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[Parallelfassung zum Anfang des ersten Bruchstücks]

Den Geist zum Gegenstande der Betrachtung zu machen, setzt - können wir sagen - ein Bedürfnis voraus, denselben kennenzulernen. Was wir so ein Bedürfnis nennen mögen, darüber können wir uns erinnern, daß es den Griechen als ein Gebot des delphischen Apollos ausgesprochen worden ist. Erkenne dich selbst, war die berühmte Aufschrift an dem Tempel des wissenden Gottes. Um so viel höher der Himmel über der Erde, um so viel höher, ja unendlich hoch ist der Geist über der Natur, und die Erkenntnis desselben ist schon durch ihren Gegenstand die würdigste. 

Dem Griechen war das Menschliche zu seinem Anteil gegeben, d. i. der freie Geist, der aber seine Unendlichkeit noch nicht erfaßt hat. - Es ist nicht der absolute, der heilige Geist, der über die griechische Welt ausgegossen wäre und zu dessen Erkenntnis er kommen könnte. Es ist der Mensch, als frei innerhalb der Natur, so daß er an ihr das Organ seines Bewußtseins behält, in ihr befangen bleibt, und indem er zwar in der Philosophie und nur in ihr, nicht in der Religion zum reinen Gedanken fortgeht, dieser selbst sich von der Abstraktion - dem der Unmittelbarkeit im Gedanken entsprechenden Befangensein - nicht losmachen [kann], nicht zum Begriffe des Geistes selbst kommt.

Die Aufgabe, den Geist zu erkennen, ist auf diese Weise an und für sich beschränkt. Auf dieselbe Stufe begrenzt sich auch die Erkenntnis, welche das Ziel dieser Wissenschaft ist. Aber zugleich bestimmt sich uns die Aufgabe auf vielfache Weise anders, eben dadurch, daß unser allgemeiner Standpunkt durch die Erhebung unseres Bewußtseins zum Bewußtsein des unendlichen Geistes - eine Erhebung, die in der Religion begonnen hat - höher gestellt ist. Durch diesen Standpunkt ist dem Geist, welcher zunächst unter dem Menschlichen verstanden zu werden pflegt, nunmehr der absolute Geist gegenübergetreten, und jener wird durch diese Vergleichung zu einem Endlichen, d. i. in der Natur Beschränkten, einerseits herabgedrückt. Andererseits aber hat der Mensch durch die Beziehung selbst, welche mit jener Vergleichung zugleich zustande kommt, in sich einen ganz freien Boden gewonnen und sich ein anderes Verhältnis gegen die Natur, das Verhältnis der Unabhängigkeit von ihr gegeben.

So ist uns der Geist, den wir hier betrachten, sogleich als eine Mitte zwischen zwei Extreme, die Natur und Gott, gestellt, - zwischen einen Ausgangspunkt und einen Endzweck und Ziel. Die Frage, was der Geist ist, schließt damit sogleich die zwei Fragen in sich, wo der Geist herkommt und wo der Geist hingeht. Und wenn dies zunächst zwei weitere Betrachtungen zu sein scheinen über die, was er ist, so wird sich bald zeigen, daß sie es allein wahrhaftig sind, durch welche erkannt wird, was er ist.

Wo er herkommt, - es ist von der Natur; wo er hingeht, - es ist zu seiner Freiheit. Was er ist, ist eben diese Bewegung selbst, von der Natur sich zu befreien. Dies ist so sehr seine Substanz selbst, daß man von ihm nicht als einem so feststehenden Subjekte sprechen darf, welches dies oder jenes tue und wirke, als ob solche Tätigkeit eine Zufälligkeit, eine Art von Zustand wäre, außer welchem es bestehe, sondern seine Tätigkeit ist seine Substantialität, die Aktuosität ist sein Sein.

 

 [Dieses Bruchstück ist laut Nicolin
 ("Ein Hegelsches Fragment zur Philosophie des Geistes", Hegel-Studien Bd. 1, Bonn 1961, S. 11)
 später entstanden als die anderen (ca. 1825)]

 

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