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Der Idealrealismus. Erster Teil
Auch unter dem besonderen Titel:
Der Idealrealismus als Metaphysik in die Stelle des Idealismus und Realismus gesetzt

Von Dr. Alb. Leop. Jul. Ohlert
Έν αυτtῳ γαϱ ζωμεν ϰαι` ϰινούμεϑα ϰαι`εσμε`ν. Act. Ap. 17, 28.
Neustadt a. d. Orla. 1830.

Der Verfasser dieser Schrift zeigt sich als einen geübten und scharfsinnigen Denker, der - ein Haupterfordernis des Philosophierens - die Geduld hat, sich mit abstrakten Gedanken zu beschäftigen und in einem Räsonnement metaphysischer Begriffe sich zu ergehen, dem dabei auch das Feld des Spekulativen nicht nur nicht fremd ist, - sondern was im vierten Buch als die Wahrheit dargestellt wird, beruht ganz auf spekulativer Idee. Dabei befleißigt sich der Herr Verfasser der Klarheit und erreicht sie dadurch von selbst, daß er nicht irgendeinem abstrakten Formalismus hingegeben ist.

Man erkennt, daß das, was er vorbringt, sein in dem Gegenstande, den er behandelt, befindliches bestimmtes Räsonnement ist; der Vortrag hat dadurch eine empfehlende Popularität, wobei jedoch auch hier, wie sonst, häufig die Gründlichkeit leidet; jene verlangt unter anderem, daß Vorstellungen und Sätze, die in unserer wissenschaftlichen oder philosophischen Bildung zugelassen sind und gelten, nicht analysiert, an ihnen nicht gerüttelt wird; ist das Räsonnement bis auf sie zurückgeführt, oder auch, geht es von ihnen aus, so findet ein verständiges Bewußtsein in ihnen als etwas Bekanntem Ruhepunkte und einleuchtende Befriedigung; soll es aber über sie hinausgeführt werden, so gerät es leicht durch deren Entziehung in die Unruhe der Unsicherheit und des Mißtrauens und meint etwa, nun nichts mehr zu verstehen.

Der Gang, den der Herr Verfasser in seiner Untersuchung nimmt, ist einfach und zweckmäßig. Passend für die Art der Darstellung, in der die Schrift gehalten ist, wird der Ausgang von den Widersprüchen, Zweifeln und Fragen genommen, in die der Mensch im Fortgang seiner äußeren und inneren Erfahrung sich verwickelt findet und deren Lösung die Philosophie zu leisten habe. Hierauf werden die zwei entgegengesetzten, einseitigen Wege dieser Lösung, der reine Idealismus und der reine Realismus, auseinandergesetzt und kritisiert und zuletzt der reine Idealrealismus als das Versöhnende beider und als das die Forderungen, die man an die Philosophie zu machen berechtigt sei, befriedigende System dargestellt. - Referent hat nun von diesem Gange einiges Nähere anzugeben und will dabei Veranlassung nehmen, hin und wieder bemerklich zu machen, inwiefern ihm scheine, daß die Analyse für die Forderung der Gründlichkeit nicht weit genug verfolgt sei und zu oft innerhalb gewohnter Verstandesbestimmungen und Vorstellungen stehengeblieben werde.

Es ist gleich in der Einleitung, § 1-16, daß der Herr Verfasser § 5 selbst, und gewiß mit Recht, fordert, daß man, um eine feste Philosophie zu erlangen, damit beginnen müsse, alles früher Geglaubte und Gemeinte zu vergessen, oder es doch bis zur Bestätigung durch das philosophische Nachdenken beiseitesetzen müsse; irgendwelche Voraussetzung verderbe von vornherein die Untersuchung. Doch kann diese Schrift selbst vielfältig zum Beispiel dienen, daß diese Forderung leichter zu machen als die Bewußtlosigkeit, mit der wir Geläufiges und Bekanntes voraussetzen und gelten lassen, zu überwinden ist.
- Das Bild, das der Herr Verfasser hierauf von dem Philosophen und gar von dem vollendeten Philosophen beschreibend macht, wäre wohl besser weggeblieben; dergleichen (wie: "in solchem Philosophen hört alles übereilte, unterbrochene Denken auf, nichts Unerwartetes kann ihn außer sich setzen; er ist ohne Leidenschaften und Heftigkeit der Gefühle; Affekte und Begierden wohnen nicht in ihm" usf.) erinnert zu sehr an die Rednereien der Stoiker und Epikureer von dem Weisen; diese Philosophien hatten es nötig, zum Subjektiven als zum letzten bestimmenden Grund zurückzugehen, weil ein solcher ihren abstrakten Prinzipien mangelte; aber die moderne Philosophie geht auf Prinzipien, die von konkreter Natur sein, wie auch das des Herrn Verfassers von der Art ist, und in ihnen nicht bloß eine nur abstrakte Grundlage, sondern auch selbst die der Bestimmung und Entwicklung in sich enthalten sollen, daher dann dergleichen Schilderung vom Subjekte des Philosophierens müßig und einem Tadel anderer Art, wenigstens Horazischem Scherze über den Weisen, der glücklich, reich, ja ein König sei - außer wenn ihn Verschleimung beschwere -, ausgesetzt ist.

Für die Bestimmung der Philosophie selbst nun wird (S. 6) daran erinnert, daß sich alles Wissen auf Erfahrung gründe, entweder äußere, durch die Sinne, oder innere, durch das Bewußtsein dessen, was in der Seele lebe und vorgehe oder doch vorzugehen scheine; was man nicht erfahre, davon könne man nichts wissen; - das letztere wird man nach jenem ganz unbestimmten Sinne der Erfahrung wohl zugeben; daß sie aber als Grund sich zum Wissen verhalten, ist teils zu unbestimmt, teils schon zuviel präsumiert. Der Geist, mit ihr sich nicht befriedigend, forsche nach Gründen, und zwar den letzten Gründen der Erfahrung, und die Wissenschaft, welche diese aufsucht, sei die Philosophie. Diese soll (S. 12) das, was dem Denker in der Erfahrung unklar, zweifelhaft oder gar widersprechend vorkommt, aufhellen, lösen, versöhnen; deshalb werde sie weder ganz Noologismus noch Empirismus sein dürfen, wenn sie nicht einseitig verfahren und dadurch in Irrtum verfallen wolle. Wir sehen, die Erfahrung wird schon selbst als der Grund, und zwar des Wissens angegeben, die Wissenschaft als die Gründe jenes Grundes aufsuchend. Wir werden somit in dem beliebten Kreise herumgeführt, in welchem in der Wissenschaft der Grund, daß sie eine Kraft und mit solchen und solchen Bestimmungen annimmt, die Erfahrung ist, umgekehrt aber die Kraft zum Grunde dessen, was in der Erfahrung als deren Äußerung ist, gemacht wird.
- Das leidige Herumsprechen vom Verhältnisse der Erfahrung und des Wissens kann auf solche Weise zu nichts Bestimmtem kommen. Einen Vorzug vor jener losen Exposition hat durchaus noch immer die Kantische Einleitung, nämlich sogleich die Erfahrung selbst zu analysieren und in ihr die zwei Momente (Bestandstücke nach ihrem Ausdruck), nämlich das eine, die sinnliche Einzelheit des Wahrnehmens, das andere, die Verstandesbestimmungen, Allgemeinheit und Notwendigkeit, aufzuzeigen; dies läßt sich auf eine populäre Weise tun und bringt sogleich auf den Punkt tüchtiger Betrachtung; es hat den Vorteil, das Denken in der Erfahrung selbst impliziert zu nehmen, ohne auf die gar zu populäre gewöhnliche Weise vorgestellt zu werden, daß es zu der Erfahrung hinzutrete und nach den Gründen derselben frage.
- Der Herr Verfasser schließt die Einleitung damit, daß der Mensch sich nicht mit dem Wissen begnügen könne, wenn er gleich möchte. Es ist nichts Empfehlendes, wenn von jemand gesagt wird: er möchte wohl, aber er kann nicht; daß es mit dem Menschen überhaupt, mit dem Wissen der Vernunft, von der doch eigentlich hier nur die Rede sein sollte, diese Bewandtnis habe, dies zu erhärten, versichert der Herr Verfasser noch ferner, daß der Geist so lange zu begreifen strebe, bis er an etwas Unbegreifliches komme (ist der Geist auch schon, ehe er an ein solches kommt, nur im Streben des Begreifens, so könnte man die Folgerung ziehen, daß er sich hier sogleich nur bei Unbegreiflichem befinde); der Geist wolle mit einem Großen, Gewaltigen endigen, von dem er sich ganz daniedergedrückt fühle, das er nicht erkenne, sondern das er glaube; den Trost, die Beruhigung, die freudige Aussicht in die Zukunft, vergebens von der Wissenschaft verlangt, gewähre der Glaube, über dessen Gegenstände die an die metaphysische, natürliche Theologie sich anschließende Offenbarung handle.
- Der Herr Verfasser tut dem religiösen Glauben, von dem er hier spricht, Unrecht; nach dem, was wohl nach allgemeiner Übereinstimmung darunter verstanden wird, soll in demselben der Mensch sich, statt sich "ganz niedergedrückt", vielmehr vollkommen befreit fühlen; nur in diese Befreiung wird "die Befriedigung des Bedürfnisses seiner Seele, die Stillung der Sehnsucht des Herzens" gesetzt, die § 15 vom Glauben verspricht.

Auf das Verhältnis des Wissens und der Philosophie zum Glauben kommt der Herr Verfasser in dem letzten Buche, welches den Idealrealismus, das System, das alle Forderungen, die an die Philosophie gemacht werden können, erfülle, nur insofern zurück, als § 141 die Abhandlung von der Offenbarung in den besonderen Teil, die Religionsphilosophie, verwiesen und das soeben Angeführte trocken vom Bedürfnis des Glaubens wiederholt wird; aber das, um was es zu tun gewesen, an jenem Idealrealismus selbst den Mangel und die Lücke aufzuzeigen, durch welche er unbefriedigend sein soll und weiter zur Offenbarung und zum Glauben treibe, ist unterlassen. Es kann für sehr zweckmäßig anerkannt werden, daß, um zu der Philosophie hinzuführen und ihr Bedürfnis zu erwecken oder aufzuzeigen, wie hier geschieht (im ersten Buche § 17-49), mit den Zweifeln und Widersprüchen begonnen wird, in welche das Bewußtsein in seinen Erfahrungen sich verwickelt finde. Zum Behuf einer solchen Anleitung ist gerade nicht für erforderlich anzusehen, daß die Zweifel und Widersprüche in systematischer Folge entwickelt und nach einer notwendigen Entstehung dargestellt werden, - wie für die Wissenschaft verlangt werden muß.
Hier konnte es genügen, eine beliebige Anzahl von solchen zur Philosophie aufregenden Verlegenheiten der Reflexion, wie sie sich zufällig anbieten mögen, übrigens aber von der Art seien, wie sie früh und häufig vorkommen, aufzuführen. Der Herr Verfasser hätte bei solcher Darstellung an Kants Antinomien erinnert werden können, die ihm nicht nur mehrere Beispiele an die Hand geben, sondern auch weitere und wichtige Gesichtspunkte eröffnen konnten. Gleich dagegen, daß der Herr Verfasser § 17 aus einem Räsonnement ableitet, daß die Widersprüche zwischen den inneren und äußeren Erfahrungen - und nur zwischen diesen soll es Widersprüche geben - nur scheinbar seien, enthält die Kantische Betrachtung den für die Wissenschaft so hochinteressanten und epochemachenden Satz von der Notwendigkeit der Widersprüche; dieser Gesichtspunkt ist für die Bedingung anzusehen, daß das Philosophieren eine Tiefe gewinne.
- Ob und wo dann überhaupt Widersprüche stattfinden, hängt von den Voraussetzungen ab, die gemacht werden; damit nimmt es der Herr Verfasser nicht genau genug; er macht es dem Leser zu leicht, die Annahmen nicht gelten zu lassen, die einen Widerspruch hervorbringen sollen. Schon im Anfange, § 17, wo gezeigt werden soll daß weder in der Natur für sich noch im Geiste die Quelle der Widersprüche liegen könne, gestattet sich der Herr Verfasser ohne weiteres eine solche unerwiesene Annahme, welche sich auf die Natur des Widerspruchs selbst bezieht und in Ansehung deren er vor allem das aus § 5 Angeführte hätte befolgen müssen, nämlich alles früher Geglaubte und Gemeinte zu vergessen oder einstweilen beiseite zu setzen. "In der Natur", heißt es, "können keine Widersprüche liegen, denn Widersprechendes hebt sich auf und kann nicht existieren"; die Natur aber soll existieren ebenso: "der Geist denkt nicht Widersprechendes, und diese Beschaffenheit desselben", wird fortgefahren, "ist ja eben die Ursache davon, daß man Widersprüche erblickt und zu lösen versucht".
- Der Herr Verfasser wäre glücklich zu preisen, wenn ihm in der Welt, in der Natur und in dem Tun und Treiben wie im Denken der Menschen noch keine Widersprüche, wenn ihm noch keine sich selbst widersprechenden Existenzen vorgekommen wären; er sagt mit Recht, der Widerspruch hebe sich auf, aber daraus folgt nicht, daß "er nicht existiert"; jedes Verbrechen, wie jeder Irrtum, überhaupt aber jedes endliche Sein und Denken ist ein Widerspruch; so sehr, daß noch weiter sogar gesagt werden muß, daß es nichts gibt, in dem nicht ein Widerspruch existiert, der sich aber freilich ebensosehr aufhebt.
Allein in dem selbst, was darüber vorgebracht ist, ist wohl der größte Widerspruch nicht zu verkennen, die Beschaffenheit des Geistes (Beschaffenheit ist ein Ausdruck, der für den Geist, vollends wo von der Natur desselben die Rede sein soll, wohl ungeeignet ist), nichts Widersprechendes denken zu können, soll selbst die Ursache sein, - von was? - davon, daß man Widersprüche erblickt, nicht mit den leiblichen Augen, die Natur soll keine darbieten, sondern mit den Augen des Geistes, d. i. daß er solche überhaupt in seinem Bewußtsein hat und sogar denkt; sie soll Ursache sein, daß man sie zu lösen sucht; wenn sie nicht existierten, wo es sei, in der äußeren oder inneren Erfahrung des Denkens, würde man nicht in Versuchung kommen können, sie lösen zu wollen.
Wenn auch der Herr Verfasser dieselben auf das Verhältnis von Geist und Natur, von innerer und äußerer Erfahrung (willkürlich) beschränkt und solche Widersprüche nachher anführt, so ist er eben damit im Falle, von Widersprüchen zu wissen, sie zu denken, ihre Quelle anzugeben. -Der Herr Verfasser hat sich gegen das, was er in der Erfahrung, noch mehr aber im Denken unzähligemal muß vorgefunden haben, durch ein gewöhnliches Schulgeschwätze bereden lassen, die allerunwahrste Annahme, daß es keine Widersprüche in der Natur und im Bewußtsein gebe, blindlings zu machen.

Mit der Annahme, daß das Widersprechende nur in das Verhältnis des sinnlichen Anschauens und des Denkens falle, kommt sogleich in Kollision, daß jenes selbst in der vorseienden Betrachtung denkend aufgefaßt wird; somit ist es nicht solches Anschauen und das Denken, sondern es sind in den Beispielen des Herrn Verfassers nur Gedanken, die mit Gedanken verglichen und einander widersprechend gefunden werden. So fängt § 18 damit an, daß es die sinnliche Erfahrung sei, welche behaupte, "daß alles, was ist, sich verändere, das Denken dagegen sage, alles, was ist, bleibt dasselbe, immer und ewig; Veränderung ist undenkbar". - Schon die erstere Behauptung hätte doch nicht so geradezu zu einer Annahme der sinnlichen Erfahrung gemacht werden sollen. Erstens, wie käme die sinnliche Erfahrung zu "allem"; das Alles, als sinnlich, ist im Raume, ebenso in der Zeit, und zwar der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft; wie möchte man nur sagen, alles an allen Orten des Raumes (z. B. [im] Innern der Erde wie der Sonne und der Gestirne und im äußeren Hinaus des Himmels), alles zu allen Zeiten und selbst in der Zukunft, sei erfahren worden, und sogar wisse man von diesen Erfahrungen, - wie könnte man sonst von ihnen sprechen? Beschränken wir sie etwa auf das nächste Beste, was wir sinnlich erfahren und von dessen Erfahrungen wir wissen, so fällt doch zweitens gleich die Frage ein, haben wir denn oder wer hat sonst die Erfahrung gemacht, daß diese Gebirge der Erde, diese Weltteile usf. daß diese Gestirne, Sonne und Mond (die beobachtete Bewegung ist nur die Veränderung ihres Orts, der Lichtwechsel nur ihres Lichtscheines usf.) sich verändert haben?
- Es kann etwa ungeeignet aussehen, wenn wir in hoher metaphysischer Betrachtung stehen, an solches Triviales zu erinnern, was wir, und zwar nicht wissenschaftlich, sondern nach der gemeinsten sinnlichen Erfahrung, uns gemerkt haben.
Aber die Alten, wie besonders Sokrates bei Xenophon u. a. und selbst aus dem Munde des erhabenen Platon, haben sich und ihr Philosophieren nicht für zu vornehm gehalten, um die nächsten besten Wahrnehmungen des gemeinen Lebens aufzunehmen, um von da aus zu ihren allgemeinen Sätzen und selbst zu den Ideen aufzusteigen oder diese dadurch als an Beispielen zu erläutern, - mitunter auf eine so redselige Weise, die uns, die wir an abstrakte Sätze mehr gewöhnt sind, als überflüssig und selbst langweilig erscheint. Aber wo von sinnlicher Erfahrung gesprochen wird, sind die Beispiele nicht nur erläuternd, sondern beweisend; ein Satz dieses Gebiets beruht ganz auf der Induktion, die aus ihnen allein gezogen werden kann. Allgemeine Sätze ins Blaue hinein über die sinnliche Erfahrung auszusagen und gelten zu lassen, ist eine üble Gewohnheit unbedachten Metaphys[iz]ierens, der sich die Philosophie zum wenigsten ebensosehr entgegensetzen sollte, als es der gesunde Menschenverstand tut.
- Vollends wenn diesem unter dem Titel von "Jedermann" und "allen Menschen" zum Behuf, das Bedürfnis zur Philosophie in ihm aufzuzeigen, solche falsche Sätze, wie daß man erfahre, daß alles sich verändere, mit der Berufung auf ihn, beim Antritt zum Philosophieren, an den Kopf geworfen werden, so kann ihm solches nur befremdlich vorkommen, ebensosehr als daß dem Denken die Veränderung undenkbar sein solle, - daß es das Denken sei, welches den Satz, daß alle endlichen Dinge veränderlich sind, daß die Veränderlichkeit die Natur der endlichen Dinge ausmacht, verwerfe. Das hierauf folgende Räsonnement über das Entstehen und Vergehen ist nicht so scharf als das der alten Eleaten; diese kamen nicht zu dem Schlußsatze, daß "ein Anderes" (und ein Anderes ist doch wohl auch Etwas), also das Etwas ein Neues aus sich hervorgehen lasse oder daß Etwas vielmehr gar einen Teil (wie kommt hierher die Kategorie eines Teils?) von sich absondere, und dann gleich, daß nur die Form oder Beschaffenheit eine andere werde. - Wie dergleichen Kategorien, so ist unter anderem dann gar der allen solchen Annahmen widersprechende Satz jenes Pantheismus: Aus Nichts wird Nichts, geradezu als feststehend angenommen. S. 211 kommt der Herr Verfasser auf den Pantheismus und die Unterschiedenheit des Idealrealismus von demselben zu reden; er macht es sich daselbst leicht mit dem Pantheismus, indem er geradezu annimmt, jedes Individuum habe ein selbständiges Dasein; dafür aber hätte er früher nicht einen Satz müssen gelten lassen, der die eleatische Einheit, die abstrakte, unveränderliche Identität ausspricht.
- Gleich darauf, § 21, wird der Satz der Kausalität dem sinnlichen Anschauen zugeschrieben, wie soeben dem Denken der Begriff der Veränderung abgesprochen worden usf.

Doch zu ähnlichen Zweifeln und Ausstellungen könnte die ganze Ausführung des ersten Buchs über die Zweifel und Widersprüche, welche den menschlichen Geist zur Philosophie treiben sollen, Veranlassung geben; bei einer so unkritischen Einführung von Kategorien und Sätzen, wie sie hier statthat, sieht man näher, wie [sehr] es zu bedauern ist, daß das Studium der Kantischen Kritik, eigentlich aus einer Art von Vornehmigkeit, geringschätzig geworden; die nächste Frucht solchen Studiums ist wenigstens ein gebildeteres Verfahren des Denkens selbst im bloßen Räsonnement über abstrakte Gegenstände, und ohne solche zuvor erworbene Bildung sollte nicht an weiteres Philosophieren, noch weniger an spekulatives gegangen werden.

Das Ende des ersten Buchs gibt als die drei möglichen Wege der Lösung der Widersprüche den Idealismus, den Realismus und den Idealrealismus an; jene beiden werden in ihrer bestimmten Konsequenz aufgenommen, nach welcher (§ 47) der reine Realist wie der reine Idealist keinen wahren Gegensatz zwischen Geistigem und Sinnlichem anerkennen, indem jenem das Geistige nicht verschieden dem Wesen nach vom Sinnlichen ist und für den zweiten es keine wahre Außenwelt gibt, als welche von dem Ich in sich selbst getragen wird. Mit Recht wird dann auch das dritte, was der Herr Verfasser den Idealrealismus nennt, dahin bestimmt, daß es nicht ein Gemische aus den beiden Gliedern des Bewußtseins nebeneinander sein soll.

Das zweite Buch handelt nun vom reinen Idealismus und gibt im ersten Abschnitt (§ 50-62) eine Darstellung desselben nach der entschiedensten Gestalt, die er als Fichtesches System hat. Diese Darstellung ist in Ansehung der Prinzipien im ganzen gründlich und scharf bestimmt zu nennen; es ist als richtig anzuerkennen, daß der Gegensatz des Objekts und die Teilung des Gegenständlichen an das Ich und das Objekt als Tatsachen von diesem Systeme aufgeführt und angenommen werden. Jedoch enthält der Übergang (§ 53) zur näheren Bestimmung des Fichteschen dritten, des synthetischen Grundsatzes ein Räsonnement, das weder als Fichtesch noch als sonst für sich bündig angesehen werden kann. "Das Ich würde" nämlich, sagt der Herr Verfasser, "alles, was auf dem Gegensatze seiner und des Nicht-Ich beruht, nicht finden, wenn ein Nicht-Ich als absolutes Wesen existierte, denn dann würde das Ich eine Vorstellung von sich haben können, ohne daß eine entgegengesetzte sie begleitete" (eine solche, d. i. reines, abstraktes Selbstbewußtsein wird uns übrigens nicht abgesprochen); "weil alsdann bereits ein Objekt für seine Tätigkeit da wäre, von diesem (Objekte) auf sich reflektiert, hätte es nicht nötig, in dem Erfassen seiner selbst zugleich das Nicht-Ich, das Resultat eines Akts seiner Tätigkeit, zu setzen." Nach dem (§ 51) angeführten ersten schlechthin unbedingten Grundsatze Fichtes: Ich bin Ich, erfaßt Ich schlechthin rein sich selbst; indem es aus seinem Gegensatze sich in sich reflektiert, vermag es ebenso rein sich zu erfassen, ob das Gegensätzliche als Objekt oder als Nicht-Ich, als Produkt des Ich, bestimmt worden sei. Insofern aber Ich an dem absolut vorhandenen Nicht-Ich ein Objekt seiner Tätigkeit haben sollte, ist ja damit eben das Verhältnis von Ich zu einem Nicht-Ich ausgesprochen, das eine Zeile vorher darin liegen sollte, daß es kein solches Nicht-Ich gäbe.

Von dem Räsonnement, das § 54 über die unendlich vielfache Tätigkeit des Ich gemacht wird, kann Referent gleichfalls nicht einverstanden sein, daß es dem Fichteschen oder dem reinen Idealismus überhaupt angehöre.
Die vielfache Tätigkeit des Ich ist allzu einfach auf diese Weise eingeführt, daß es daselbst heißt: "Wenn das Nicht-Ich einfach wäre, so könnte die Tätigkeit des Ich nur sehr" (wohl 'ganz' würde folgen) "einförmig, oder wenn es auf sie wechselte, könnte dieselbe doch nicht zugleich auf mehrere Objekte gerichtet sein". Sie sei aber unendlich vielfach und dränge, so vielfach als möglich sich zu äußern; - solches Voraussetzen dürfte sich der reine Idealismus nicht erlauben, ebensowenig als die folgende Konsequenz: "darum ist das Nicht-Ich so zusammengesetzt und besteht aus einer gar großen Anzahl von Individuen, welche die verschiedenartigste Beschaffenheit an sich tragen und dadurch der Wirksamkeit des Ich das freieste Feld bieten."
Auf solche Art hat wenigstens der Fichtesche Idealismus sich nicht erlaubt, Annahmen zu machen und zu räsonieren; er ist vielmehr wegen seiner Eigentümlichkeit, alles zu deduzieren und zu konstruieren, verspottet worden. - Doch dies mag zur Bezeugung des Wunsches, daß die Darstellung des Idealismus mehr der Strenge, die er ausgezeichnet sich zum Gesetz gemacht, entsprechen möchte, genügen, und Referent will mit Übergehung des Weiteren dieser Darstellung noch den zweiten Abschnitt, die Kritik des reinen Idealismus (§ 63-68) berühren.

Die erste Frage, die hier (§ 63) gemacht ist: "Kann der Idealismus dem Menschen genügen, befriedigt er die menschlichen Bedürfnisse, die ihn erzeugten?" wird mehr dadurch beseitigt, daß sie beiseitegestellt, als [dadurch, daß] auf sie geantwortet wird. Der Herr Verfasser hätte nach seinem vorhin auch zitierten Grundsatze (§ 5), daß man alles früher Geglaubte und Gemeinte bis zur Bestätigung desselben durch das philosophische Nachdenken beiseite zu setzen habe, das Herbeibringen von so was wie "menschliche Bedürfnisse" und die Vergleichung des Prinzips mit solcher Voraussetzung unterlassen und verwerfen müssen.
Die folgende Ausmalung des Schauderns des Ich (wohl ohnehin nicht, wie der Herr Verfasser sagt, "vor seinem reinen Selbstbewußtsein") wäre damit besser weggeblieben, vollends die Zuspitzung der Deklamation dazu, daß "das Ich in dem reinen Bewußtsein seiner selbst" (was ganz verschieden vom Egoismus ist, den der Herr Verfasser daselbst nennt) "alle Bande der Menschheit, die Realität des höchsten Wesens und sein Verhältnis zu diesem beinahe (!) für nichts als fratzenhafte Gebilde seiner Phantasie halten solle". - Dergleichen blinden Vorstellungen und falschen Vorspiegelungen sollte am wenigsten eine philosophische Darstellung durch eigene Verwechslung des reinen Selbstbewußtseins und dessen, was Egoismus heißt, Vorschub tun.

Interessanter ist, daß der Herr Verfasser im folgenden Paragraphen das Prinzip selbst vornimmt, und was er zunächst an demselben aufzeigt, zeigt die Fähigkeit des Auffassens abstrakter Sätze, das aber zu bald in gewöhnliche Manier unphilosophischer Reflexion zurückfällt. - Aus dem Satze § 64, daß Ich sich nur ergreifen könne, indem es sich als Gegensatz seines Nicht-Ich betrachtet und sich mit dem Nicht-Ich zugleich setze, wird abgeleitet, daß Ich nie (die Zeitbestimmung ist hier müßig) dazu kommen könne, sich selbst, abgesondert und allein zu setzen. Allein es darf der erste Satz Fichtes: Ich = Ich oder Ich bin Ich, der Ausdruck des reinen Selbstbewußtseins, ein Satz, der ein paar Zeilen nachher selbst angeführt wird, nicht vergessen werden. Vielmehr wäre die Fichtesche Inkonsequenz bemerklich zu machen gewesen, auf diesen unbedingten Satz noch zwei Sätze folgen zu lassen, deren jeder gleichfalls ein unbedingtes Moment enthält, darunter den vom Herrn Verfasser hier allein angeführten, daß Ich sich mit dem Nicht-Ich zugleich setze.
Über jenen Satz: Ich setzt sich, sagt der Herr Verfasser hernach: "Also weiß es, daß es Ich ist", d. i. es wisse von sich nichts; ob es nicht eine tote, ganz unfruchtbare Erkenntnis sei, wenn Ich von sich nur wisse, daß es existiere.
Hätte der Herr Verfasser darauf reflektiert, daß dieses abstrakte Wissen des Ich von sich, die ganz abstrakte Existenz solchen Wissens, in der Ich sich setzen könne, die Grundlage von der Persönlichkeit und Freiheit und von allem, was damit zusammenhängt, wie von der Unsterblichkeit der Seele ausmacht, so hätte dieser Satz für ihn wohl nicht den Schein von Totem und Unfruchtbarem behalten. Abstrakt ist dieser Satz und dieses Wissen freilich; deswegen muß von ihm aus weitergegangen werden, was denn auch Fichte in seinem zweiten und dritten Grundsatze tut, zum Nicht-Ich und zu der Beziehung des Ich darauf überzugehen.
Damit kommt allerdings der Widerspruch zwischen dem Ich und ihm als sich beziehend auf ein Nicht-Ich (ein großes, gewaltiges, prächtiges Nicht-Ich! heißt es S. 83) herein. Dieser Idealismus aber ist es selbst zu allererst, der den Widerspruch, welcher in dieser Beziehung liegt, anerkennt, ihn zu vielen weiteren Widersprüchen entwickelt und sie löst, aus welchen Lösungen selbst andere Widersprüche entstehen, die einer neuen Lösung bedürfen. Nach jener Inkonsequenz von drei Grundsätzen mit drei unbedingten Bestimmungen ist diese Entwickelung und die Art, die Widersprüche zu lösen, das, was das wesentliche Interesse dieses Systems ausmacht; das Verdienst des Versuchs, die Welt der Gedankenbestimmungen in einem notwendigen Fortschreiten abzuleiten, hat der Herr Verfasser nicht bemerklich gemacht, überhaupt von dieser Entwicklungsweise und der Methode der Deduktion ganz abgesehen, wie auch sein eigenes Verfahren nicht zeigt, daß er solchen Gedanken gefaßt und dieser eine Wirkung auf dasselbe gehabt hätte.

Schüchtern zeigt sich der Ausdruck dialektisch; wenn, heißt es S. 83, "man ein wenig dialektisch verfahren wollte, so könnte man also schließen" usf. Die Dialektik ist aber nicht das Schließen einer Konsequenzenmacherei aus Voraussetzungen und beliebig herbeigenommenen Bestimmungen, wie das "wenige Dialektische", das uns hier gezeigt wird: "das Ich soll eine Setzung sein; die Setzung ist aber eine bloß geistige Tätigkeit, ein Gedanke"; sagt man aber nicht im Sinne des Idealismus oder überhaupt eines notwendigen Denkens, daß durch den jetzigen Augenblick der nächstfolgende, durch diesen Raum der nächste begrenzende, durch die Ursache die Wirkung (die der Herr Verfasser auch in die Region der Sinnlichkeit verlegt) usf. gesetzt werde, - und diese Verhältnisse sind doch wohl nicht einseitig geistige Tätigkeiten? "Also", wird fortgefahren, "ist das Ich ein Gedanke, folglich nicht real. Oder soll etwa das Denken das Reale sein?"
- Diese unbestimmte Frage schließt unbeantwortet, wohl weil sich die Antwort von selbst verstehe und damit das Sichsetzen des Ich für sich evident ad absurdum geführt sei? - Sosehr der Herr Verfasser hier sich in die populäre Vorstellung, das Denken sei ja das Ideelle und nicht ein reales Ding, als welches mit Händen zu greifen sei, hat hineingehen lassen, so hätte er sich wenigstens daran erinnern müssen, daß er hier bei dem Idealismus ist, für welchen allerdings das Denken das Reale und das Allein-Reale ist, wogegen bloß die Frage zu machen, ob etwa das Denken das Reale sein soll, nichts weniger als dialektisch ist. So ein leerer, unbestimmter Ausdruck, wie hier das Reale hereinkommt, tut ohnehin zum Begriffe nichts. Aber das Betrachten eines Satzes, Begriffs an ihm selbst, was den Herrn Verfasser in eine ganz andere Weise der Dialektik eingeleitet haben würde, ist ihm hier allzu fremd geblieben, wie in der Menge anderer Konsequenzen und Räsonnements, die in diesem Abschnitt über das Ich durcheinanderlaufen. Nur noch in Beziehung auf das schon erwähnte "große, gewaltige, prächtige Nicht-Ich" ein Beispiel, wie sehr der Herr Verfasser imstande sei, im Populären sich zu verlieren und zu vergessen! § 67 heißt es: "Es ist durchaus kein Grund vorhanden, warum das Ich sich nicht auf einem würdigen Standpunkt, mächtig und gewaltig, als Teil des Nicht-Ich erblickt" (dies sollte dem Ich Würde geben, sich als ein Teil des Nicht-Ich zu sehen), "statt daß es nun vielleicht (!) verachtet, kaum als ein Punkt, der Bedeutung verdient, erscheint". Um auch eine Frage zu machen, deren Antwort sich von selbst verstehen soll, so fragen wir: Liegt nicht die Bedeutung, Würde und Macht des Geistes gegen die ausgedehnte Welt gerade in der Einfachheit des Denkens, in der es Punkt, aber freilich kein räumlicher noch zeitlicher, ist?

Das dritte Buch gibt vom reinen Realismus gleichfalls im ersten Abschnitte die Darstellung und im zweiten die Kritik desselben. Die Darstellung des Idealismus, insofern er als reiner auf die Spitze der abstrakten Subjektivität des Ichs getriebener Idealismus mit Recht genommen wurde, bietet wegen der Bestimmtheit seines Prinzips wohl weniger Schwierigkeit dar als die des Realismus, der so vielfacher Auffassungsweisen fähig ist, indem er zugleich Metaphysik sein soll, wie auch der Herr Verfasser denselben als in sich konsequentes System, in "Vereinigung der Erfahrung mit den Postulaten des Denkens in bezug auf das Seiende" (§ 71) darzustellen bemüht ist. Es wird im ganzen mit Recht das atomistische System zugrunde gelegt, soll jedoch nicht sowohl geschichtlich als in seiner eigenen Konsequenz dargestellt werden. So scharfsinnig vieles in dieser Ausführung ist, so laufen doch Annahmen und Räsonnements unter, die ein denkender Realismus wohl nicht auf sich nehmen würde; z. B. (§ 40): es sei "natürlich, daß es eine bestimmte Anzahl von Wesen gibt, wenn wir auch nicht wissen, wie groß dieselbe ist" (wohl eine durch ihre Natürlichkeit nicht schon gerechtfertigte, auch sonst ganz müßige Annahme); oder: § 71 ist das Räsonnement nicht klar, daß "der erfüllte Raum schon ein sich selbst widersprechender Begriff" sei; - ist diese Annahme für den Realismus notwendig? oder die folgende, daß "der leere Raum die höchste Potenz der Undenkbarkeit" sei; also könne zwischen den einzelnen Wesen oder Elementen Nichts sein (Nichts wäre nur der leere Raum); der Herr Verfasser folgert dagegen: also "müssen die einzelnen Wesen einander berühren"; heißt dies aber nicht zu dem ersten, dem für "in sich widersprechend" erklärten Begriff zurückkehren?
- Doch können wir dieser Auseinandersetzung nicht weiter folgen, die viele andere Schwächen des Räsonnements in sich enthält, übrigens die zerstörenden Lehren des Realismus richtig aufzeigt, deren Konsequenz er nicht ablehnen kann.

Der zweite Abschnitt, § 82-97, beginnt wohl die Kritik des Realismus mit der interessanten Bemerkung, daß derselbe mit dem Idealismus, ohne es zu wissen, ein und dasselbe Prinzip habe, nämlich, daß Ich eine äußere und innere Erfahrung habe, was nichts anderes sei, als was der Idealismus vom Ich sage, daß es sich seiner und zugleich eines Nicht-Ich bewußt sei, die sich einander beschränken; doch ist solche Erscheinung oder sogenannte bloße Tatsache des Bewußtseins noch kein philosophisches Prinzip zu nennen. Allein mehreres auszuzeichnen, wie anderes nach den schon angegebenen Mängeln des Räsonnements zu rügen, verbietet uns der Raum.

Über das vierte Buch (§ 98-143), welches den Idealrealismus darstellen soll, wollen wir gleichfalls kürzer bemerken, daß man mit dem zugrunde liegenden Gehalte ganz wohl einverstanden sein kann. Nach der im Vorhergehenden berichteten Einsicht des Herrn Verfassers von der Einseitigkeit des reinen Idealismus und des reinen Realismus mußte sich ihm die Erkenntnis der Wahrheit als der Einheit, nicht der abstrakten, die das Sinnliche und Geistige nur wegläßt und nicht über eine solche dürre Verstandesbestimmung wie Wesen, Identität und dergleichen hinausgeht, ergeben, und § 7-18 sprechen diese Idee ganz gut, beredt und mit Wärme aus.
Es wird vom Bewußtsein seiner selbst als einer Tatsache angefangen, die jeder zugebe und die daher nicht bewiesen werden dürfe (das heißt wohl, daß sie keines Beweises bedürfe; gewiß, aber um die Tatsache nur als solche ist es nicht zu tun), welches Bewußtsein seiner selbst aus der Verbindung von Geistigem und Sinnlichem hervorgehe (dieser Ausdruck möchte einem Tadel unterliegen), sich auf beides beziehe und sich als Gefühl oder als Denken oder als klares Schauen zeige.
Auch diese Unterschiede sind zweckmäßig auseinandergesetzt; "klares Schauen" nämlich nennt der Herr Verfasser "das Zurückkehren des Bewußtseins in sich", in welchem dasselbe "sich als die unmittelbare Identität des Wissens und Seins, folglich als das Reale, das sich selbst und in sich alles andere schaut". Außerdem daß es um sich, schaue es auch über sich und schaue so den Urgrund als das Absolute usf., das Von-sich-Seiende, als die ursprünglichste Einheit, welche alle scheinbare Vielheit aus sich entstehen lasse und in der alle Vielheit sich wieder in eine Einheit verwandle, folglich als das Einfache. - Sehr gut gibt der Herr Verfasser an, daß das Bewußtsein das Absolute nicht nur in seiner Fülle, als die Identität des Seins und der Entwicklung, anschaue, sondern es könne auch als ruhend und abgeschlossen von dem tätigen, aus sich heraustretenden, das Absolute für sich von ihm in seinem Anderssein, für die Betrachtung trennen; wovon das letztere, der Inbegriff aller relativen Individualitäten, für das menschliche Bewußtsein die Welt sei.

Indem nun dem Herrn Verfasser zugestanden werden muß, daß er sich im Mittelpunkte des Bewußtseins der spekulativen Idee befindet, und wenn der Ausdruck des Schauens für solches Bewußtsein an sich gleichgültig ist, so ist derselbe zugleich charakteristisch für die Expositionsweise, die sich in diesem vierten Buch für die Idee vorfindet. Abgesehen davon, daß hier und da mehr philosophische Präzision z. B. in Bestimmung des Verstandes, auch der Idee selbst, alsdann das Weglassen von einigen bloßen Deklamationen gegen denselben und von Rücksichten auf empirische psychologische Zustände gewünscht werden könnte, muß jeder Leser wesentlich den Beweis vermissen, daß die Idee, wie sie als jene Einheit bestimmt worden, in der Tat absolut, das Wahre ist. Die Aufforderung des Bewußtseins zu dem Schauen dessen, was das Absolute genannt und von dem in den angeführten Bestimmungen gesprochen wird, und die Versicherung, daß solches Schauen die Wahrheit besitze und selbst sie sei, reicht für die Überzeugung des Gedankens nicht aus.
Die Religionen enthalten im allgemeinen dieses Schauen, - in Schwärmereien ist es ausdrücklicher herausgehoben, auch in allen wahrhaften Philosophien ausgesprochen; aber teils ist dasselbe darin mit mancherlei Heterogenem und Falschem vermischt, teils, wenn es rein und in seiner wahrhaften Tiefe im Bewußtsein ist, ist das Eigentümliche der Wissenschaft nicht bloß solches Schauen assertorisch auszusprechen, sondern die Wahrheit seiner Bestimmung zur begreifenden Überzeugung, zur Einsicht in die Notwendigkeit, daß das Absolute so und nicht anders bestimmt werden könne und sich selbst so bestimme, zu bringen. Für solche Einsicht, um deren willen allein wir das Bedürfnis der Philosophie haben, ist es aber nicht genügend, die Einseitigkeit der beiden früheren Gesichtspunkte auf die Art gezeigt zu haben, auf welche es der Herr Verfasser versucht hat; es ist vielmehr erforderlich, jene Entgegengesetzten, das (endliche) Geistige und Sinnliche (oder auf welche andere Weise der Gegensatz aufgefaßt werden möge) an ihnen selbst zu betrachten und in ihnen zu erkennen, daß sie, wie sie bestimmt gegeneinander sein sollen, vielmehr dies sind, in ihr Gegenteil sich aufzuheben, somit die Identität eines jeden mit seinem Andern aus ihnen selbst sich ableitend zu wissen, - was die wahrhafte Dialektik und allein die von der Philosophie zu leistende Beweisführung ist.
Diese Richtung aber ist dem Herrn Verfasser in seiner Exposition des sogenannten Absoluten noch zu fremd geblieben, um mehr als Assertionen zu geben, die nicht allein dunkel und voller Unbestimmtheiten bleiben, sondern, statt zu beruhigen, die höchsten Widersprüche darbieten. So bemerken wir noch, daß, was von § 120 an über "die Entwicklung des Absoluten", wie sie geschehe, gesagt wird, vornehmlich an dem Grundmangel leidet, aus direkten Annahmen und bloßen Räsonnements zusammengesetzt zu sein und keine Ableitung des Inhalts, die aus dem Schauen des Absoluten geschehen müßte, gegeben zu haben; selbst von dem Gedanken der Wesentlichkeit solcher Ableitung findet sich nirgends eine Äußerung, obgleich der Fichtesche Idealismus, den der Herr Verfasser kennt, wie oben bemerkt für immer die Wirkung auf das Philosophieren haben sollte, das immanente Aufzeigen der Notwendigkeit unerläßlich zu machen.
Der Herr Verfasser, der bereits so tief eingedrungen und Interesse und Gewohnheit abstrakten Gedankens besitzt, möge auch dies Erfordernis der Form für das Philosophieren durch weiteres Nachdenken und Studium für seine Arbeiten noch gewinnen! 

 

 

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