienden Seele und der Seele als allgemeiner, für welche jene ist, unterschieden worden. In der Seele tritt diese Unterscheidung erst in dem Empfinden ein, und sie ist es, welche zugleich schon in dieser Sphäre die Seele des Tieres von der geistigen unterscheidet.
§
Die Empfindung überhaupt ist zwar die Rücknahme und Aufheben der unmittelbaren Wirklichkeit der organischen Einzelheit in der Allgemeinheit oder Gattung, so daß die Einzelheit nunmehr als konkretes Moment der Allgemeinheit ist (Enzyklop. der philos. Wissensch. § 273 u. 276) Aber im Tiere ist und bleibt diese Einheit des Individuums und der Gattung selbst in ihrer Unmittelbarkeit, und die Gattung ist nicht für sich in ihrer einzelnen Bestimmung, oder die bestimmte Seele ist nicht für die allgemeine Seele. Die geistige Seele aber ist eben dies, als allgemeine für sich zu sein.
Dies Fürsichsein der allgemeinen Seele aber ist zunächst abstrakt; - hier nämlich, wo sich noch keine Bestimmtheit in diesem allgemeinen Medium gesetzt hat. Dieser ideelle Raum ist daher noch unbestimmt und leer, - er ist die tabula rasa, welche erst erfüllt werden soll und die als die abstrakte Idealität zugleich absolut weich genannt werden kann. Aber freilich wird dies Erfüllen nicht durch sogenannte Eindrücke von außen geschehen, etwa in der Weise, wie durch ein Petschaft Bilder auf Wachs abgedruckt werden. Was in dem Geiste zur Existenz kommen kann, kann nur so in ihn kommen, daß er dasselbe selbstbestimmend in sich setzt. Die Empfindung ist daher als Empfinden der geistigen Seele das Zweiteilige, das eine Mal als Affektion zu sein, welche der empfindenden, individuellen Seele überhaupt angehört, das andere Mal aber [Der Text bricht hier ab.]
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