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Über die unter dem Namen Bhagavad-Gita bekannte Episode des Mahabharata
von Wilhelm von Humboldt
Berlin 1826              in: Jahrbücher für wissenschaftliche Kritik 1827, Nr. 7/8,
                                                                                                                                                                    <<<Erster Artikel

Zweiter Artikel

Nachdem in einem früheren Artikel diese gelehrte Arbeit des höchstverehrten Herrn Verfassers dazu benutzt worden, zu versuchen, das herauszuheben, was aus diesem berühmten Gedichte sich für die sittlichen Bestimmungen der Inder ergebe, so soll aus der Zusammenstellung und den Aufklärungen, welche uns diese höchst schätzbare Darstellung über die religiöse Ansicht dieses Volkes gewährt, der Vorteil gezogen werden, einige Grundbestimmungen zu derselben in Betracht zu ziehen und Rechenschaft über diese zu geben. Die Aufschlüsse, welche wir in den vorliegenden Vorlesungen erhalten, sind um so interessanter, als sie nicht irgendeine partikuläre Seite der unendlich vielgestalteten indischen Mythologie behandeln, sondern sich vornehmlich mit der Joga-Lehre, dem Innersten der Religion dieses Volkes, beschäftigen, worin ebensosehr die Natur seiner Religiosität als seines höchsten Begriffes von Gott enthalten ist. Diese Lehre ist die Grundvorstellung, welche durch das ganze Gedicht herrschend ist und geltend gemacht wird.

Sogleich ist zu bemerken, daß der Ausdruck Joga-Lehre nicht das Mißverständnis veranlassen darf, als ob Joga eine Wissenschaft, ein entwickeltes System sei. Es ist damit nur eine Lehre in dem Sinne gemeint, wie man etwa von der mystischen Lehre spricht, um einen Standpunkt zu bezeichnen, der, als Lehre betrachtet, nur etliche wenige Behauptungen und Versicherungen enthält und vornehmlich erbauend, zur geforderten Erhebung ermahnend und aufregend ist. Es ist dies mit ein Grund, warum, wie Herr von Humboldt S. 33 anführt, diese Lehre eine Geheimlehre ist; sie kann ihrer Natur nach nicht objektiv sein, denn sie hat keinen entwickelten, in den Boden des Beweisens eintretenden Inhalt. Die höchste Lehre in Indien, die Wedas, sind aber dort auch äußerlich ein Geheimnis; die Brahmanen sind eigentlich im ausschließenden Besitz und Lesen dieser Bücher das für die anderen Kasten nur etwas Toleriertes ist. Die großen Gedichte Ramajana und Mahabharata scheinen dagegen die Bestimmung zu haben, auch diesem aus dem Eigentume der Brahmanen ausgeschlossenen Teile der Nation die religiösen Kenntnisse zu gewähren, die derselbe freilich nur bis zu einem gewissen Grade und in dem Sinne zu benutzen fähig ist, um welchen sich die ganze Joga-Lehre dreht.

Herr von Humboldt führt ebendaselbst an, daß Colebrooke in seinen Auszügen aus den philosophischen Systemen der Inder (Transactions of the Royal Asiatic Society, Vol. I) von dem Werke Patandschalis (eines mythologisch erscheinenden Wesens), das die Joga-Lehre enthält, nur kurze Andeutungen gebe, so daß sich nicht beurteilen lasse, inwiefern das, was Krischna in der Bhagavad-Gita vorträgt, damit übereinstimme. Die special topics, deren Colebrooke erwähnt, auf welche sich die Meditation in der genannten Lehre ausdehne, mögen wohl Eigentümliches enthalten; allein es läßt sich nicht zweifeln, daß wenigstens die Natur dessen, was Joga heißt, und das letzte Ziel, welches sich darin vorgesetzt ist, der Hauptsache nach auf dieselbe Weise in beiden Darstellungen vorgestellt werde. Schon der Inhalt der vier Kapitel der Joga-Sutras des Patandschali, den jener sorgfältige Gelehrte angibt, sowie einige weitere Anführungen, die er daraus macht, lassen dies schließen, und wir werden auch die besonderen Gesichtspunkte, die der Gegenstand jener Kapitel sind, in dem Inhalte der Gita finden. Ich will sie kurz angeben.
Das erste der Kapitel (padu), sagt Colebrooke, handelt von der Beschauung (contemplation), das zweite von den Mitteln, sie zu erlangen; das dritte von der Übung übernatürlicher Macht (exercise of transzendent power, vibhuti), das vierte von der Abstraktion oder geistigen Isolierung. Daß Colebrooke von den special topics der Patandschali-Lehre nichts Näheres anführt, während er von den anderen Lehren sehr ausführliche und bestimmte Auszüge gibt, hat wohl seinen guten Grund; es ist nicht zu vermuten, vielmehr scheint es der Natur der Sache nach eher unmöglich, daß viele andere als uns fremdartige, wilde, abergläubische Dinge, die mit Wissenschaftlichkeit nichts zu tun haben, zu berichten gewesen wären. Auch die Sankhja selbst, welche wesentlich von der Patandschali-Lehre verschieden ist, kommt in ihrem letzten und einzigen Zwecke mit dieser überein und ist darin Joga-Lehre. Nur der Weg weicht voneinander ab, indem die Sankhja ausdrücklich durch die denkende Betrachtung der besonderen Gegenstände und der Kategorien der Natur wie des Geistes zu jenem Ziel fortzuschreiten anweist, die eigentliche Joga-Lehre des Patandschali dagegen ohne solche Vermittlung gewaltsam und auf einmal in diesen Mittelpunkt sich zu versetzen treibt. Ausdrücklich macht Colebrooke den Anfang der Exposition der Sankhja damit, zu sagen, daß der anerkannte Zweck aller Schulen, der theistischen (worunter die Patandschali-Lehre gehört), der atheistischen und mythologischen wie anderer philosophischer Systeme der Inder dieser ist, die Mittel zu lehren, durch welche ewige Seligkeit erlangt werden könne, nach dem Tode oder vor demselben.

Von den Wedas führt Colebrooke dabei nur eine Stelle in dieser Beziehung an; von der Wedanta (der Theologie der Wedas als ihr räsonierender Teil) sagt er, ihr ganzer Zweck sei, eine Erkenntnis zu lehren, durch welche die Befreiung von der Metempsychose erreicht werde, und dies als das große Ziel einzuschärfen, das durch die in jener Theologie angegebenen Mittel zu erlangen sei. Bestimmter gibt derselbe anderwärts (Asiatic Researches IX, p. 289) an, die Anhänger der Wedas glauben, daß die menschliche Seele nicht allein einer vollkommenen Einheit mit dem göttlichen Wesen fähig ist, was durch die Erkenntnis Gottes, wie sie von den Wedas gelehrt wird, erreicht werde, sondern sie haben auch angedeutet, daß durch dieses Mittel die besondere Seele Gott werde, selbst bis zur wirklichen Erlangung der obersten Macht. Sogar in den Aphorismen von Njaja, der Philosophie des Gotama, von welcher Colebrooke im zweiten Aufsatze über die indische Philosophie (Transactions of the Royal Asiatic Society, Vol. I, P. 1) einen ausführlichen Auszug gibt - einer ziemlich trockenen formellen Logik, die der Gegenstand einer unendlichen Menge von Kommentarien in Indien geworden sei -, werde dieselbe Belohnung einer vollkommenen Kenntnis dieser philosophischen Wissenschaft verheißen. Wir dürfen daher mit Recht das, was Joga heißt, für den allgemeinen Mittelpunkt indischer Religion und Philosophie betrachten.

Was nun Joga ist, setzt der Herr Verfasser S. 33 sowohl etymologisch als in dem weiteren Sinne auseinander; auch in der Indischen Bibliothek, Bd. II., Heft 2, S. 248 ff., finden sich interessante Erörterungen sowohl von Herrn von Humboldt als auch von Herrn von Schlegel über die Schwierigkeit der Übersetzung eines solchen Worts. Joga wird also (S. 33) beschrieben als die beharrliche Richtung des Gemüts auf die Gottheit, wodurch es sich von allen anderen Gegenständen, selbst von dem inneren Gedanken zurückzieht, jede Bewegung und Körperverrichtung möglichst hemmt, sich allein und ausschließlich in das Wesen der Gottheit versenkt und sich mit demselben zu verbinden strebt. Herr von Humboldt übersetzt das Wort durch Vertiefung, indem die Insichgekehrtheit das auffallendste Merkmal des im Joga begriffenen Menschen bleibe und darin auch die eigene mystische Gemütsstimmung eines solchen liege; obgleich jede Übertragung eines aus ganz eigentümlicher Ansicht entspringenden Ausdrucks einer Sprache durch ein einzelnes Wort einer anderen mangelhaft bleibe. Letztere Bemerkung enthält wohl die Rechtfertigung des Herrn von Schlegel, der Joga vornehmlich mit devotio übersetzt, wie es auch Langlois und Wilkins mit devotion (Indische Bibliothek, Bd, II., Heft 2, S. 250) geben; sonst gebraucht Herr von Schlegel applicatio, destinatio, exercitatio, wo der Sinn etwa nicht so spezifisch zu sein scheint. Der Herr von Schlegel macht daselbst jedoch den Übelstand bemerklich, daß dem Leser bei allen diesen verschiedenen Ausdrücken der ursprüngliche allgemeine Begriff dieses Wortes fehle, durch den man erst die einzelnen Anwendungen, jede in ihrer Eigentümlichkeit, wahrhaft fassen könne, in welche Bemerkungen Herr von Humboldt mit seiner vollen Kenntnis der Schwierigkeiten des Übersetzens und im tiefen Gefühle der Übersetzerleiden einstimmt.
Es widerstreitet gewiß geradezu der Natur der Sache, die Forderung zu machen, daß ein Ausdruck der Sprache eines Volkes, das gegen die unsere eine eigentümliche Sinnesart und Bildung hat, wenn solcher Ausdruck nicht unmittelbar sinnliche Gegenstände wie Sonne, Meer, Baum, Rose usf., sondern einen geistigen Gehalt betrifft, mit einem Ausdruck unserer Sprache wiedergegeben werde, welcher jenem in seiner vollen Bestimmtheit entspreche. Ein Wort unserer Sprache gibt uns unsere bestimmte Vorstellung von solchem Gegenstande und eben damit nicht die des anderen Volkes, das nicht nur eine andere Sprache, sondern andere Vorstellungen hat. Indem der Geist das Gemeinsame aller Völker ist und wenn die Bildung desselben zugleich vorausgesetzt wird, so kann sich die Verschiedenheit nur um das Verhältnis eines Inhalts nach seiner Gattung und deren Bestimmungen, den Arten, drehen. In einer Sprache sind für viele, gewiß nicht für alle Bestimmtheiten etwa besondere Ausdrücke vorhanden, aber etwa nicht für das sie befassende allgemeine Subjekt, oder aber wohl für dieses, und zwar daß der Ausdruck entweder nur auf das Allgemeine eingeschränkt oder auch für den Sinn einer besonderen Art geläufig ist; - so enthält die Zeit zwar sowohl die erfüllte als die leere und die rechte Zeit; darum muß aber tempus doch oft durch "Umstände", "die rechte Zeit" übersetzt werden. Was wir in den Wörterbüchern als verschiedene Bedeutungen eines Wortes angeführt finden, sind meistenteils Bestimmtheiten einer und derselben Grundlage. Wenn auch, wie Herr von Schlegel (Indische Bibliothek, Bd. II, Heft 2, S. 257) sagt, die europäischen Völker in Absicht auf die Sprachen und auf Geschmack, gesellige und wissenschaftliche Bildung eine große Familie ausmachen, so geht die Verschiedenheit ihrer Sprachen dennoch zu der angegebenen Abweichung fort und macht an einem Übersetzer die Eigenschaften notwendig, welche allein der Schwierigkeit auf eine Weise abhelfen können, wie Herr von Schlegel es in den mannigfaltigsten Proben geleistet, gebildeten Takt und geistreiches Talent.

Herr von Humboldt bemerkt (ebenda S. 250) gegen die französische Übersetzung des Ausdrucks Joga mit devotion und die lateinische mit devotio, daß sie die Eigentümlichkeit der Joga nicht bezeichnen; in der Tat drücken sie nicht die allgemeine Bestimmung für sich und sie nur in einer Modifikation aus, die nicht im Joga enthalten ist. Der deutsche Ausdruck Vertiefung, dessen sich der höchstverehrte Herr Verfasser bedient, zeigt sich sogleich als bedeutend und passend; er drückt die allgemeine Bestimmtheit aus, welche Joga überhaupt bedeutet und für die (S. 41) destinatio, applicatio paßt. Joga aber hat insbesondere die eigentümliche Bedeutung, welche für die Kenntnis des Ausgezeichneten der indischen Religionen das Interessante ist. Wilkins (S. 140 seiner Übersetzung in den Anm.) sagt nach der Erwähnung der unmittelbaren und der allgemeinen Bedeutung von junction und bodily or mental application, daß es in der Bhagavad-Gita "is generally used as a theological term, to express the application of the mind in spiritual things, and the performance of religious ceremonies". Diese spezifische Bedeutung zeigt sich hiermit, im Ausdrucke der allgemeinen Grundlage die überwiegende zu sein. Unsere Sprache kann nicht wohl ein Wort besitzen, welches solcher Bestimmung entspräche, weil die Sache nicht in unserer Bildung und Religion liegt. Der passende Ausdruck Vertiefung geht darum gleichfalls nicht so weit; Joga in jener Eigentümlichkeit ist weder Vertiefung in einen Gegenstand überhaupt, wie man sich in die Anschauung eines Gemäldes oder in einen wissenschaftlichen Gegenstand vertieft, noch Vertiefung [des Menschen] in sich selbst, d. i. in seinen konkreten Geist, in die Empfindungen oder Wünsche desselben usf. Joga ist vielmehr eine Vertiefung ohne allen Inhalt, ein Aufgeben jeder Aufmerksamkeit auf äußere Gegenstände, der Geschäftigkeit der Sinne ebensosehr als das Schweigen jeder inneren Empfindung, der Regung eines Wunsches oder der Hoffnung oder Furcht, die Stille aller Neigungen und Leidenschaften wie die Abwesenheit aller Bilder, Vorstellungen und aller bestimmten Gedanken. Insofern diese Erhebung nur als ein momentaner Zustand betrachtet wird, würden wir ihn Andacht nennen können; allein unsere Andacht kommt aus einem konkreten Geiste und ist an einen inhaltsvollen Gott gerichtet, ist inhaltsvolles Gebet, eine erfüllte Bewegung des religiösen Gemüts.
Die Joga
1) könnte man darum nur abstrakte Andacht nennen, weil sie sich nur in die vollkommene Inhaltslosigkeit des Subjekts und des Gegenstandes und damit gegen die Bewußtlosigkeit hin steigert.

Um zum Bestimmten überzugehen, so ist sogleich zu bemerken, daß diese Abstraktion nicht als eine vorübergehende Spannung verstanden wird, sondern sie wird als habituelle Stimmung und Charakter des Geistes, wie die Andacht zur Frömmigkeit überhaupt werden soll, gefordert. Der Weg zu diesem konstanten Versenktsein des Geistes hat verschiedene Stufen und damit verschiedene Werte. Aus Tausenden von Sterblichen strebt kaum einer nach Vollendung, und von den Strebenden und Vollendeten ist kaum einer, der mich vollkommen kennt, sagt Krischna (Bhag. VII, 3). Die untergeordneten Vollendungen (denn so muß man nach dem eben angeführten Ausspruch reden) zu bezeichnen und ihren Wert unter den der höchsten Vollendung zu setzen, macht einen Hauptinhalt der Bhagavad-Gita aus. Der Vortrag fällt jedoch vornehmlich immer in die Wiederholung des allgemeinen Gebots, sich in Krischna zu versenken, zurück, die Mühe, die Herr von Humboldt übernommen, das Verwandte, im Gedicht so sehr Zerstreute zusammenzustellen, erleichtert es, diesen Unterschieden nachgehen zu können.

Daß die Richtung des Geistes auf Krischna den Charakter durchdrungen habe, wird sogleich zu der Gleichgültigkeit gegen die Früchte der Handlungen gefordert, von welcher im ersten Artikel gesprochen worden und die in den ersten Lektionen des Gedichts vornehmlich eingeschärft wird (s. Herr von Humboldt S. 5 ff.). Diese Verzichtleistung auf den Erfolg ist nicht ein Enthalten vom Handeln selbst, setzt dasselbe vielmehr voraus. Jene Verzichtleistung wird aber XII, 11 als die niedrigste Stufe der Vollendung ausgesprochen. Wenn du, sagt Krischna daselbst, nicht einmal das Vorhergehende (was dies sei, davon sogleich) zu erreichen vermagst, so tu, mich vor Augen habend, in Bescheidenheit auf die Früchte der Handlungen Verzicht.

Wenn dies Absehen von dem Erfolg der Handlungen einerseits ein Element sittlicher Gesinnung ist, so ist es in dieser Allgemeinheit zugleich unbestimmt und darum formeller und selbst zweideutiger Natur. Denn Handeln heißt nichts anderes, als irgendeinen Zweck zustande bringen; damit etwas heraus-, damit es zu einem Erfolg komme, wird gehandelt. Die Verwirklichung des Zwecks ist ein Gelingen daß die Handlung Erfolg hat, ist eine Befriedigung, eine von der vollführten Handlung untrennbare Frucht. Zwischen das Handelnde und das Erreichen des Zwecks kann sich Trennendes einschieben, und das Handeln aus Pflicht wird in vielen Fällen zum voraus sogar wissen, daß es keinen äußerlichen Erfolg haben kann; aber die Pflicht ist etwas anderes als jene bloß negative Gleichgültigkeit gegen den Erfolg. Je sinnloser und stumpfer ein opus operatum vollbracht wird, eine desto größere Gleichgültigkeit gegen den Erfolg ist darin vorhanden.

Die nächsthöhere Stufe, wodurch Vollendung (consummatio) erreicht werde, wird XII, 10 angegeben als eine Vertiefung in die Werke des Krischna und ein Vollbringen von Werken um seinetwillen (mei gratia). Die Stelle, welche die letztere Bestimmung enthält, erklärt Herr von Humboldt (Indische Bibliothek, Bd. II., Heft 2, S. 251) unter den schwierigen sl. 9-12 für die, die ihn vorzüglich zweifelhaft lasse. Wilkins: "Follow me in my works supreme; for by performing works for me, thou shalt attain perfection." Herr von Humboldt interpretiert im ersten Satze nicht Vertiefung in die Werke des Krischna, sondern das um Krischnas willen in alleiniger Richtung auf ihn zu übende Handeln. "Mea opera qui perficit" gibt einen Sinn, der allerdings zunächst nicht einleuchtet, und Herr von Humboldt erinnert, daß diese Übersetzung den Sterblichen etwas Unmögliches aufzuerlegen scheint. Außerdem, daß überhaupt alle unsere Vorstellungen von Unmöglichkeiten an der indischen Vorstellungswelt scheitern, als in welcher das faire l'impossible ganz zu Hause ist, so erhalten wohl jene Werke des Krischna durch das Folgende ihre nähere Erläuterung. Die Frage ist, was es für Handlungen sind, die der Andächtige zu vollbringen habe. In III, 26 wird, wie überhaupt alle die wenigen Gedanken dieses Gedichts auf die tädiöseste Weise wiederholt werden, dasselbe gesagt, der Weise soll mit andächtigem Sinne alle Handlungen verrichten, und dann heißt es weiter sl. 27, daß die Handlungen durch die Qualitäten der Natur bestimmt sind; es sind dies die drei bekannten Kategorien der Inder, nach welchen sie sich alles systematisieren. In XVIII, 40 ff. ist es weiter ausgeführt, daß die eigentümlichen Geschäfte der Kasten nach diesen Qualitäten verteilt sind. Auch in dieser Stelle, wo von dem spezifischen Unterschiede der Kasten ausdrücklich gesprochen ist, übersetzt Herr von Schlegel, wie im ersten Artikel bemerkt wurde, die erste zwar mit Brachmani, aber die drei folgenden mit milites, opifices und servi; die jedesmalige Wiederholung bei der Angabe der eigentümlichen Eigenschaften jeder Kaste, dies seien die ihnen durch die Natur bestimmten Geschäfte (Wilkins: natural duty), lautet: "munera, ex ipsorum indole nata". Indoles ist wohl Naturbestimmtheit, als Naturanlage, Naturell; aber daß es ganz nur der physische Umstand der Geburt ist, wodurch jedem Menschen sein Geschäft bestimmt ist, dies wird durch diesen Ausdruck eher verdunkelt, so sehr, daß man nach dem Sinne der europäischen Freiheit leicht das Gegenteil verstehen könnte, nämlich daß von dem Naturell, der geistigen Naturanlage, Talent, Genie abhängig gemacht werde, zu welchem Geschäfte, d. i. zu welchem Stande jedes Individuum sich selbst bestimme. Es ist eher für wichtig anzusehen, es bemerklich zu machen, daß auch in diesem Gedichte, welches dies große Ansehen indischer Weisheit und Moral genießt, die bekannten Kastenunterschiede ohne die Spur einer Erhebung zur moralischen Freiheit zugrunde liegen. Den ersten Anschein, reine sittliche Prinzipien zu enthalten, geben demselben die teils schon angeführten, teils gleich näher zu erörternden Grundsätze der negativen Gesinnung zunächst gegen die Früchte des Handelns. Grundsätze, die im allgemeinen sich ganz gut ausnehmen, sind um ihrer Allgemeinheit selbst willen zugleich schwankend und erhalten den inhaltsvollen Sinn und Wert erst durch die konkreten Bestimmungen. Der Sinn und Wert indischer Religiosität und der damit zusammenhängenden Pflichtenlehre bestimmt und versteht sich aber nur aus dem Gesetz der Kaste, - dieser Institution, welche Sittlichkeit und wahre Bildung ewig unter den Indern unmöglich gemacht hat und macht.

Die Aufforderung an den Ardschuna, die Schlacht zu liefern, ist die Aufforderung, weil er zur Kschatrija-Kaste gehört, das naturbestimmte Geschäft zu verrichten, opus tibi demandatum, III, 19. Ebendaselbst, sl. 29, ist eingeschärft, daß der Wissende (universitatis gnarus, vgl. Indische Bibliothek, II, 3, S. 350 ) die Unwissenden in diesem Tun ihrer Kastenpflichten nicht wankend machen solle, - was einerseits einen guten Sinn, andererseits eben die Verewigung der Naturbestimmtheit enthält. Es ist besser, heißt es XVIII, 47, seine Kastenpflicht mit ermangelnden Kräften zu vollbringen; wenn sie auch (hier heißt sie connatum opus) mit Schuld vergesellschaftet ist, soll sie keiner verlassen. Was daselbst ferner gesagt ist, daß, wer zufrieden mit seinem Geschäfte ist, die Vollendung erreicht, wenn er ohne Ehrsucht und Begierden es vollbringt, enthält, daß, wie wir uns etwa ausdrücken könnten, nicht die äußerlichen Werke als solche (das opus operatum) zur Seligkeit verhelfen. Aber diese Aussprüche haben nicht den christlichen Sinn, daß in jedem Stande, wer Gott fürchtet und Recht tut, ihm angenehm ist; denn dort gibt es keinen affirmativen Zusammenhang zwischen einem geistigen Gott und den Pflichten und somit kein innerliches Recht und Gewissen, denn der Inhalt der Pflichten ist nicht geistig, sondern natürlich bestimmt. Die Ausdrücke Handlungen, Charakter, die wir oben gebrauchten, zeigen sich dadurch unpassend, hier angewendet zu werden, denn sie schließen moralische Imputabilität und subjektive Eigentümlichkeit in sich. - Krischna sagt von sich III, 22: Ich habe zwar in der Welt nichts zu verrichten, noch zu erlangen, was ich noch nicht erlangt hätte, doch verbleibe ich im Wirken (versor tamen in opere); wenn ich je nicht fortdauernd in Wirksamkeit wäre, so würden die Menschen ins Verderben stürzen (Wilkins: "This world would fail in their duty"), ich würde der Urheber (von was?) von der Vermischung der Kasten sein und dies Geschlecht verschlechtert werden (Wilkins: "I should drive the People from the right way"). Die allgemeinen Ausdrücke "Pflicht", "rechter Weg" - der Engländer verbessert opus in moral actions - oder pessum ire, exitium, wie das opus, das Krischna immer vollbringt, hören nur dadurch auf, leere Deklamationen zu sein, daß es zu einem bestimmten Inhalt und Bedeutung kommt. Dieser ist in der Vermischung der Kasten angegeben; Wilkins: "I should be cause of spurious births"; Herr von Schlegel nur colluvies, - ein für sich nicht genug bestimmtes Wort; genauer heißt es (in der im ersten Artikel angeführten Stelle) colluvies ordinum, das spezifische Warnasankara, das wohl auch hier im Original steht. Statt des Werkes der Weisheit, der Güte und Gerechtigkeit, welches in einer höheren Religion als das Werk der göttlichen Weltregierung gewußt wird, ist das Werk, welches Krischna immer vollbringt, die Erhaltung der Kastenunterschiede. Zu den Werken, die dem Menschen auferlegt sind, gehören wesentlich die Opfer und die gottesdienstlichen Handlungen überhaupt, - ein Boden, der zunächst etwa eine Region zu sein scheinen könnte, worin jene Naturunterschiede, wie bei uns der Unterschied der Stände, der Bildung, des Talents usf. verschwänden und der Mensch als Mensch sich gleich zu Gott verhielte. Dies ist aber nicht der Fall; die religiösen Verrichtungen, wie das, was sonst auch im täglichen Leben bei den gleichgültigsten oder äußerlichsten Handlungen zu beobachten ist, sind nach der Kaste bestimmt; es versteht sich von selbst, daß die Brahmanenkaste auch darin ausgezeichnet ist, an tausend und abertausend abgeschmackte Bestimmungen eines geistlosen Aberglaubens gebunden zu sein.

Es hängt mit dem Gesagten zusammen, was Wilford (Asiatic Researches XI, p. 122) von der Beziehung der indischen Religion auf die Europäer und Nichtinder bemerkt. Die Inder lassen keine Proselyten zu, in dem Sinne, daß wir alle zu ihr gehören, aber in der niedrigsten Klasse; aus solcher können die Mitglieder dieser Kirche nicht in eine höhere übergehen, außer sie sterben vorher, und dann, wenn sie es verdienen, mögen sie in Indien in einer der vier Kasten geboren werden. In dem Kreislaufe (orbis, Wilkins: wheel) von Opfer und Gottesdienst überhaupt, Mensch, Gott oder Brahman und Götter, der in der 41. sl. 14 ff. angegeben ist, ist das wichtigste Moment, daß das, was wir als subjektive Gesinnung und Tun des Darbringenden ansehen würden, Brahman selbst ist; doch hierauf werde ich bei dem Begriffe von Brahman zurückkommen. Über den beiden Vollendungen, der Gleichgültigkeit gegen die Früchte und der Richtung des Innern auf Krischna in Verknüpfung mit den Werken, ist die höhere Stufe angegeben, welche die Werke oder Handlungen, das Gottesdienstliche wie das Tun jeder Art verläßt. Sie lautet XII, 9 nach Herrn von Schlegels Übersetzung: assiduitatis devotio - ein Ausdruck, der, wie Herr von Humboldt in der Indischen Bibliothek, Bd. II., Heft 2, S. 251, bemerkt, allerdings dunkel ist. Derselbe führt (ebenda S. 252) an, daß der Ausdruck des Originals (wie es scheint, abhyasah) von dem Übersetzer an einer anderen Stelle (VIII, 89) ganz ausgelassen sei, wo doch in den vor- und nachfolgenden Sloken verschiedene Zustände beschrieben seien. Vieheicht hat Herr von Schlegel dort in ad devotionem exercendam die Assiduität andeuten wollen; aber in der Tat, erst indem man sieht, daß auf diese Assiduität ein Akzent zu legen sei, wird es deutlich, daß in VIII, 8-10 gleichfalls die Stufenfolge der Vollendungen, und zwar dieselbe wie XII, 9-12 bezeichnet ist. Wilkins hat das ebenfalls unbestimmtere Wort practice und constant practice.

Worin diese Assiduität besteht, läßt sich zunächst aus der vorhergehenden Stufe schließen und aus der nachfolgenden. Von jener kann die Richtung auf Krischna, die Andacht, nicht wegfallen, sondern nur die Werke; die folgende, höchste Stufe ist das vollbrachte, der Werke und des Strebens entledigte Einssein und Wohnen mit Gott. Die dazwischenliegende ist sonach konstante Devotion: wir können den Ausdruck devetio assiduitatis umkehren und sie die Assiduität der Devotion nennen. Ihre weitere Bestimmung geben teils Beschreibungen auch der Bhagavad-Gita selbst, teils aber ist es die Stufe, welche für sich notwendig das Auffallendste für alle gewesen ist, welche von Indischem berichtet haben. Zunächst bemerke ich in Beziehung auf das Vorhergehende, daß sie, da in ihr das rein negative Verhalten des Geistes hervorzutreten anfängt, welches die spezifische Bestimmtheit indischer Religiosität ausmacht, im Widerspruche mit dem Handeln steht, zu welchem Krischna früher den Ardschuna aufgefordert hat. Es macht eine der tädiösen Seiten des Gedichtes aus, diesen Widerspruch der Aufforderung zum Handeln und der Aufforderung zu der handlungslosen, ja ganz bewegungslosen, alleinigen Versenkung in Krischna immerfort hervorkommen zu sehen und keine Auflösung dieses Widerspruchs zu finden. Unmöglich aber ist diese Auflösung, weil das Höchste des indischen Bewußtseins, das abstrakte Wesen, Brahman, in ihm selbst ohne Bestimmung ist, welche daher nur außer der Einheit und nur äußerliche, natürliche Bestimmung sein kann. In diesem Zerfallen des Allgemeinen und des Konkreten sind beide geistlos, - jenes die leere Einheit, dieses die unfreie Mannigfaltigkeit; der Mensch, an diese verfallen, ist nur an ein Naturgesetz des Lebens gebunden; zu jenem Extrem sich erhebend, ist er auf der Flucht und in der Negation aller konkreten, geistigen Lebendigkeit. Die Vereinigung dieser Extreme, wie sie in der vorhergehenden Stufe der indischen Vollendung erscheint, kann darum auch nur die Gleichgültigkeit in den Werken der Naturgesetzlichkeit gegen diese Werke selbst, keine erfüllte, versöhnende geistige Mitte sein. Über die nähere Art und Weise der Übung der Assiduität kann kein Zweifel sein. Sie ist die bekannte indische Ausübung gewaltsamer Zurückziehung und das Aushalten in der Einförmigkeit eines tat- und gedankenlosen Zustandes. Es ist die Strengigkeit, in leerer Sinnlosigkeit sich zu erhalten, nicht die Strengigkeit der Büßungen des Fastens, Geißelns, Kreuztragens, stupiden Gehorchens in Handlungen und äußerlichem Tun usf., als womit wenigstens noch immer eine Mannigfaltigkeit von körperlicher Bewegung wie von Empfindungen, Vorstellungen und geistigen Erregungen verbunden ist. Auch werden jene Übungen nicht zur Buße auferlegt, sondern direkt allein um die Vollendung zu erreichen; der Ausdruck Büßungen, für jene Übungen gebraucht, bringt eine Bestimmung herein, die nicht in ihnen liegt und daher an ihrem Sinne ändert. Die, welche sich ihnen unterziehen, sind gewöhnlich unter den Jogis verstanden. Von ihnen ist auch zu den Griechen Kunde gekommen; es fällt das hierher, was diese von den Gymnosophisten berichten.

Dem, was hier assiduitatis devotio heißt, entspricht das, was Colebrooke aus Patandschalis Joga-Sastra (3. Kap.) anführt, daß es die dem Höchsten, der Erreichung der Seligkeit, vorhergehende Stufe sei. Er sagt, dieses Kapitel enthalte fast ausschließend Anleitungen zu körperlichen und inneren Übungen, die aus einer intensiv-tieferen Meditation bestehen, verbunden mit Zurückhaltung des Atems und Untätigkeit der Sinne und dabei einer steten Haltung in vorgeschriebenen Stellungen. Herr von Humboldt nimmt S. 34 Bezug auf diese Stelle und schließt aus dem Ausdrucke der meditation on special topics, worüber oben schon eine Bemerkung gemacht worden, daß es scheine, das stiere Nachdenken des Jogi habe auch auf andere Gegenstände als die Gottheit gerichtet sein können. Colebrookes Anführung ist sehr unbestimmt; Nachdenken über bestimmte Gegenstände und damit eine Erkenntnis von und in Gedanken ist vielmehr das der Sankhja-Lehre Eigentümliche. Wenn auch der Meditation dessen, der der Patandschali-Lehre als einem philosophischen System anhing, eine obwohl selbst nur geringe Ausdehnung zuzuschreiben wäre, so fällt eine solche doch in der allgemeinen indischen Joga ganz hinweg. Alle Beschreibungen und Vorschriften schildern sie als eine Übung oder Anstrengung zur äußeren und inneren Lebenslosigkeit. Zu oft ist in der Bhagavad-Gita nichts zu denken als Erfordernis ausgesprochen, wie in der Stelle VI, 19-27, von der ich einen Teil in Herrn von Humboldts Übersetzung hersetze, um auch von dieser ein Beispiel zu geben; das beibehaltene Silbenmaß des Originals, das wohl Schwierigkeiten genug gemacht haben mag, zeigt sich hier besonders passend, indem sein hemmender Gang den Leser nötigt, sich in den von der Vertiefung handelnden Inhalt zu vertiefen; es heißt:

In der Vertiefung der Mensch muß so vertiefen, sinnentfremdet, sich,
tilgend jeder Begier Streben, von Eigenwillens Sucht erzeugt,
der Sinne Inbegriff bändigend mit dem Gemüte ganz und gar.
So strebend, nach und nach ruh' er, im Geist gewinnend Stetigkeit,
auf sich selbst das Gemüt heftend, und irgend etwas denkend nicht;
(Schlegel: Nihilum quidem cogitet)
wohin, wohin herumirret das unstet leicht Bewegliche,
von da, von da zurück führ' er es in des innern Selbsts Gewalt.

Weitere Vorschriften und Züge, die im Gedichte von den Übungen des Jogi angegeben sind, stellt Herr von Humboldt S. 35 zusammen; ein solcher soll in einer menschenleeren, reinen Gegend einen nicht zu hohen und nicht zu niedrigen, mit Tierfellen und Cupagras (mit dem die Brahmanen immer zu tun haben, poa cynosuroides nach Herrn von Humboldt aus Wilson) bedeckten Sitz haben, Hals und Nacken unbewegt, den Körper im Gleichgewicht halten, den Odem hoch in das Haupt zurückziehen und gleichmäßig durch die Nasenlöcher aus- und einhauchen, nirgends umherblickend, seine Augen gegen die Mitte der Augenbrauen und die Spitze der Nase richten und die berühmte Silbe Om! aussprechen. Herr von Humboldt führt S. 36 den von Warren Hastings in dem konvulsivischen Beten eines Rosenkranzes (denn auch die Inder bedienen sich seit alten Zeiten eines solchen) gesehenen Jogi, ingleichen die Äußerung Hastings' an, daß man wohl schließen könnte, da seit vielen Menschenaltern Männer in der täglichen und ein ganzes Leben hindurch fortgesetzten Gewohnheit abstrakter Kontemplation leben und indem jeder einen Beitrag von Erkenntnis zu dem Schatze den seine Vorgänger erworben, hinzufügt, daß diese kollektiven Studien sie zur Entdeckung neuer Richtungen und Kombinationen des Bewußtseins (new tracks and combinations of sentiment) geführt haben, die von den Lehren anderer Nationen ganz abweichen und, da sie aus einer so von aller Beimischung des Zufälligen befreiten Quelle herkommen, von gleicher Wahrheit wie unsere abstrakten Lehren (the most simple of our own, gleich nachher the most abstruse of ours) sein möchten. Herr von Humboldt gibt mit Recht nicht viel auf diese Vorstellung und stellt solche Überspannungen auf gleiche Linie mit dem schwärmerischen Mystizismus anderer Völker und Religionen. Man sieht in der Tat, daß der Generalgouverneur zwar damit bekannt war, daß die Erkenntnis nur durch Abstraktion vom Sinnlichen und durch Nachdenken gewonnen wird, aber er unterscheidet hiervon nicht die stiere indische Beschauung, in der der Gedanke so bewegungslos und untätig bleibt, als die Sinne und Empfindungen zur Untätigkeit gezwungen werden sollen. Auch möchte ich wenigstens nach dieser Seite nicht die Joga mit dem Mystizismus anderer Völker und Religionen vergleichen, denn dieser ist reich an geistigen Produktionen, und oft höchst reinen, erhabenen und schönen, gewesen; denn er ist in der äußerlich stillen Seele zugleich ein Ergehen derselben in sich und ein Entwickeln des reichen Gegenstandes, zu dem sie sich verhält, und ihrer Beziehungen auf denselben. Das indische Vereinsamen der Seele in die Leerheit ist vielmehr eine Verstumpfung, die vielleicht selbst den Namen Mystizismus gar nicht verdient und die auf keine Entdeckung von Wahrheiten führen kann, weil sie ohne Inhalt ist.

Ausführlicheres über die Übungen der Jogis außer jenem Stillsitzen oder -stehen, das viele Jahre, oft lebenslänglich fortgesetzt wird, ersehen wir aus anderen Beschreibungen, wovon ich das Merkwürdigste anführen will. Kapitän Turner, der die Reise nach Klein-Tibet zum dortigen Dalai-Lama gemacht hat, erzählt von einem Jogi, den er auf seiner Reise traf, welcher sich auferlegt hatte, zwölf Jahre lang auf den Beinen zu bleiben und sich während dieser Zeit nie auf den Boden niederzusetzen oder zu liegen, um zu schlafen. Um sich daran zu gewöhnen, hatte er sich anfangs an Bäume, Pfosten usf. festgebunden; bald war es ihm zur Gewohnheit geworden, daß es nichts Peinliches mehr für ihn hatte, stehend zu schlafen. Als Turner ihn sprach, kam er von einer Reise zurück, deren vorgeschriebene zwölf Jahre sich ihrem Ende nahten und die er durch einen Teil des Asiatischen Rußlands, die Große Tatarei und China gemacht hatte; und zwar befand er sich jetzt im zweiten Stadium seiner Übungen. Die Strengigkeit, die er während dieser zweiten zwölf Jahre übte, war, die Arme ausgestreckt mit gefalteten Händen über dem Kopf zu halten, gleichfalls ohne an einem festen Aufenthaltsort zu bleiben. Er war zu Pferd, zwei Begleiter pflegten seiner und halfen ihm auf und vom Pferde. Die Arme waren ganz weiß und hart, doch sagte der Jogi, daß sie Mittel haben, sie wieder geschmeidig und empfindlich zu machen. Es standen ihm noch die weiteren vorgeschriebenen Übungen bevor, um die Vollendung zu erlangen. Sie sind, in der heißen Jahreszeit mit aufgehobenen Händen zwischen fünf Feuern 3 3/4 Stunden lang zu sitzen, vieren in seiner Nähe angezündeten, nach den vier Himmelsgegenden, dem fünften der Sonne über dem bloßen Haupte mit unverwandtem Blicke in dieselbe; ferner ebenfalls 3 3/4 Stunden über einem Feuer hin- und hergeschwungen zu werden und zuletzt 3 3/4 Stunden lebendig begraben zu sein, stehend mit etlichen Fuß Erde über dem Kopfe. Wenn der Jogi alles dies ausgehalten, so ist er ein Vollendeter. Voriges Jahr unterzog sich, wie man in englischen Berichten las, ein Inder, der die früheren Strengigkeiten durchgemacht hatte, nun der des Schwingens über dem Feuer; er war an einem Beine angebunden, der Strick an einem hohen Balken befestigt; der Kopf hing unterwärts über dem Feuer, so daß die Flamme die Haarspitzen erreichte; nach einer halben Stunde sah man aus Mund und Nase des hin- und hergeschwungenen Patienten das Blut in Strömen brechen, worauf er abgenommen wurde und entseelt war.

Im Ramajana, I. Bd., Sekt. 32, kommen in der Episode, die sich auf die Geburt der Ganga bezieht (s. Indische Bibliothek, I. Bd., I. Abt.), auch Strengigkeiten vor, die ein Nachkomme des Sagara, Königs von Ajodhia, übt. Die eine Gemahlin dieses Königs hatte einen Kürbis mit 60 000 Söhnen geboren; sie wurden erschlagen, sollten aber in den Himmel aufgenommen werden, wenn Ganga sie bespüle. Dies bewirkte der König durch die Strengigkeiten. Außer dem Sitzen zwischen den fünf Feuern in der heißen Jahreszeit lag er in der kalten im Wasser, stand er in der regnichten ausgesetzt den herabstürzenden Wolken, lebend von gefallenem Laub, seine Gedanken in sich zurückgezogen. Vieles, was in Europa von abergläubischen Bußübungen erfunden worden, kommt in Indien auf dieselbe oder ähnliche Weise vor, wie das vorhin erwähnte nach einem Rosenkranze wiederholte Aussprechen von Worten, das Pilgern, wobei nach einer Anzahl vorwärts gemachter Schritte eine Anzahl zurück gemacht wird, oder so, daß der ganze Körper sich auf die Erde legt und auf dem Bauche nach einer entfernten Pagode fortschiebt, auch mit Unterbrechung des Fortschreitens durch rückwärtige Bewegung, wozu mehrere Jahre angewendet werden müssen.

Die negative Natur dessen, was das Höchste in der indischen Religiosität ist, begnügt sich auch mit ganz abstraktem Entäußern, ohne jenen Zustand der Innerlichkeit, - dem unmittelbaren Töten. So lassen sich viele von den Rädern des Wagens des Götzen zu Jaghernaut, der fünfhundert Menschen braucht, um in Bewegung gesetzt zu werden, wenn er am großen Feste um die Pagode herumgeführt wird, zermalmen2) . Viele, insbesondere Weiber, zehn, zwanzig miteinander, sich an den Händen haltend, stürzen sich in den Ganges oder auch, nachdem sie den Himalaja erklommen, in den Schnee und die Felsenklüfte der Gangesquellen, verbrennen sich nach dem Tode des Mannes oder eines Kindes3) usf. 

Was nun der Jogi durch die Devotion der Assiduität zunächst erreicht, ist das Wunderbare einer überschwenglichen Macht (transzendent power). Herr von Humboldt kommt S. 41 auf diese Zaubermacht zu sprechen, aber bemerkt (S. 42) von der Bhagavad-Gita, daß in dem auch in dieser Rücksicht reineren Gedicht abergläubische Spielereien dieser Art nicht vorkommen und der Ausdruck wibhuti, der jene Macht bedeutet, nicht von Sterblichen gebraucht, sondern dieser Macht nur gedacht werde, als von der Gottwerdung die Rede ist und insofern sie sich in Besiegung des Zweifels und der Sinne auf das eigene Gemüt verbreite. Wibhuti ist (Indische Bibliothek 3, 11, H. III, S. 253) als in X, 7 vorkommend bemerkt, wo Krischna es von sich selbst sagt; Herr von Schlegel übersetzt es daselbst mit maiestas, was Herr von Humboldt nicht billigt, da es zu wenig oder gar nicht an die Eigentümlichkeit der Bedeutung erinnert. (Vgl. des jungen Gelehrten Herrn Dr. Rosen Radices Sanscritae, Berlin 1827, p. 122, welche Stelle mir für die Erläuterung der Wibhuti mein Herr Kollege Bopp nachweist.) - Über die andere Bemerkung des höchstverehrten Herrn Verfassers erlaube ich mir zu erinnern, daß die Joga das Spezifische dessen, was wir uns unter Sterblichen vorstellen, aufhebt und [daß,] wenn jene Macht von Gottgewordenen und von Krischna ausgesagt wird, darin zugleich liegt, daß sie von Sterblichen, welche vollendete Jogis sind, erlangt werden könne. Dafür aber, daß in dem Gedichte nicht die näheren Züge dieser Macht vorkommen, läßt sich der Grund angeben, daß, wenn bereits die Verlegung dieser Unterredung, welche das Gedicht ist, in den Moment, wo Ardschuna eine Schlacht beginnen soll, auffallend genug ist, es zur förmlichen Ungeschicklichkeit geworden wäre, wenn Krischna bei seinen Versicherungen, daß der Jogi identisch mit ihm werden [würde], und nachdem er dem vertieften Ardschuna (Lekt. XI) sein ganzes Wesen anzuschauen gegeben hatte, demselben auch die näheren Züge jener Macht auseinandergesetzt hätte. Es hätte zu nahe gelegen, daß Ardschuna von Krischna die Verleihung jener Macht erwartet hätte, mit der er ohne Kampf in einem Nu die feindliche Armee vernichten konnte; Ardschuna müßte nach der erwähnten Gnade, der Anschauung Krischnas gewürdigt worden zu sein, vollgültige Ansprüche auf diese Macht zu haben scheinen; die Position hätte sich noch schiefer gestellt, als sie bereits ist.

Jogi und Zauberer sind, sagt Herr von Humboldt (S. 41) ferner mit Anführung Colebrookes, bei dem Volkshaufen in Indien gleichbedeutende Begriffe. Man könnte diesen Ausdruck etwa so mißverstehen, den Glauben an jene Macht nur dem gemeinen Volke zuzuschreiben; Colebrooke führt jedoch daselbst an, daß ebensosehr die Joga-Lehre Patandschalis als die Sankhja-Lehre die Behauptung enthalte, daß der Mensch in diesem Leben solche transzendente Macht zu erreichen fähig sei, als die Sankhja-Lehre sie enthalte; letztere ist, wie schon bemerkt worden, die ins Spezielle ausgebildete Logik und Metaphysik, und beide Lehren oder Philosophien sind überhaupt ein höheres Studium, das über das gemeine Volk hinausgeht oder darüber erhebt; Colebrooke fügt auch hinzu, daß die Lehre allgemein, wie sich in dem Folgenden näher zeigen wird, unter den Indern herrschend sei.
Es ist merkwürdig, die besonderen Züge der Macht zu sehen, die der jener Vertiefung Ergebene erwerben soll. Im dritten, dem von wibhuti handelnden Kapitel der Lehre Patandschalis heißt es nach dem Auszuge Colebrookes, daß der Adept die Kenntnis aller Dinge, der vergangenen und der zukünftigen, der entfernten und verborgenen erlange; er errät die Gedanken der anderen, gewinnt die Stärke des Elefanten, den Mut eines Löwen und die Schnelligkeit des Windes; fliegt in der Luft, schwimmt im Wasser, taucht in die Erde, sieht alle Welten in einem Blick (dies, was höher als das Vorhergehende oder ungetrennt davon ist, hat Ardschuna erreicht) und vollbringt andere außerordentliche Taten. Hinter dieser Beschreibung bleibt die Sankhja-Lehre nicht zurück; Colebrooke gibt folgenden Auszug: Diese Macht ist achtfach und besteht in der Fähigkeit, sich in eine kleine Gestalt zusammenzuziehen, welcher alles durchgängig ist, oder sich zu einer gigantischen Gestalt auszudehnen, sich leicht zu machen (wie längs eines Sonnenstrahls in die Sonne emporzusteigen), unbeschränkten Bereich der Sinne zu besitzen (wie mit der Fingerspitze den Mond zu berühren), unwiderstehlicher Wille (wie in die Erde so leicht als in das Wasser zu sinken), Herrschaft über alle belebten oder unbelebten Dinge; das Vermögen, den Lauf der Natur zu ändern, das Vermögen, alles, was man wünscht, zu erreichen.

Höher zeigt sich noch die Kraft der Vertiefung, wenn sie in den Kosmo- und Theogonien, wie in der, mit welcher Manus Gesetzbuch sich eröffnet, als die Macht angegeben wird, welche die Welt erschaffen hat. Nachdem das Ewige zuerst durch sein Denken das Wasser geschaffen und in dasselbe den Samen, der zum Ei wurde, gelegt hatte, war Er selbst, Brahman, ebenso durch seinen Gedanken geboren, er teilte dann seine Substanz in Männliches und Weibliches, und Manu sagt von sich, daß er die Person, der Bildner aller dieser sichtbaren Welt ist, welche aus der männlichen Kraft, wiradsch, nachdem sie strenge Andachtsübung (austere devotion) vollbracht, erzeugt worden. - Auch Schiwa im Ramajana I. Bd. macht einen Kursus heiliger Strengigkeiten, auf der Nordseite des schneeigen Himawat, mit seiner Gemahlin Uma, welche, nachdem sie von Indra und den anderen Göttern um die Empfängnis eines Sohns gebracht worden war, über alle Götter den Fluch ausgesprochen [hat] und in tiefen Ingrimm und Schmerz sich versenkte. In der vorhergehenden Erzählung von der Hochzeit Schiwas mit Uma und den hundert Jahren, die er in der Umarmung derselben zubringt und während deren er sein nach außen gehendes Geschäft der Zerstörung unterlassen, werden gleichfalls die Ausdrücke engaged with the goddess in mortification (nach der englischen Übersetzung) gebraucht. Was die Frucht dieses hundertjährigen Zurückziehens, welche Uma zu empfangen gehofft hatte, war, ist im Folgenden beschrieben (den Vorgang selbst in modernen Sprachen vorzutragen, kann für einen Übersetzer eine Verlegenheit sein; die englischen Übersetzer zu Serampore hatten schon beim Vorhergehenden angemerkt, daß die gross indelicacy nicht erlaubt habe, die Worte des Originals wörtlich wiederzugeben).

Am ausführlichsten und glänzendsten aber ist das, was durch jenes Versinken in sich bewirkt wird, in der Episode des Ramajana, dieses indischen Nationalgedichts, dargestellt, welche vom Wischwamitra handelt. Ich will die Hauptzüge davon kürzlich ausheben, teils zur Vervollständigung der Vorstellung von dieser wesentlichsten Seite indischer Eigentümlichkeit, teils in Beziehung auf eine weitere höchst interessante Bestimmung, die sich daran anschließt.

Wasischtha, ein Brahmane, lebt in einer Einsiedelei, die mit Blumen, rankenden Pflanzen usf. bedeckt ist, beobachtend heilige Gebräuche, umringt von Weisen, die dem Opfern und der Wiederholung des heiligen Namens gewidmet sind, und zwar den Balukhilja-Weisen, 60 000 aus den Haaren Brahmas entsprungen, so groß wie ein Daumen, den Wikhanusas, anderen Pygmäenweisen aus den Nägeln Brahmas usf. Wischwamitra (nun der Führer und Begleiter Ramas, des Helden des Gedichts, und seines Bruders Lakschmana) kam als mächtiger Monarch, der manche tausend Jahre seine Untertanen beglückt hatte und nun mit einer großen Armee die Erde durchzog, zu jenem Weisen, der die Kuh Subala (im allgemeinen Symbol der Produktivität der Erde) besaß, welche der König zu erhalten wünschte und, nachdem er vergebens 100 000 Kühe, dann 14000 Elefanten mit allem Rüstzeug von purem Gold, 100 goldene Wagen, jeden von vier weißen Rossen gezogen, für sie geboten hatte, mit Gewalt hinwegnahm. Subala entflieht zu Wasischtha, der, äußernd, daß er gegen den mächtigen König, den Herrn so vieler Elefanten, Pferde, Mannschaft usf. nichts machen könne, von ihr daran erinnert wird, daß die Macht des Kschatrija nicht größer sei als die eines Brahmanen; Brahma-Kraft sei göttlich, weit erhaben über die eines Monarchen. Sie erschafft dann dem Wasischtha eine Armee von 100 Pahlawa- (Pelhwi-, Perser-) Königen, welche die Armee des Wischwamitra zerstören [sollen]; dieser erschießt sie mit seinen Pfeilen. Die Kuh bringt von neuem Heere, Saken, Javanas (die man mit Javan, Joniern zusammenstellt) usf. hervor; es geht ihnen durch die Pfeile des Königs wie den anderen. Wasischtha heißt die Kuh neue Heere herbeischaffen, von denen dann die Armee des Wischwamitra vernichtet wird, dessen 100 Söhne, die ergrimmt auf den Brahmanen losgehen, von diesem mit einem lauten Blas des Nabels verbrannt werden. - Solches ist die Macht des Brahmanen.

Nun überläßt der König seinem einzigen übrigen Sohne, sein Reich zu bewahren, und geht in die Wildnis des Himawat. Um die Gunst Mahadewas (Schiwas) zu erlangen, übernimmt er die strengsten Übungen, steht auf den Spitzen seiner großen Zehen mit aufgehobenen Händen, wie eine Schlange von Luft gefüttert, hundert Jahre. Der Gott gewährt dem Könige die von ihm verlangte Kunst des Bogens in ihrem ganzen Umfange; er gebraucht sie, an Wasischtha Rache zu nehmen, verbrennt und verwüstet den Wald, den Schauplatz der Devotion desselben, daß die Weisen, Tiere und Vögel zu Tausenden fliehen. Aber seine Waffe, vor der die Götter und alle drei Welten in Schrecken geraten, wird zuschanden durch den einfachen Stab Wasischthas. Der König, tiefseufzend, sehend, was die Macht eines Brahmanen ist, tritt eine neue Laufbahn strenger Übung und der Abstraktionen seines Gedankens an, um die Brahmanschaft zu erlangen, und bringt so tausend Jahre zu.

Nach Verlauf derselben erklärt ihn Brahma, der Herr der Welt, für einen königlichen Weisen. Wischwamitra läßt sein Haupt mit Scham hängen, von Verdruß erfüllt - Nachdem ich solche Übungen vollbracht, nur ein königlicher Weiser! ich achte mich für nichts! -, und beginnt von neuem seine Abstraktionen. Indessen fällt es dem Fürsten Trisanku, einem Manne der Wahrheit, von besiegten Leidenschaften, ein, ein Opfer anzustellen, daß er in seinem körperlichen Zustande unter die Götter komme. Wasischtha, an den er sich wendet, sagt ihm, dies sei unmöglich, verflucht ihn und macht eine niedrige, aus der Kaste gestoßene Kreatur, Tschandala, aus ihm. Wischwamitra, den er nun auf die gewünschte Versetzung in den Himmel angeht, ist dazu bereit; dies sei in seinen Händen, er wolle es bewirken. Er bereitet ein Opfer, zu dem er dem Wasischtha mit seinen Asketen die Einladung macht; dieser schlägt sie aus: Wie soll der Herr des Himmels von einem Opfer essen, wo ein Kschatrija Priester ist, von Dingen, die ein Tschandala darbietet. Die Götter schlagen ebenso die Einladung aus. Der große Wischwamitra, voll Zorn, ergreift den geheiligten Kochlöffel und sagt, kraft seiner geübten Strengigkeiten, seiner selbsterworbenen Energie wolle er es bewirken. - Da stieg der Fürst Trisanku unmittelbar in den Himmel. Indra, der König des Himmels, wirft ihn herunter; Trisanku ruft im Fallen den Wischwamitra: Hilf! Hilf! Dieser, voll Zorn, ruft: Halt! Halt! Trisanku bleibt so zwischen Himmel und Erde. Wischwamitra erschafft im Zorn sieben andere große Weise (die Plejaden, sagt der Ausleger, am südlichen Himmel) und, wie er diese an ihrem Platze sah, noch andere Familien von himmlischen Körpern und dann einen anderen Indra und einen anderen Kreis von Göttern. Die Götter und Weisen, versteinert vor Erstaunen, wenden sich hierauf an Wischwamitra mit demütiger Bitte, nicht auf der Versetzung des von Brahmanen Verfluchten in den Himmel ohne Reinigung (zur Wiederaufnahme in die Kaste) zu bestehen und die Ordnung der Dinge nicht zu zerstören. Der König beharrt darauf: was er versprochen, dürfe nicht unerfüllt bleiben; sie verständigen sich dann über einen Platz für Trisanku am Himmel außerhalb des Feuerkreises. 

Nach tausend Jahren vollbrachter Abstraktion erklärt Brahma den König für einen obersten Weisen (chief sage). Nicht zufrieden damit, fängt er einen neuen Kursus an; hier kommt ein schönes Mädchen (Menaka, die Mutter der Sakuntala wird) zu ihm, verführt ihn, daß er fünfundzwanzig Jahre mit ihr vertändelt. Erwachend aus dieser Vergessenheit fängt er ein neues Jahrtausend von Strengigkeit an. Die Götter geraten in Bangigkeit, er bereite durch seine stupenden Übungen ihnen allen Unglück. Brahma erklärt ihm hierauf, daß er ihm den Vorrang unter den obersten Weisen gebe. Auf Wischwamitras Entgegnung, daß er hiermit noch nicht für einen Brahma-Weisen (Brahma-sage) erklärt werde, erwidert Brahma: Du hast deine Leidenschaften, Zorn und Lust, noch nicht unterjocht4) , wie kannst du Brahmanschaft verlangen?

Wischwamitra beginnt seine Übungen abermals; vergebens versucht ihn Indra wieder durch die schönste Upsura, vergebens reizt er ihn zum Ärger. Nachdem der Chef der Weisen nun tausend Jahre geschwiegen und seinen Atem zurückgehalten, wird dem Gott des Himmels, Indra, himmelbang, ingleichen den anderen Göttern; sie wenden sich an Brahma: In diesem großen Weisen ist nicht der kleinste Schatten einer Sünde mehr; wenn das Verlangen seines Geistes nicht erfüllt wird, wird er mit seiner Abstraktion das Universum zerstören. Die Extreme der Welt sind in Verwirrung, die Meere im Sturm, die Berge im Fallen begriffen, die Erde zittert usf. O Brahma, wir können nicht versichern, daß die Menschen nicht Atheisten werden, die Welt ist voll Staunens und Unordnung. - So wird nun Wischwamitra von Brahma endlich für einen Brahma-Weisen (Brahma-sage) erklärt und versöhnt sich mit Wasischtha.

Diese Erzählung ist höchst charakteristisch schon für den Mittelpunkt der indischen Weltanstauung. Das Grundverhältnis aller Religion und Philosophie ist das Verhältnis zunächst des Geistes überhaupt zur Natur und dann des absoluten Geistes zum endlichen Geiste. Die indische Grundbestimmung ist, daß die abstrakte Geistigkeit, die Konzentration der reinen bestimmungs- und schrankenlosen Abstraktion, die absolute Macht des Natürlichen ist; es ist der Punkt der Negativität des Denkens, die reine Subjektivität des Geistes, in der alles Besondere und alle Naturmacht zu einem Ohnmächtigen, Unselbständigen und Verschwindenden herabgesetzt ist. Aber diese abstrakte Subjektivität erscheint hier zunächst als Konzentration, die der Mensch in sich hervorbringt; wie sie sich zu Gott oder vielmehr Brahma verhält, will ich nachher erwähnen.

Vornehmlich charakteristisch ist diese Episode für das Verhältnis eines Kaschatrija zum Brahmanen, bei dem ich zuerst verweilen will. - Jene vielfachen Kurse von Mortifikationen in der Assiduität der Vertiefung sind zu durchlaufen, damit ein Kschatrija dasjenige erreiche, was der Brahmane von Haus aus, d. i. durch die Geburt ist. Wenn ein Mann aus einer anderen Kaste erst durch die erzählten langwierigen Härten und Zustände der äußeren und inneren Abstraktion wiedergeboren werden kann, so ist der Brahmane sogleich als solcher ein Zweimalgeborener, - eine Benennung, die im Ramajana dem Brahmanen als ein zu einem Titel gewordener Ausdruck gegeben wird. In den Gesetzen des Manu (I, 93-100), wo in der Stufenreihe der existierenden Dinge die Brahmanen-Kaste als die vortrefflichste angegeben wird, ist wohl auch wieder unter den Brahmanen eine Stufenfolge angegeben und gesagt, daß unter ihnen diejenigen, welche ihre Schuldigkeit kennen, eminieren, unter diesen die, welche sie tugendhaft ausüben, unter ihnen die, welche Seligkeit suchen durch eine vollkommene Bekanntschaft mit der heiligen Lehre. Teils sind diese Stufen nicht durch Übungen jener indischen Art, noch durch die geistigere Erwerbung einer intellektuellen und wirklich moralischen Bildung bedingt, teils ist für sich das Lesen der Wedas, in deren Besitz die Brahmanen sind nebst den Lebensvorschriften, die sie zu beobachten haben, der Zustand dieser durch die Natur schon Zweimalgeborenen selbst, die Einheit mit Gott. Wenn der Engländer in der angeführten Stelle aus Manu die europäischen Ausdrücke von Pflicht und Tugendübung anwendet, so haben sie nur den formellen Sinn der genauen Beobachtung seiner [des Brahmanen] Kastengebote. Unter diese gehören nicht politische Bürgerpflichten, auch nicht die, Abgaben zu entrichten; "der König, auch wenn er aus Mangel stirbt, darf nicht irgendeine Taxe von Brahmanen, weil er in den Wedas gelehrt ist, nehmen". Dem Brahmanen ist es wohl verboten zu morden, zu stehlen; doch darf er für solche Verbrechen nicht bestraft, [sondern] nur, jedoch mit Beibehaltung seines Vermögens, aus dem Lande verbannt werden. Auch gelten für ihn, wie für den Inder überhaupt, nicht die moralischen Pflichten der Menschenliebe; - ein Brahmane darf oder muß den Tschandala töten, der ihm zu nahe käme und ihn durch Berührung beflecken könnte; viel weniger hat er die moralische Pflicht, einem solchen, wenn er vor ihm verschmachtend läge und durch eine kleine Hilfe, einen Trunk Wassers, vom Tode errettet werden könnte, eine Hilfe zu leisten, ebensowenig als gegen irgend andere Menschenliebe auszuüben. Die geforderte Moralität beschränkt sich auf das Negative, die Unterdrückung der Leidenschaften; a man of subdued passions, diesen Ausdruck liest man allenthalben als ein Prädikat des Weisen. So wichtig die Abwesenheit böser Neigungen und Empfindungen ist, so ist dies noch nicht Tugend und praktische Moralität. Die affirmativen Pflichten des Brahmanen bestehen in einer unendlichen Menge von Beobachtungen der leersten und abgeschmacktesten Vorschriften und in dem Lesen und Meditieren der Wedas. Wenn wir noch die in den allgemeinen Ausdrücken ausgesprochenen Lehren und Vorschriften lesen, werden wir zu leicht verführt, sie in dem Sinne unserer Moralität zu nehmen; ihr Verständnis liegt allein in ihrem wirklichen Inhalt.5) Die Gelehrsamkeit ist für sich als eine untergeordnete Stufe angegeben; den absoluten Wert hat das Lesen der Wedas; das Innehaben und Meditieren derselben ist als solches schon die absolute Wissenschaft. Welche Geistlosigkeit selbst dies unendlich verdienstliche Lesen der Wedas zuläßt, sagt uns Colebrooke (Asiatic Researches VIII, p. 390), wo er die verschiedenen abergläubischen Arten angibt, in denen dies Lesen geschieht, - nämlich entweder so, daß jedes Wort für sich einzeln gesprochen oder die Worte abwechselnd wiederholt werden, und zwar rückwärts und vorwärts, und wieder einmal oder öfter, zu welchem Behufe besonders eingerichtete Abschriften gemacht werden, deren Namen Colebrooke daselbst angibt, so daß auch jede Mühe der eigenen Aufmerksamkeit für das Anordnen des sinnlosen Lesens erspart wird.

Die transzendente Macht, welche nach den obigen Anführungen dem Wasischtha zugeschrieben wird, ist nicht eine Lizenz der Dichtung, sich in dergleichen Erfindungen zu ergehen. Unsere Vorstellungen von willkürlichen Erdichtungen in der Poesie passen ohnehin auf die indischen Produktionen nicht. Die Hoheit der Brahmanen ist ein wesentlicher Teil des Systems der Gesetzgebung, und selbst die Vorstellung von jener überschwenglichen Macht ist in die Gesetzgebung selber aufgenommen. Unter der weitläufigen Ausführung der Pflichten und Rechte der Brahmanen in dem Kodex findet sich auch folgendes: Ein Brahmane hat nicht nötig, bei dem König über Unrecht und Verletzung zu klagen, weil er selbst durch seine eigene Macht die, die ihn beleidigen, strafen kann. - Der König, obgleich in der äußersten Not, hüte sich, Brahmanen zum Unmut zu reizen; denn einmal aufgebracht, könnten sie unmittelbar ihn mit seinen Truppen, Elefanten, Pferden und Wagen vernichten. Wer könnte, ohne zugrunde zu gehen, diese heiligen Männer reizen, durch welche die altverzehrende Flamme geschaffen ward, die See mit untrinkbaren Wassern und der Mond mit seinem Ab- und Zunehmen? Welcher Fürst könnte Reichtum gewinnen, wenn er diejenigen unterdrückte, welche, wenn sie zornig, andere Welten und Regenten der Welten erschaffen und anderen Göttern und Sterblichen Dasein geben könnten? Welcher Mann, dem sein Leben lieb ist, wird diejenigen beleidigen, durch deren Hilfe die Welten und die Götter fortbestehen, - diejenigen, welche reich sind in der Kenntnis der Wedas? Ein Brahmane, gelehrt oder ungelehrt, ist eine mächtige Gottheit, so wie Feuer eine mächtige Gottheit ist, ob es geweiht ist oder nicht (Manus Gesetzbuch v. M. Jones, K. IX, 317). Der Brahmane, indem er die Wedas liest und seine pflichtmäßigen Werke, d. i. das für alle und jede tägliche, trivialste Verrichtung Vorgeschriebene beobachtet, ist ein Vollendeter und lebt in der Vollendung; der oben angeführte Unterschied betrifft, wie in der Bhagavad-Gita die Stufen der Joga, den verschiedenen Wert seiner Verrichtungen in Beziehung auf die unterschiedenen Stufen der Vollendung, deren höchste das Lesen und die Meditation der Wedas, die Stufe des Weisen und die Seligkeit ist. - Daß es dagegen unter den anderen Kasten nur wenige geben werde, welche durch die angeführten beschwerlichen Mittel diejenige Hoheit zu erlangen suchten, die der Brahmane unbeschwerlich besitzt, ist von selbst zu vermuten. Die obenerwähnten Beispiele sind einzelne Erscheinungen, die ebenso sparsam vorkommen, als der gleichfalls erwähnte religiöse Selbstmord häufig ist. Dieser aber bewirkt nicht diese Vereinigung mit Gott und die transzendente Gewalt, noch die Befreiung von der Seelenwanderung, welche das Ziel dessen ist, der sich der ausführlichen Selbsttötung und dem Zustande der Bewußtlosigkeit im Bewußtsein widmet. Krischna klagte (s. oben) über die Seltenheit derer, welche die Vollendung suchen, und Kapitän Wilford, der hier aus eigener Erfahrung spricht, sagt darüber: Soviel die Inder von der Erlangung der Seligkeit auf dem Wege der Joga sprechen, so habe ich doch keinen einzigen Inder finden können, welcher diesen Weg nehmen wollte; sie führten an, daß eine Verzichtleistung auf die Welt und ihre Vergnügungen, eine vollkommene Selbstverleugnung gefordert werde und sie sich keine Vorstellung von den Genüssen der versprochenen Seligkeit machen können, da es dabei nicht Essen, Trinken, Heiraten usf. gebe. In dem irdischen Paradiese dagegen (wie wir es etwa nennen könnten - Swergathumis, unterschieden von Mokscha, jener Seligkeit) esse man, trinke, heirate usf. Den Brahmanen sind die genannten Entbehrungen, die an die anderen Kasten zur Vollendung gefordert werden, nicht auferlegt. Unter den Fakirs im nördlichen Hindostan führt Kapitän Rapter (Asiatic Researches XI) eine Art an, die Jogi heißen, aber als eine besondere Sekte aufgeführt werden. Sosehr sie, wie die anderen Fakirs, der indischen Religion angehören und teils den Schiwa, teils den Wischnu verehren (Rapter führt auch eine Sekte unter diesen Fakirs an, die den Nana, den Stifter der Sekte der Sikhs verehrt), so haben sie sich doch vom Brahmanen-Übergewicht losgemacht und nehmen sich auf ihre mitunter sehr leichtfertige Weise, ohne den Weg jener langwierigen Mortifikationen durchzumachen, die Vorzüge, welche den Brahmanen die Geburt und die Lebensweise der Kaste gewährt.

Die übernatürliche Macht haben wir als der dritten Stufe der Joga angehörig gesehen. Der Genuß, der dieser Stufe zukommt, ist, da sie nicht die höchste ist, gleichfalls noch nicht der höchste. Ich habe hierüber das anzuführen, was Herr von Humboldt S. 41 über diese, wie es sich nennen läßt, relative Seligkeit aus dem Gedichte zusammenstellt und dieses Los von der absoluten Seligkeit unterscheidet. Dies Los heißt nämlich Erhebung in die fleckenlosen Welten derer, die das Höchste kennen (XIV, 14 f.). Herr von Humboldt erkennt darin, gewiß mit Recht, dasselbe mit dem Leben in den Welten derer, die reinen Wandels gewesen, welches unendliche Jahre vor einer neuen Wiedergeburt in die zeitliche Welt dauern soll, VI, 41, 42. Die Wiedergeburt steht zwar einem solchen bevor, weil er nicht absolut die Devotion vollendet hat (Wilkins: durch den Tod unterbrochen, Herr von Schlegel überhaupt: qui devetione excidit), jedoch eine Geburt in einer heiligen und achtungswerten Familie, ohne Zweifel einer Brahmanenfamilie (Herr von Schlegel hat nur castorum beatorumque familia), oder aus dem Geschlecht eines gelehrten Jogi; eine solche Wiedergeburt sei höchst schwer (wie wir gesehen) zu erlangen. IX, 20-22 ist dasselbe wiederholt. Herr von Humboldt fügt hinzu, daß die Wiedergeburt in die irdische Welt nach Erschöpfung des erworbenen Verdienstes als das Schicksal derer geschildert werde, die sich auf beschränkte Weise nur an die heiligen Bücher und die in ihnen vorgeschriebenen Zeremonien gehalten; es heißt nämlich nach Herrn von Schlegels Übersetzung daselbst (sl. 21): "sic religionem librorum sacrorum sectantes, desideriis capti, felicitatem fluxam ac reciprocantem adipiscuntur"6) ; denn gegen die Lehre der Wedas und die wissenschaftliche Theologie eifere die Bhagavad-Gita auch sonst, nicht sie ganz wegwerfand, aber sie darstellend als nicht den letzten Grund erforschend, nicht das letzte Ziel erreichend (II, 41-53).
Vorhin ist des Lesens der Wedas als des heiligsten Geschäfts der Brahmanen erwähnt worden; um hierin nicht einen Widerspruch mit dem zu finden, was Herr von Humboldt hier von dem Verhältnisse der Ansichten des Gedichts zu den Wedas sagt, ist in Erinnerung zu bringen, daß an die Brahmanen zur höchsten Vollendung gleichfalls die Unterdrückung der Leidenschaften gefordert wird, ferner daß II, 41 ff. nicht von dem der Brahmanenkaste eigentümlichen Lesen der Wedas als solchem gesprochen wird, sondern von dem verkehrten oder ungenügenden Gebrauche, der von diesen Büchern und deren Vorschriften gemacht und der hier getadelt wird. Herr von Schlegel nimmt die Stelle in einem viel stärkeren Sinne, nämlich als Tadel der Wedas selbst (Indische Bibliothek, 2. H., S. 237), indem der Dichter in ihr sie angreife und ihnen vorwerfe, auch sie begünstigten durch verheißene Segnungen für äußerliche Religionsleistungen eine weltliche Denkart, und meint, der Dichter habe sich in eine, wie es scheine, absichtliche Dunkelheit gehüllt wegen der Kühnheit seines Unternehmens. Herr von Schlegel gibt dabei die interessante Hoffnung, dieses einst in der philosophischen Auslegung des Gedichtes zu beweisen. Einstweilen können wir uns nur an die verschiedenen Übersetzungen halten, und alle drücken denselben wesentlichen Sinn [aus], wie ihn auch Langlès
7) nach den zu anderweitigem Behufe gemachten Zitationen (Indische Bibliothek, 2. H., S. 235) gibt: "L'auteur (des Gedichts) critique la conduite des fauts dévots qui dans des vues intéressées, observent les règles préscrites par les Védas, il finit par dire: Ils pratiquent aussi, ils agissent, mais sans la retenue digne du sage." Ferner S. 238 zu sl. 45: "Crichna dità Arjouna que l'explication des Védas peut prêter des sens favorables aux gens amis de la liberté, ou des passions ou des ténèbres" (den drei obenerwähnten Qualitäten, die überall die drei Grundkategorien sind). Die englische Übersetzung drückt den Sinn wie Langlès aus, hier und da nur in entschiedeneren Zügen, als die Schlegelsche ebendenselben darstellt. Diese lautet sl. 41-43: "Multipartitae ac infinitae sententiae inconstantium" (s. darüber Herrn von Humboldt zu Langlès, Indische Bibliothek, 2. H., S. 236). "Quam floridam istam orationem proferunt insipientes librorum sacrorum dictis gaudentes, nec ultra quicquam dari affirmantes, cupiditatibus obnoxii, sedem apud superos finem bonorum praedicantes (orationem, inquam), insignes natales tanquam operum praemium pollicentem, rituum varietate abundantem, quibus aliquis opes ac dominationem nanciscatur: qui hac a recto proposito abrepti, circa opes ac dominationem ambitiosi sunt, horum mens non componitur contemplatione ad perseverantiam."8)

Ich kann hierin nichts sehen, als daß vom Mißbrauche der Wedas ("librorum sacrorum dictis gaudentes" heißt bei Wilkins: "delighting in the controversies of the Veds"), und zwar ausdrücklich durch Menschen, die in Irrtümern und noch in Leidenschaften befangen sind, die Rede ist, wie bei uns vom Mißbrauche der Bibel gesprochen wird, die für alle möglichen Irrtümer zitiert worden, von denen man auch sagen kann, sie seien durch Aussprüche der Bibel veranlaßt worden, ohne daß darum dem Ansehen und dem wahren Inhalte der Bibel Eintrag geschehe, weil es nur der Irrtum selbst ist, der sich solche Veranlassung nimmt. Gleich in sl. 46 heißt es: Zu so vielem Gebrauch ein voller Brunnen dient, so vielfachen Gebrauch gewähren dem prudenti theologo die Wedas, - wie auch unsere Theologen so klug sind, ihre willkürlichen Meinungen auf die Bibel stützen zu können. Ist unter prudens theologus etwas Wahreres als nur ein kluger Theolog zu verstehen (Wilkins: knowing divine), so liegt darin immer, daß von einem vielfachen Gebrauche der Wedas die Rede ist. In IX, 20 wird solchen, die, kenntnisreich in den drei (hier sind nicht vier erwähnt) Wedas, den Asklepiassaft trinken nach den Opfern und den Reinigungen von ihren Sünden, die Seligkeit der Welt des Indra zugesagt.
Aber VIII, 11 ff. eröffnet Krischna dem Ardschuna das Innerste und Höchste - nämlich die Joga - und sagt ausdrücklich, daß dies der reine Pfad sei, den die Weisen der Wedas lehren, und diese sind keine anderen als Brahmanen und dürfen keine anderen sein. Am bestimmtesten heißt es XV, 15: Ich (Krischna) bin in allen Wedas zu erkennen, ich bin der Urheber der theologischen Lehre (wedanta) und (nach Herrn von Schlegel) bin der Ausleger der Wedas (Wilkins: I am who knowed the Veds).
Der die Kenntnis und Erkenntnis und die Auslegung der Wedas hat, ist der Brahmane; Krischna spricht sich als identisch, nicht bloß übereinstimmend, mit den Brahmanen aus, wie er auch die Wedas selbst ist, - wovon nachher. Krischna teilt dem Ardschuna das Wesentliche der Weisheit dieser Bücher und der Brahmanen mit, weil Ardschuna ein Kschatrija ist und darum für sich sie nicht besitzt. So muß die Bhagadvad-Gita selbst nur als Mitteilung dieser Weisheit an die Nation angesehen werden, wodurch das, was ihr sonst auf andere Weise nicht bekannt wird, vielmehr im ganzen unzugänglich ist, zur allgemeineren Kenntnis gemacht wird, - auf die angemessene Weise, nämlich in einem poetischen Werke. Die beiden Nationalgedichte Indiens leisten den Indern, was die Homerischen Gedichte den Griechen: die Belehrung über ihre Religion; sonst ist für diese Völker keine irgendwoher zu schöpfen. Der Kultus selbst ist nicht lehrend. Auch die griechischen Dichter, welche nach der berühmten Stelle Herodots [II, 53] den Griechen ihre Götter gemacht haben, hatten Mythen, Traditionen, Kultus, Mysterien usf. schon vor sich; aber die Wedas sind für die indischen Dichter eine viel festere Grundlage. Die Gedichte beider Nationen, wie überhaupt, sind nur Nationalgedichte, insofern sie ganz in dem religiösen Geiste und in den Vorstellungen ihres Volkes stehen. Die Wedas liegen uns zwar noch nicht zur Einsicht vor - welcher Gelehrte oder vielmehr welche Regierung wird uns einst dies Geschenk machen? -, aber man braucht nur die einstweilen dem, der sich für die Religionen der Völker interessiert, unschätzbaren Auszüge anzusehen, die uns Colebrooke gegeben hat, um auch unabhängig von der angegebenen allgemeinen Anerkennung und religiösen Verehrung dieser Bücher sich zu überzeugen, daß, was in der Bhagavad-Gita überhaupt und von dem Innersten der indischen Vorstellung gemein gemacht ist, sich ganz nur auf die Lehre der Wedas gründet. In diesen heiligen Büchern selbst erscheint der Widerspruch, daß Opfer, Gebete, Werke und anderes, was äußerliche Erscheinung wird, das eine Mal als wesentlich vorgeschrieben, das andere Mal Brahma und die reine Richtung auf ihn als das Höchste, ja allein Wahre gepriesen wird. Von den Wedas sagt Krischna teils, daß er selbst alle drei Wedas ist (IX, 17), teils in einem Zuge (daselbst), daß er das konzentrierte Monosyllabum Om in denselben ist (auch VII, 8), ingleichen X, 35, daß er unter den heiligen Hymnen (ohne Zweifel den Mantras, den Teilen der Wedas, welche aus Hymnen und Gebeten bestehen) der berühmte Gajatri ist (Herr von Schlegel schwächt durch magnus hymnus das spezifische Gajatri, das Wilkins angibt) dessen Übersetzung Colebrooke (Asiatic Researches VIII, 400) gegeben hat. - Derselbe Gegensatz und Widerspruch erscheint allenthalben, wo äußerlicher Kultus und Zeremonien zugleich mit dem Bewußtsein höherer Innerlichkeit verbunden ist. In einer anderen Religion, die einen Zeremonialkultus von Opfern usf. hat, heißt es auch: Opfer und Brandopfer gefallen dir nicht; was dir wohlgefällt, ist nur ein reines Herz. Es ist derselbe Gegensatz, der, unter ärgeren Äußerlichkeiten zugleich mit einer größeren Tiefe des Inhalts verbunden, zwischen dem Glauben und den Werken vorgekommen ist. Es ist als indisches Gedicht, daß gleicherweise Bhagavad-Gita den Unterschied von Innerlichem und Äußerlichem nur als Gegensatz, nur als höchsten Widerspruch ohne seine Versöhnung enthalten kann. Dieser Umstand macht das Tädiöse der Darstellung sogar notwendig; wenn die eine Seite, die Werke und das Handeln überhaupt, geboren worden, so fällt die andere, die Abstraktion von aller Handlung des Gottesdienstes und der Wirklichkeit, wieder ein; aber diese Einseitigkeit macht auch wieder die andere, die Aufforderung zum Handeln insbesondere an den Kschatrija, notwendig, so daß der Vortrag von selbst durch den Inhalt in diese lästigen Wiederholungen gerät.

Um nun aber von der Stufe der Vollendung, welche das höchste Ziel ist, zu sprechen, so betrachten wir sie zunächst in ihrer subjektiven Form. Diese Vollendung bestimmt sich als dauernder Zustand der Abstraktion, um die es sich in allem Vorhergehenden gehandelt hat, - perennierende Einsamkeit des Selbstbewußtseins, die alle Sensationen, alle Bedürfnisse und Vorstellungen von äußeren Dingen aufgegeben hat, somit nicht mehr Bewußtsein ist, - auch nicht ein erfülltes Selbstbewußtsein, welches den Geist zum Inhalte hätte und insofern auch noch Bewußtsein wäre; ein Anschauen, das nichts anschaut, von nichts weiß, - die reine Leerheit seiner in sich selbst. Nach modernen Ausdrücken ist die Bestimmtheit dieses Zustandes die absolute Unmittelbarkeit des Wissens zu nennen. Denn wo Wissen von etwas, von einem Inhalt ist, darin ist sogleich und bereits Vermittlung; das wissende Subjekt ist Inhaltwissendes nur vermittels dieses Inhalts, der ihm Gegenstand ist, und der Inhalt ist nur Gegenstand vermittels dessen, daß er gewußt wird. Einen Inhalt aber hat das Bewußtsein nur, insofern er ihm Gegenstand ist, es sei fühlend, anschauend, oder wie man wolle; denn das Fühlen, Anschauen, wenn es nicht Fühlen des Tieres ist, ist Fühlen, Anschauen des Menschen, d. i. des Bewußtseienden, - einfache nur analytische Bestimmungen, welche sogar nicht zu bemerken und zu wissen diejenigen, die heutigentags soviel vom unmittelbaren Wissen sprechen, bewußtlos und unwissend genug sind.

Diese abstrakte Konzentration ist nun die Seligkeit, deren nähere Bestimmungen Herr von Humboldt S. 39 zusammenstellt - die den Frommen und Gläubigen fast auf jeder Seite unseres Gedichts mehreremal verheißen wird -, durchweg das Eingehen in die Gottheit oder wörtlich zunächst in Krischna, das Verwehen in Brahman, die Verwandlung in Brahman (V, 24), Schlegel: "ad exstinctionem in numine (d. i. Brahman) pervenit", Wilkins: "obtain the incorporeal Brahm", und dann weiter: "Brahm is prepared, from the beginning, for such as are free from lust and anger" etc. Diese Einheit mit Brahman gibt auch die Befreiung von der Metempsychose.

Diese Einheit mit Brahman führt von selbst auf den letzten Punkt, welcher in dem Zusammenhange der indischen Religion der höchste ist, - den Begriff des Brahman, die Spitze der betrachteten Vertiefung. So leicht faßlich und bekannt es ist, was Brahman ist, so größere Schwierigkeiten bietet sein Zusammenhang mit dieser Vertiefung selbst dar; und so interessanter ist es, diesen Zusammenhang zu betrachten, aus dem, wie sich ergeben wird, der Begriff Brahmans selbst resultiert oder der vielmehr er selbst ist.

Gehen wir davon aus, näher zu betrachten, welche die affirmative Stelle oder Bestimmtheit des Geistes sei, der jene Vertiefung seiner in sich, jene Vereinsamung des Selbstbewußtseins mit sich angehöre, so ist es das Denken. Vertiefung und die anderen Ausdrücke, Devotion, Kontemplation, bezeichnen das Zuständliche, nicht die Sache selbst. Jene Abstraktion von aller äußerlichen und innerlichen Bestimmtheit, allem Inhalte der Empfindung und des Geistes in ihrem affirmativen spezifischen Dasein ist das zustandslose Denken. Es ist für erhaben zu achten, daß die Inder sich zu dieser Absonderung des Unsinnlichen vom Sinnlichen, der empirischen Mannigfaltigkeit von der Allgemeinheit, des Empfindens, Begehrens, Vorstellens, Wollens usf. von dem Denken und zu dem Bewußtsein der Hoheit des Denkens erhoben haben. Aber das Eigentümliche ist, daß sie von der ungeheuren Abstraktion dieses Extrems nicht zur Versöhnung mit dem Besonderen, nicht zum Konkreten durchgedrungen sind; ihr Geist ist deswegen nur der haltungslose Taumel von dem einen zu dem anderen und zuletzt die Unglückseligkeit, die Seligkeit nur als Vernichtung der Persönlichkeit, was dasselbe mit dem Niban der Buddhisten ist, zu wissen.

Wenn statt des Ausdrucks Devotion, Vertiefung usf. die Benennung der Sache, Denken, gebraucht worden wäre, so stünde dem entgegen, daß wir bei dem Denken, selbst dem reinen, auch abstrakten Denken immer noch die Vorstellung haben, daß etwas gedacht werde, daß wir als denkend Gedanken haben, d. i. sie als inneren Gegenstand haben. In gleicher Bestimmungslosigkeit das Anschauen als so ganz reines Anschauen genommen, ist es dieselbe abstrakte Identität mit sich; das nur reine Anschauen schaut auch nicht etwas an, so daß man es selbst nicht Anschauen des Nichts nennen kann, denn es ist gegenstandslos.
Doch Anschauen schließt wesentlich ein, konkret zu sein; wenn das Denken zwar auch nur wahr ist, insofern es konkret in sich ist, so ist seine eigentümliche Bestimmtheit jene reine Allgemeinheit, die einfache Identität; der Jogi, der innerlich und äußerlich unbewegt dasitzt und auf die Spitze seiner Nase hinstarrt, ist jenes zur leeren Abstraktion gesteigerte, gewaltsam festgehaltene Denken. Solcher Zustand aber ist uns ein durchaus Fremdartiges und Jenseitiges und würde uns durch den Ausdruck des Denkens, als welches uns in unserer Vorstellung etwas ganz Geläufiges ist, viel zu nahe gelegt.

Erinnern wir uns aber jedoch der Ausdrücke, daß jene Vertiefung den Brahma suche, der Weg, die Richtung auf ihn und die Vereinigung mit ihm sei, so liegt darin wohl, daß sie einen Gegenstand habe, den sie zu gewinnen strebe. In der Tat aber ist sie, wie gezeigt, in ihrer eigenen Bestimmung objektlos, und Streben, Richtung u. dgl. gehört nur dem Bewußtsein an, in dem das Vertiefen selbst nicht erreicht ist. Insofern nun dieses objektlose Denken zugleich wesentlich als Beziehung auf Brahma vorgestellt ist - aber als eine unmittelbare, d. h. unterschiedslose Beziehung -, so ist notwendig dieses rein abstrakte Denken als Brahma selbst bestimmt, ein subjektives, das mit dem als objektiv Gesagten identisch ist, so daß dieser Gegensatz verschwindet und zu einem im Inhalte selbst nicht vorhandenen, äußerlichen Sagen wird.

Es versteht sich hierbei von selbst, daß, wenn hier die Ausdrücke von Subjektivem und Objektivem und vollends von deren Einheit gebraucht worden, diese Erfindungen der denkenden Reflexion neuerer Zeit den Indern nicht zugeschrieben werden sollen, sowenig als, wenn eine denkende Mythologie zeigt, was der Begriff von Zeus, Hera, Demeter usf. ist, derselbe hiermit als reflektierter Begriff den Griechen zugeschrieben wird. Man hat dabei wohl recht zu sagen, sie haben diesen Begriff von Zeus nicht gehabt.
Aber darum ist solcher Begriff, wenn er richtig bestimmt ist, nicht weniger Inhalt ihrer Phantasievorstellung von Zeus gewesen.
Die Unwissenheit über diesen Unterschied, ob ein Inhalt das sinnliche oder phantasierende [Bewußtsein] nur erfüllt oder ob ebenderselbe Inhalt vom reflektierenden Bewußtsein als Gedanke und Begriff gewußt wird, ist die Quelle vielen Mißverständnisses und rohen Widerspruchs geworden. - Wenn nun Brahman als jene Einheit bestimmt worden, so ist es diese Einheit selbst, auf welche die wesentliche Ungunst gegen diese abstrakten Bestimmungen fällt. In der Tat ist sie als abstrakte Einheit ohne Bestimmung in ihr selbst das Mangelhafteste und Unwahre; eben diese Dürftigkeit ist es, welche die Natur des indischen Brahma konstituierte; er ist die Einheit nur als die abstrakte Allgemeinheit, als bestimmungslose Substanz. Und wenn vorhin aus der Bestimmung der subjektiven Seite gezeigt worden, daß, indem sie das ganz abstrakte Denken, das nichts denkt, ist, eben damit kein Gegenstand für sie vorhanden ist, so erhellt dies gleichfalls aus der eben genannten Bestimmung, die wir die objektive nennen können, nämlich der reinen Allgemeinheit oder reinen Substanz, als welche eben dies ist, daß von aller Besonderheit, somit auch von der Besonderheit eines Objekts gegen ein Subjekt abstrahiert ist. Man gehe von der subjektiven oder von der objektiven Bestimmung aus, so zeigt sich Brahman als das Mangelhafte, das ohne den Unterschied des Subjektiven und Objektiven ist. Aber die Notwendigkeit und damit die Macht des Unterschiedes ist so groß, daß er auch auf dieser höchsten Spitze rekurrieren muß.

Er begegnet uns schon, sowie der Ausdruck Brahma zu gebrauchen ist. Herr von Humboldt (S. 21) wie auch Herr von Schlegel ausführlicher (Indische Bibliothek, II. Bd., 4. H., S. 420, bei Gelegenheit eines gelehrt tuenden, aber in der Tat zu nichts führenden oder zu nichts kommen wollenden Geredes) bringen den Unterschied von Brahma mit einem kurzen a hinten, dem Neutrum, und mit einem langen, dem Maskulinum, wieder in Erinnerung und geben dessen genaue Bestimmung an. Es ist die Sitte (wie ebenda Herr von Schlegel S. 422 angibt) der heutigen und besonders der bengalischen Pandits, also ein usus der Gelehrten des Landes selbst, hiermit auch im Deutschen, wo sich der Unterschied eines langen und kurzen a nicht gut ausdrücken läßt, den kurzen Schlußvokal des Neutrums zu unterdrücken und Brahm9) zu schreiben. Das Maskulinum Brahma, der Herr der Geschöpfe nach der lakonischen Angabe des ältesten indischen Lexikographen (ebenda S. 423), ist Individuum, Person, und spricht daher unsere europäische Vorstellungsweise günstig an. Ich bemerke hierüber, daß es für die Beurteilung dieser Persönlichkeit wesentlich auf den inneren Gehalt derselben ankommt. Brahma bleibt seiner inneren Bestimmung nach das abstrakte Sein, das Allgemeine, die Substanz ohne Subjektivität in sich, ist daher nicht das Konkrete, nicht der Geist (ebensowenig Gott als das moderne Wesen der Wesen, hiermit als konkret, als Geist bestimmt ist). Mit solchem Gehalt, welcher vielmehr Gehaltlosigkeit ist, ist in der Tat jenes Maskulinum nicht ein individuelles Subjekt; die Persönlichkeit ist an ihm leere Form, sie ist bloße Personifikation. - Es ist in der Betrachtung der Religionen von unbedingter Wichtigkeit, die bloße Personifikation des Gottes oder eines Gottes, die man in allen Mythologien finden kann, von der Persönlichkeit, die es dem Gehalte nach ist, zu unterscheiden. Bei der Oberflächlichkeit der Personifikation fällt sogleich auch die gegenständliche Selbständigkeit des Gottes gegen das Subjekt hinweg. So nehmen wir den Eros, oder die Pallas zu Anfang der Ilias, wenn sie das Herausziehen des Schwerts in Achill hemmt, sogleich für die subjektive Empfindung der Liebe, für die in Achill selbst eintretende Besonnenheit.

Ein erläuterndes Beispiel aber, wie Brahma personifiziert und selbst bis zu einer trivialen Äußerlichkeit erscheint, zugleich aber seine Unterscheidung gegen das Subjekt, dem er gegenübersteht, aufgehoben und er nur als dessen subjektives Sinnen, als Neutrum, kundgegeben ist, bietet sich gleich in der Einleitung zum Ramajana dar. Walmiki (der Verfasser des Ramajana, ein Zweimalgeborener), mit dem Stoff und Vorhaben dieses Gedichts beschäftigt, spricht eine Klage über einen eben vor seiner Hütte Erschlagenen und dessen überlebende Geliebte aus; das Versmaß, in dem ihm diese Klage ausbricht, frappiert ihn und seinen Schüler, der dieses Versmaß gleichfalls gut findet. Walmiki setzt sich darauf in der Hütte auf seinen Stuhl nieder und fällt in tiefe Betrachtung. Da kam der glorreiche Brahma (ob im Original Brahman oder Brahma in dieser ganzen Erzählung steht, weiß ich nicht zu sagen, es ist aber für sich selbst gleichgültig), der viergesichtige, der Herr der drei Welten, in der Hütte an. Walmiki in seiner Vertiefung erblickt ihn, steht auf, bückt sich mit gefalteten Händen, präsentiert ihm einen Stuhl, setzt ihm Wasser, Milch, Reis vor, - Wasser, um ihm die Füße zu waschen (gewöhnliche Gaben und Bezeigungen gegen einen geistigen Lehrer); Brahma läßt sich auf den dargebotenen Stuhl nieder und heißt den Walmiki sich gleichfalls einen nehmen. Walmiki setzt sich, ist mit seinem Geiste auf Brahma gerichtet, fällt in tiefes Nachdenken und singt eine Strophe (nicht etwa des Lobes auf Brahma, der vor ihm säße, sondern) der Klage über die Untat, den vorhin erwähnten Mord, - im Versmaß der vorigen Klage. Brahma sagt ihm nun umständlicher, in diesem Metrum soll[e] er Ramas Taten besingen, und verschwindet. Walmiki und der Schüler ist voll Erstaunens; die Schüler insgesamt rufen in diesem Versmaße aus, daß aus den Worten, die der Lehrer über die Mordtat gesprochen, dies Versmaß entstanden sei. So entschließt sich nun Walmiki, in demselben den Ramajana zu komponieren. - Man sieht, daß selbst gegen jene Äußerlichkeit des Erscheinens Brahma als das tiefe Sinnen charakterisiert bleibt.

Es sind aber die Momente und deren Verhältnis, welches im Vorhergehenden aus der Natur der Sache sich ergeben hat, nach ihrem bestimmteren Vorkommen in der indischen Darstellung aufzuzeigen. Brahmans metaphysische Bestimmung ist so bekannt als einfach und schon angeführt worden: das reine Sein, reine Allgemeinheit, supreme being, das höchsteWesen; das Wesentliche und Interessanteste dabei aber ist, daß diese Abstraktion festgehalten werde gegen die Erfüllung: Brahman nur als das reine Sein, ohne alle konkrete Bestimmung in sich. Wenn wir Europäer sagen, Gott ist das höchste Wesen, so ist diese Bestimmung ebenso abstrakt und dürftig, und die Verstandesmetaphysik, welche das Erkennen Gottes, d. h. Bestimmungen von ihm zu wissen, leugnet, fordert, daß die Vorstellung von Gott sich auf dieselbe Abstraktion beschränke, von Gott nichts weiter wissen soll, als was Brahman ist. Dieser kritischen Weisheit unerachtet wird im allgemeinen die europäische Vorstellung dies in sich behalten, daß sie bei dem Worte "höchstes Wesen" oder noch mehr "Gott" ein Konkretes, ihn als Geist vor sich hat und daß das, was sie meint, reicher und gehaltvoller ist als das, was sie sagt.

Dies veranlaßt mich zu einer Bemerkung über die Übersetzung von Brahman (im Neutrum) bei Herrn von Schlegel durch numen, indem Krischna zum Unterschiede durch almum numen bezeichnet wird; Herr von Humboldt gebraucht den Ausdruck Gott und bemerkt ausdrücklich S. 21, daß aus vielen Stellen deutlich hervorgehe, daß das Brahman und Gott dieselben Begriffe seien. Herr Guigniaut in der Übersetzung der Creuzerschen Symbolik10) (Tome I, P. II, Notes p. 618) erklärt sich sehr bestimmt gegen Herrn von Schlegels méthode, qui consisteà traduire généralement, par des expressions latines correspondantes, les termes sacramentals de la philosophie réligieuse des Brahmanes, et beaucoup d'autres dénominations théologiques et mythologiques, en faisant disparaître complètement les noms originaux. - Cette manière efface et détruit toute originalité, toute propriété, toute couleur locale." - Herr von Schlegel gibt zwar an (Indische Bibliothek, II. Bd., 4. H., S. 422), daß das Wort Brahman (Neutrum) ganz genau dem griechischen τό ϑειον, einigermaßen auch dem lateinischen numen entspreche, wenn dieses schöne Wort nach seiner wahren Würde gebraucht werde. In allen diesen Ausdrücken, wie nicht weniger in Deus und Gott, ist Gott zwar so unbestimmt gesagt, als Brahman an sich unbestimmt, d. h. abstrakt ist; aber der große Unterschied ist, daß jene Ausdrücke von einer konkreten Vorstellung begleitet, nicht in der Unbestimmtheit gemeint sind, welche das innere Wesen Brahmans ausmacht. Es ist oben bemerkt worden, daß beim Übersetzen außer der äußerlichen Notwendigkeit auch der Sache nach für zulässig angesehen werden muß, für den Ausdruck einer Sprache, der etwas Besonderes bezeichnet, in der anderen den Ausdruck des Allgemeineren zu nehmen, oder auch umgekehrt; anders aber ist es, wenn jeder der beiden Ausdrücke etwas eigentümlich Spezifiziertes bedeutet und das Allgemeine nur das Gemeinschaftliche derselben ist. Hier bringt der Gebrauch des spezifischen Ausdrucks in unsere Vorstellung eine Bestimmung des Inhalts, welche vielmehr entfernt bleiben, und läßt dagegen eine andere weg, welche ausdrücklich vor uns gebracht werden soll. Diese Veränderung, die bei untergeordneten Zügen und Modifikationen unwichtiger werden kann, wird verwirrend, wenn sie bei den allgemeinsten und wichtigsten Grundbestimmungen eintritt. Deus, ϑεός, wie Dewa, auch anderes der Inder, mag wohl und muß sogar als Gott übersetzt werden, wenn es nur um die unbestimmtere Vorstellung zu tun ist. Wenn aber die Verschiedenheit herausgetreten und sie ausdrücklich für die Vorstellung zum Auffassen bezeichnet ist, da werden wir getäuscht, wenn uns statt eines Spezifischen das davon spezifisch Unterschiedene gegeben wird. So wie im ersten Artikel bemerkt worden, enthalten unsere Priester, Soldaten usf. eigentümliche Verhältnisse, die in den Brahmanen, Kschatrija usf. fehlen, wogegen in diesen wieder Bestimmungen sind, welche untrennbar zu ihrer wesentlichen Natur gehören. So wird man auch gewiß nicht Zeus, Jupiter, ob dies gleich der höchste Vater der Götter ist, Gott oder auch das höchste Wesen übersetzen.
Die objektive Bestimmung Brahmans, diese Kategorie des reinen Seins, in welches die indische Vorstellung alles Besondere sich auflösen läßt, macht als das Nichts alles Endlichen das Erhabene der indischen Religion aus, das jedoch darum noch nicht das Schöne, noch weniger das wahrhaft Wahre ist. Vielmehr ist das reine Sein um seiner Abstraktion willen nur endliche Kategorie. Doch begehen hierbei die Inder, sowenig als die Eleaten, die Inkonsequenz nicht, das Nichtsein von dem Sein unterschieden zu setzen oder es von ihm auszuschließen; Herr von Humboldt bemerkt dies 14 nach IX,19, wo Krischna sagt: Unsterblichkeit und Tod bin ich, was ist, was nicht ist. Dasselbe, daß Brahman die entity und non-entity ist, kommt auch anderwärts genugsam vor.

Dieses reine Sein, weil es nicht bis zur Bestimmung der unendlichen Subjektivität fortgeführt ist, gibt den indischen Pantheismus, wie zugleich insofern den Monotheismus, weil das reine Sein das Eine ist. Colebrookes so häufig angeführtes Resultat aus der Kenntnis der Wedas (Asiatic Researches, Vol. VIII), daß die alte indische Religion nur einen Gott anerkennt, aber das Geschöpf nicht hinlänglich von dem Schöpfer unterscheidet, hat zwar die nähere Bestimmung, daß ursprünglich die Sonne als die große Seele (Mahanatma) gefaßt worden ist; aber insofern es nur um solchen Monotheismus zu tun ist, bleibt derselbe oder ist vielmehr reiner vorhanden im Brahman. Dieser Monotheismus ist aber ebenso wesentlich Pantheismus; denn wenn das Eine auch als Wesen oder als die Abstraktion des Allgemeinen bestimmt wird, ist es um dieser Abstraktion selbst willen die Unmittelbarkeit und darum allerdings, als das Sein der Dinge, immanent und identisch mit ihnen, das Geschöpf insofern nicht vom Schöpfer unterschieden; allein dies immanente Sein ist darum nicht die konkreten und empirischen Dinge und deren Endlichkeiten, sondern vielmehr nur das Sein ihres Daseins, die unbestimmte Identität. Dies ist es, was die Unvollkommenheit der Kategorie der Substanz ausmacht, daß es in die Betrachtung des äußerlichen, denkenden Subjekts gelegt ist, die Unterscheidung zu machen, in dem Anschauen und Bewußtsein der endlichen, einzelnen Dinge von ihrer Endlichkeit und Einzelheit zu abstrahieren und die Substanz, das eine Sein, festzuhalten. Ich habe es anderwärts (Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften, 2. Ausg. [1827], S. 519 ff. und Vorr. S. XIII ff.) ausführlicher gerügt, daß es heutigentags besonders bei den Theologen, welche die Vernunft nicht von dem Verstande, nicht einmal die Substanz von der Akzidentalität zu unterscheiden wissen, vielmehr überhaupt das Vernünftige zur Albernheit verkehren und dichten, Mode ist, den Pantheismus gerade in sein Gegenteil zu verkehren, indem sie versichern, durch ihn werde das Unendliche zu endlichen Dingen, das Gute zum Bösen usf. und hiermit ebenso das Endliche, als affirmativ bestehen bleibend, zum Unendlichen, das Böse, als solches seiend, zum Guten gemacht. Sie fassen so den Pantheismus als eine Allesgötterei auf, als ob [von] ihm die einzelnen Dinge und deren empirische endliche Existenz als solche für göttlich oder gar für Gott gehalten würden. Es wäre nur dem Vieh, als welches Anschauungen wie auch Vorstellungen von Bildern hat, aber als nicht denkend nicht zum Allgemeinen kommt, solches Dafürhalten zuzuschreiben, und unter den Menschen gehört nur jenen Erfindern solcher Behauptung eine solche Vorstellung an.

Der Unterschied der Erkenntnis in dieser Rücksicht ist sehr gut in dem Bewußtsein der Inder und in der von Herrn von Humboldt S. 13 angeführten XVIII. Lektion, sl. 20 bis 22 angegeben. Die wahrhafte Erkenntnis, heißt es daselbst, ist, in allem, was existiert, nur das eine unveränderliche Prinzip, das Ungeteilte in dem Teilbaren zu sehen. Die zweite Erkenntnis ist, die verschiedenen (besonderen) Prinzipien in den einzelnen Dingen zu erkennen, - noch beschränkte Allgemeinheit, wie unsere allgemeinen Naturkräfte usf. Die wichtigste Erkenntnis, die der dritten Qualität, der Finsternis, ist aber die, nur vom Einzelnen zu wissen, als ob ein solches ein Ganzes für sich wäre, ohne ein allgemeines Prinzip. Von solcher absoluten Selbständigkeit der einzelnen Dinge und deren Bestimmtheiten kommt jene heutige Vorstellung des Pantheismus nicht hinweg, und da es die ausdrücklichste Bestimmung des Pantheismus ist, daß die einzelnen Dinge und alle endlichen Qualitäten als nicht selbständig, vielmehr als in dem reinen Sein aufgehobene, negierte zu fassen seien, so ist es in der Tat nur die eigene Unfähigkeit der Subjekte, die sich jene falsche Vorstellung machen, sich von dem Glauben an die Selbständigkeit, an die Absolutheit des Endlichen nicht losmachen und das Faktum nicht richtig auffassen zu können.

Es sind lange Tiraden im Gedichte, in denen Krischna dieses allgemeine Sein von sich ausspricht. Lekt. VII: Ich bin der Geschmack in den Wassern, der Glanz in der Sonne und [dem] Mond, das mystische Wort in den heiligen Büchern, der Ton in der Luft, das Wissen der Wissenden usf. Weiter Lekt. X: Unter den Aditiaden bin ich Wischnu, unter den Sternen die Sonne usf., unter den Rudras bin ich Schiwa usf. Diese Tiraden, die anfangs erhaben lauten, macht die Monotonie bald gleichgültig; zunächst sprechen sie aus, daß Krischna in allem Einzelnen das Wesentliche, das Prinzip sei, welches jedoch wie Geschmack, Glanz usf. selbst noch etwas Beschränktes ist. - In diesen Tiraden führt dann auch Herr von Schlegel, beiläufig gesagt, die oben bemerkte Weise des Übersetzens nicht durch; diese Stellen strotzen von unübersetzten Eigennamen; auch Schiwa heißt nicht etwa numen destruens, fatum oder dergleichen, wie statt Krischna immer numen almum steht. - Jene vielen besonderen Allgemeinheiten werden aber selbst absorbiert in das Eine, Brahman, das Krischna ist.

Wenn hier Krischna sagt, er sei Schiwa, so gibt Schiwa, wenn er seinerseits loslegt, dies dem Krischna heim und sagt, er sei Krischna. In Oupnekat IX, der dem Schiwa gewidmet ist, spricht dieser ebenso, zum Teil mit den kühnsten Wendungen der Abstraktion, die in die Einheit auf diese Weise eine Bewegung bringt, von sich: Was gewesen ist, ist Rudra (d. i. Schiwa), und was ist, ist er, und was sein wird, ist er; Ich war immer, bin immer und werde immer sein. Es gibt kein Zweites, von dem ich sagen könnte: Ich bin es, und es ist Ich. Was ist, bin Ich, und was nicht ist, bin Ich. Ich bin Brahma und Ich bin Brahman usf. Auch fernerhin in einem Zuge: Ich bin die Wahrheit, Ich bin der Ochs usf., Ich bin das höchste Sein. Ferner wird deswegen, wo die Anschauung oder Vorstellung von anderen einzelnen Gegenständen, Elementen usf. anfängt, von ihnen gleichfalls als das Letzte gesagt, daß sie Brahman sind. In den Wedas wird dem Wach (der Sprache) beigelegt, daß sie dies von sich sagt; ebenso: Luft, du bist Brahman, die Sonne ist Brahman, Speise, Brot usf. ist Brahman. - Ein Engländer (Mills History of British India , Vol. I11) ), der diese Zusammenstellung aus den Wedas macht, kommt dadurch und [durch] nachher zu Erwähnendes auf die Vorstellung, daß Brahman, wie auch das Eine, bei den Indern nur ein vages Prädikat des Preisens, gleichsam eine nichtssagende Titulatur sei. Der Grund, den er angibt, ist, daß die Inder nicht zu der Vorstellung der Einheit Gottes gekommen seien; und was ihm hiergegen spricht, ist, wie er es nennt, ihre ungeheure Inkonsistenz, die Tätigkeit des einen Gottes zu den Charakteren von Brahma, Wischnu und Schiwa fortgebildet zu haben. Diese Inkonsistenz ist allerdings die Folge davon, daß jene Einheit noch nicht in ihrer wahrhaften Bestimmung, nicht als in sich konkret, als Geist aufgefaßt, daß sie nur die Kategorie des Substantialitätsverhältnisses ist. Die hiermit notwendige Inkonsistenz erscheint als der haltungslose Taumel, der oben nach der subjektiven Seite bemerklich gemacht worden und ebenso in der Vorstellung des Objektiven notwendig ist, als das Herausfallen von dem Einen in die vielen Götter und das Zurückfallen von diesem Reichtum und Pracht der Phantasie in das leere, trübe Eine, - ein perennierendes Abwechseln, das wenigstens diese Wahrheit in sich hat, daß diese Götter und die endlichen Dinge überhaupt nicht selbständige Wirklichkeiten sind. Die metaphysische Bestimmung, die wir gesehen, ist als solche nur für das denkende Subjekt, ihr Inhalt ganz nur die Abstraktion selbst; sie hat darum für sich selbst keine Wirklichkeit, denn in der Welt machen nur die endlichen, einzelnen Dinge ihre Existenz aus, in welchen sie also nicht als sie selbst, sondern als ein Anderes ihrer selbst existiert. Aber die Morgenländer sind nicht zu diesem Verstande gekommen, sich auch an solcher Abstraktion, dem reinen Sein, dem bloßen Wesen, zu begnügen, wenn sie auch dieselbe denkend gefunden haben. Das Eigentümliche nach dieser Seite ist die Art, in welcher Brahman als solcher nicht als abstrakter Gedanke eines anderen, noch in einer Personifikation für einen anderen, sondern für sich existierend gewußt wird. Nach dieser Bestimmung sehen wir Brahman als das abstrakte Selbstbewußtsein ausgesprochen, zu welchem der Jogi gewaltsam sich konzentriert und ausleert. An dieser Vertiefung des Bewußtseins in sich hat das reine Sein in der Tat eine Existenz, die ebenso allgemein, d. i. abstrakt als es selbst ist.

Dieser Sinn der Vertiefung ebensosehr als des Brahman zeigt sich schon an dem Beispiele der Vertiefung Walmikis, das oben aus dem Ramajana angeführt worden; doch erscheint dieser Sinn dort mit Phantasie und Personifikation vermischt. Er ist in seinen unvermischteren Formen zu betrachten. - Zunächst ist die Andacht eine solche Form als ein momentaner Zustand, den der Jogi zum anhaltenden zu machen strebt. Am deutlichsten macht den Sinn der indischen Andacht die Darstellung eines Engländers, der sich gründlich um die Einsicht in die indische Religiosität bemüht hat und sich durch Fragen, die er macht, und Antworten, die er dem Inder in den Mund legt, erklärt. Fragt man einen Inder: Verehrt ihr das höchste Wesen (d. i. Brahman) mit einem Kultus? Betet ihr zu ihm? Bringt ihr ihm Opfer? Er wird unmittelbar antworten: "Nein, niemals!" So betet ihr ihn im Geist an, - was der reinste, zugleich auch der tunlichste Gottesdienst ist, da er wenige oder keine Umstände nötig macht? "Nein." Preiset ihr ihn? "Nein." Denkt ihr über seine Eigenschaften und Vollkommenheiten nach? "Nein" (oben haben wir gesehen, daß die Devotion ganz leer ist).
Was heißt denn nun jene so gerühmte stille Meditation? Seine Antwort wird sein: "Wenn ich in irgendeinem Gottesdienste mit übergeschlagenen Beinen, mit erhobenen gefalteten Händen, die Augen geschlossen, in Ruhe des Geistes, der Gedanken, der Zunge und Lippen sitze, so sag' ich innerlich: Ich bin Brahman. Wir haben nicht das Bewußtsein, Brahman zu sein, durch die Maja.
Es ist verboten, das höchste Wesen zu verehren, ihm Gebete und Opfer darzubringen, denn dies wäre ein Gottesdienst an uns selbst gerichtet; Emanationen von ihm mögen wir verehren und anbeten." - Von Brahma ist zwar die Tradition vorhanden, daß er vormals Tempel gehabt, aber auch sie sind umgestürzt worden (s. Creuzer, Symbolik, I, 575, und Guigniaut I, 241); aber um so weniger hat Brahma Tempel.
- Auf ähnliche Weise ist in unseren Zeiten, wie man in öffentlichen Nachrichten gelesen, dem Künstler Canova, der sein Vermögen zur Erbauung einer Kirche in seiner Vaterstadt Possagno bestimmt hat, von der geistlichen Behörde nicht gestattet worden, sie Gott zu widmen.

Dies Verschwinden der Objektivität des Brahman liegt schon unmittelbar in dem zum Überflusse angeführten, auf jeder Seite unseres Gedichts als Ziel der Vertiefung ausgesprochenen Einswerden mit Brahman, Werden zu Brahman, Deifikation, oder vielmehr Brahmifikation. Ich übergehe, über dies Einswerden Stellen anzuführen, die sich ins Unendliche vermehren ließen. Nur hat es ein näheres Interesse, die Bestimmungen zu betrachten, welche der schon angeführte älteste indische Lexikograph von Brahman gibt und mit denen uns Herr von Schlegel (Indische Bibliothek, II. Bd., 4. H., S. 423) bekannt macht. Außer der Bestimmung von reinem Sein gibt derselbe noch zwei Bedeutungen an, nämlich 1. die Wedas (sogar steht diese vor dem reinen Sein) und 2. Religionsübung. Daß dies nur scheinbar verschiedene Bedeutungen wesentlich nur äußerlich unterschiedene[r] Formen eines und desselben Inhalts sind, muß nirgend mehr der Fall sein als bei dieser absoluten Einheit selbst, dem Brahman. Der Sinn der Verbindung dieser Bestimmungen geht bereits aus allem Bisherigen hervor; Brahma ist die Wedas und die Opfer, nicht nur wie er das nur an sich seiende Sein von allem ist, sondern die Wedas, als von den Brahmanen gelesen, die Opfer, von ihnen dargebracht, sind die Vertiefung, die Andacht, welche Brahman ist. Es ist dasselbe, was in IX,16 Krischna, d. i., wie wir gesehen, soviel als Brahma, sagt: Ich bin das Opfer, Ich die Anbetung, Ich das gesprengte Wasser und die Kräuter; Ich bin das Gedicht (carmen, Wilkins: the ceremonies to the manes of the ancestors); Ich ingleichen das heilige Öl, Ich das Feuer, Ich der angezündete Weihrauch (Wilkins: the victim). Indem Brahma selbst das ganze Opfer und die verschiedenen Dinge ist, welche dargebracht werden, wird er sich selbst durch sich dargebracht und geopfert; er ist als Andacht das abstrakte reine Sich-selbst-Vernehmen und als Opfer eben dies sinnlich vermittelte Verhalten zu sich selbst. So ist der alles durchdringende Brahma, wie es III, 15 heißt, im Opfer gegenwärtig, eine auch dort, in der unklaren Darstellung nicht zu verkennende, näher bestimmte Weise der Gegenwart als in dem allgemeinen pantheistischen Sinne. In dieser Stelle ist ein Kreislauf aufgestellt, der zunächst einen oberflächlichen Sinn gibt, nämlich, daß durch Opfer Regen und durch diesen die Speise und damit die Erhaltung der Lebendigen erlangt wird; das Opfer aber wird durch das gottesdienstliche Werk vollbracht; dieses aber entspringt von Brahman, welcher, heißt es, aus dem Einfachen und Unteilbaren entsprungen ist12) (numen e simplici et individuo ortum). Hier ist Brahman selbst (das Neutrum) von dem einfachen Einen (the great One) unterschieden. Vornehmlich aber ist die Wirksamkeit des Opfers bemerklich zu machen; Fruchtbarkeit der Erde darf hier nicht als eine Folge desselben, vermittelt durch die göttliche Rücksicht auf die mit Opfern unterstützten Bitten der Sterblichen, vorgestellt werden. Der Zusammenhang des Opfers und der Hervorbringung oder Schöpfung ist, wie aus dem Obigen erhellt, direkter; aus Tod kommt Leben, ist der abstraktere Satz. Am wunderbarsten ist die Darstellung dieses Zusammenhangs in einer der Stellen, die Colebrooke in den Auszügen aus den Wedas (Asiatic Researches VIII, 404 ff.) gibt; als die Urheber der Gebete, die sich auf das Totenopfer beziehen, wird Prajapati und sein Sohn Yajnya angegeben, jener die ursprüngliche Seele, Brahman, - der andere Name scheine, sagt Colebrooke, auf das allegorische Opfer des Brahma anzuspielen (Guigniaut I, S. 602: le sacrifice ou la victime). Dieses Opfer aber hat folgende Stellung: Das Schaffende der ersten unterschiedenen Masse ist die Macht der Kontemplation; zuerst ward Verlangen in diesem seinen Denken gebildet (der ursprüngliche produktive Samen), das die Weisen, durch den Verstand es in ihren Herzen erkennend, als das Band des Seins in dem Nichtsein bestimmen; dann folgt die weitere, schwer verworrene Beschreibung, worin sich wenigstens so viel erkennt, daß das erste, was geschieht, das allgemeine Opfer ist, mit welchem das Erschaffen unmittelbar verknüpft wird oder welches vielmehr selbst als Schöpfung der Welt erscheint.

Ich füge eine Stelle noch hinzu, die Colebrooke (ebenda S. 475 ff.) aus dem ersten Upanischad des 4. Weda gibt und die gleichfalls das Hervorgehen des Einen aus sich und somit sein Zurückgehen in sich, sowie damit zugleich das Erscheinen der Welt auszudrücken scheint; es heißt: Durch die Kontemplation keimt das weite Eine; von ihm wird die Speise (Körperliches) hervorgebracht, und von da nacheinander Atem, Gedanke, wirkliche Welten und Unsterblichkeit, entspringend aus Werken. Der Allwissende ist tiefe Kontemplation; in dem Wissen seiner besteht, der alles weiß, und daraus geht das weite Eine sowohl als Namen, Formen und die Speisen hervor; und dies ist Wahrheit.

Das Abstrahieren, wodurch das Vertiefen wird, ist für sich das Moment der Negation, des Opferns, und der weitere tiefsinnige Gedanke ist nicht zu verkennen, daß an diese Negativität, die Unendlichkeit, unmittelbar die Tätigkeit des Produzierens geknüpft wird (wie bei Jakob Böhme an die Pein, Qual das Qualieren und Quellen). Der Wendungen aber nun in den vielen Theogonien oder Kosmogonien, die uns bereits bekannt sind, Formen, Namen und Gestaltungen sind unzählige, in welchen aus jenem vertieften Beschauen, aus der nur in sich versenkten Einsamkeit des Brahman die produktive Tätigkeit, das Erzeugen und der Erzeugende hervorgehend und unterschieden gefaßt wird. Es erscheint in diesen vielfachen Darstellungen nichts Gleichförmiges zu sein als die allgemeine Grundlage der angegebenen Gedanken. Ebenso wirft sich das indische Mythologisieren oder Philosophieren, um das Höchste zu fassen und zu bestimmen, in vielen Formen vom großen Einen, der allgemeinen Seele usf. umher, die schwerlich vom Brahman wahrhaft werden unterschieden werden können.

Gleichfalls erscheint Brahma (Maskul.) nur als eine von den vielen Auffassungen und Gestaltungen des zum Subjekt bestimmten Brahmans. Hier, wo die äußerliche Erscheinung (die Maja) beginnt, wird die Mannigfaltigkeit der Gestaltungen immer größer und willkürlicher. Brahma erscheint vornehmlich im Verhältnisse zu Wischnu oder Krischna und zu Schiwa in bestimmterer Gestalt und als eine Figur der Trimurti, der indischen Dreieinigkeit, - eine Bestimmung des Höchsten, welche im Indischen anzutreffen notwendig die Aufmerksamkeit der Europäer hat auf sich ziehen müssen. Sosehr die Ausführung dieser Vorstellung hier wild ist und den Begriff von Geist vielmehr zerstört, der aus ihr hervorgehen sollte, so enthält sie wenigstens die abstrakte Form (wie die Pythagoreische und Platonische Trias) zu der konkreten Bestimmung des Geistes; und es ist die höhere wissenschaftliche Ausführung, die es erweist, daß, wenn die Vorstellung des Geistes durch das Denken zum Begriff erhoben wird, er schlechthin als dreieinig in sich gefaßt werden müsse. Es würde aber zu weit abführen, es auseinanderzusetzen, wie das Rudiment der Dreiheit, welche erst im Christentume zur wahrhaften Idee Gottes gediehen, in der indischen Vorstellung nur zu etwas Verkehrtem ausgewachsen ist.

Für unseren Zweck aber, den Begriff Brahmas zu bestimmen, ist das Verhältnis höchst charakteristisch, das ihm zu Wischnu gegeben, und das Geschäft, das ihm in seinen Erscheinungen auf der Welt zugeteilt wird. Ich meine die Darstellung, welche Creuzer, Symbolik, I. Teil, S. 626 (Guigniaut L. 1, c. 4) nach Polier gibt. Sie zeigt den Brahma, wie derselbe außer dem Anteile, den er wie Wischnu und Schiwa an der Welt erhalten, noch einen Raum für sich behalten will, wegen dieses Raubs aber von ihnen gezüchtigt wird, dessenungeachtet, stolz darauf, daß er die Wedas geoffenbart, mehr zu sein vermeinte als die beiden anderen.
Zur Strafe dieses Hochmuts und dann wegen Lüsternheit wird er verurteilt, eine Reihe von Büßungen in vier Gestalten, in denen er auf die Welt zu kommen hat, zu durchlaufen. Er kommt als Rabe, als Tschandala und meuchelmörderischer Räuber usf. in die weltliche Existenz; nach strengen Übungen, an denen gleichfalls die Jahre und Jahrhunderte nicht gespart sind, gelangt er wieder dazu, Brahma zu sein. Unter die Bußen, zu denen er verdammt wird, gehört die, den Wischnu anzubeten und die Geschichte der Inkarnationen desselben zu schreiben. In der zweiten Existenz, aus dem Tschandala und Räuber ein Weiser geworden, setzt er durch seine Kenntnis und Auslegung der Wedas alle in Verwunderung; in Demut gesteht er, daß er der ins Fleisch gekommene Brahma sei, verdammt, seinen Stolz zu büßen; er wird dann ein begeisterter Sänger, besingt die Inkarnationen des Wischnu, dichtet den Mahabharata und den Ramajana, - Rama, der Held dieses Gedichtes, ist eine Inkarnation Wischnus, und Ardschuna, der Held des ersten, mit dem Krischna die Unterredung (Bhagavad-Gita) hält, ist Krischna selbst (Lekt. X, 37).
- Creuzer macht Symbolik, I. Teil, S. 634 auf den Unterschied aufmerksam, daß dem Wischnu Erscheinungen in der Welt als Inkarnationen, dem Brahma aber die Rückkehr durch Buße, Regenerationen seiner zu sich selbst zugeschrieben werden. Es ergibt sich noch ein weiterer charakteristischer Unterschied. Jene Krischnaschen Erscheinungen sind die eines unmittelbar Glücklichen, für die Liebe Lebenden, große Taten Vollbringenden, Mächtigen; die Ehre, zu der es Brahma in seinen vier Gestaltungen, und zwar vermittels der Büßungen bringt, ist die eines weisen Sängers, und seine Taten sind die großen Nationalgedichte.
Seine Grundbestimmung bleibt sonach die Kontemplation, die Existenz des Einen als abstrakte Rückkehr seiner in sich selbst zu sich; indem aber die Meditation zur konkreten selbstbewußten Tat wird, ist sie die eines gebildeten Weisen, ein Gedicht.
Und zwar gedeiht sie dazu durch die Vermittlung der Übungen, durch die Erhebung aus dem niedrigsten Zustande und Charakter, vermittels jener Büßungen zur Vollendung. Brahma als Walmiki, der Verfasser des Ramajana, wird der Kaste nach als Tschandala angegeben; ebenso Chaldas (Symbolik, I. Teil, S. 633), der Wiederfinder und Sammler der Gedichte Walmikis; die vierte und letzte Gestaltung Brahmas ist von armen Eltern geboren, ohne Erziehung und Bildung, und wenn er sich am Hofe, wo er bekannt ist, als ein Brahmane zeigt, geschieht dies, um unbekannt zu sein, und dies ist nicht sein Stand.

Von den Brahmanen aber ist oben gesagt, daß sie durch die Geburt die Zweimalgeborenen sind und durch sie unmittelbar die Hoheit besitzen, zu welcher der Jogi und der Dichter sich hervorbringen; in ihnen ist Brahma nicht bemüht, die Vermittlung der Übungen zu durchlaufen. Man kann diese Zusammenstellung auch in unserem Gedicht (VIII, 11) nicht verkennen, wo die Weise der Vertiefung wie gewöhnlich als das Zuschließen aller Sinne usf., das Aussprechen des einsilbigen Om beschrieben und als das angegeben wird, was sowohl die Lehrer der Wedas als diejenigen üben, die sich der Joga ergeben. Jenes sind die Brahmanen. Wenn wir die Ausdrücke der Schlegelschen Übersetzung, bei der wir vornehmlich dazu berechtigt sind, in ihrer genauen Bestimmtheit nehmen, so liegt auch darin die obige Bestimmung von der Subjektivität des Brahma. Von den Brahmanen aber heißt es, daß sie das Vertiefen simplex ac individuum nuncupant, womit das Einfache, Brahma, das Vertiefen selbst als Inbegriff des subjektiven Moments bezeichnet ist.

Daß dem Brahmanen die Macht über die Natur beigelegt wird, ist oben angeführt. Das gleichfalls schon zitierte älteste indische Wörterbuch (Indische Bibliothek, II. Bd., 4. H., S. 423) gibt als die erste Bedeutung des Brahma (Maskul.) an: ein geborener Priester, als die zweite: der Herr der Geschöpfe; man sieht, daß beides ein und dieselbe Bestimmung ist. Brahma, so ist bei Guigniaut I, p. 241 das Verhältnis zusammengefaßt, existiert in den Brahmanen; sie werden an seiner Stelle verehrt, denn er wohnt in ihnen, - noch eigentlicher: er selbst wird verehrt, indem sie verehrt werden, sie sind seine Existenz; er ist sie als selbstbewußte Existenz; sie sind seine ununterbrochene Inkarnation. Wenn ein Brahmane geboren wird, heißt es in Manus Gesetzbuch, wird er über den Welten geboren, der Herr aller Kreaturen; - dies ist wörtlich dasselbe, was das altindische Wörterbuch sagt.
Die Brahmanen sind aus dem Munde Brahmas entsprungen: der Mund ist teils das Sprechen - oben ist des Wach, der Rede erwähnt worden (die Wedas und das Lesen derselben) -, teils ist der Mund das Essen; es ist der Brahmane, der die Opfer darbringt; beides sind die einzigen Pflichten und Geschäfte desselben. Der oben angegebene Sinn des Opfers ist in Manus Gesetzbuch in der Beziehung auf die Brahmanen so ausgedrückt: der Brahmane bringt die geschmolzene Butter den Göttern und die Reiskuchen den Erzeugern des Menschengeschlechts dar zur Erhaltung der Welten; näher ist dies daselbst so bestimmt, daß mit dem Mund des Brahmanen die Götter des Firmaments fortwährend mit geschmolzener Butter gespeist werden (feast on clarified butter) und die Manen der Voreltern mit geweihten Kuchen. - Das Verzehren der Opfer durch die Brahmanen ist Speisen und Ernähren der Götter, damit die Produktion und Erhalten derselben und der Welten.

In den Betrachtungen, die der Brahmane an die aufgehende Sonne zu richten hat, Asiatic Researches V, p. 349 (es sind ihm deren für alle Zeiten und Handlungen des Tages vorgeschrieben), sagt er bei sich: Das geheimnisvolle Licht (von dem er auch sagt, daß es die Erde und die dreifaltige Welt usf. ist), das in mir wohnt, innerlich in meinem Herzen vorhanden ist, ist eins und dasselbe mit jener glänzenden Kraft. Ich bin eine strahlende Offenbarung des höchsten Brahman.
- Der Inder hat an dem Brahmanen den gegenwärtigen Gott vor sich, wie der Tibetaner, Mongole usf. an dem Dalai-Lama, wie die Sekte der Ganapatjas (s. Colebrooke, Asiatic Researches VII, p. 279 ff.) zu Chinchwer in der Nähe von Puna den Ganesa (den Gott mit dem Elefantenkopf) in einem Individuum verehren, dessen Familie das Privilegium der erblichen Inkarnation dieses Gottes besitzt. Der Inder, wie ein Engländer sich ausdrückt, hat gegen den Brahmanen die Empfindung, vor ihm niederzufallen und zu ihm zu sagen: Brahmane, du bist mein Gott. - Fitz-Clarence, der Adjutant des Generalgouverneurs Marquis von Hastings, sagt in seiner Reise, daß einem Brahmanen, der in untergeordneten Diensten und Geschäften bei der englisch-ostindischen Regierung steht, dieselbe hohe Verehrung bleibt.
Er führt das Beispiel an, daß ein Brahmane als Bote mit Depeschen in beschmutztem Aufzug im Gouvernementshause ankam; Inder, die sich auf dessen Wege befanden und den Strick um seinen Nacken (die Auszeichnung des Brahmanen) unter dessen staubigen Kleidern wahrnahmen, fielen nieder und küßten die Fußtapfen seiner beschmutzten Schuhe.

Dies ist die Art und Weise, wie sich mir die Verknüpfung der abgehandelten Prinzipien des indischen Geistes auf den Grund der vom Herrn Verfasser gegebenen Forschungen und durch die Vergleichung mit anderen Materialien gezeigt hat.
Je mehr der gründliche und kritische Fleiß der europäischen Gelehrten uns den Zugang zu der indischen Sinnesart in ihrem eigentümlichen Lichte aufgeschlossen hat, desto mehr tritt das Detail der Theogonien und Kosmogonien und der sonstigen Mythen zu geringerer Wichtigkeit zurück; denn es zeigt sich bereits, daß die Willkür der Phantasie, mit der die Versatilität einer feinen Reflexion verbunden ist, solchen Stoff in wilde und unsägliche Mannigfaltigkeit ausgedehnt hat. Man wird dadurch von selbst darauf geführt, den Grundlinien des Gemeinsamen, den Prinzipien des indischen Bewußtseins nachzuforschen und nachzugehen. Je mehr aber bereits jener Reichtum zugleich in der Originalfarbe sich uns darbietet, desto mehr müssen die oberflächlichen Vorstellungen von indischer Religiosität und deren Inhalt, die aus der Anwendung teils der nächsten besten Kategorien unserer Bildung, teils einer europäischen, oft selbst verworrenen Philosophie entsprangen, aufgegeben werden. Sie müssen der immer mehr sich dokumentierenden Eigentümlichkeit indischen Geistes weichen. Aber die Aufgabe der Auffassung wird zugleich um so schwieriger, nicht sowohl um durchgängiger Verschiedenheit der indischen Vorstellungsweise von der unsrigen wegen, als vielmehr weil sie in die höchsten Begriffe unseres Bewußtseins eingreift, aber in der wundervollen Tiefe selbst ungetrennt in das Erniedrigendste verfällt. Der höchstverehrte Herr Verfasser, der in so vielen der schwierigsten und an Vorarbeiten oft wenig oder selbst gar keine Unterstützung findenden Forschungen ein neues und häufig ein erstes Licht angezündet hat, hat sich auch die Mühe nicht verdrießen lassen, aus der diffusen Darstellung des hier behandelten Gedichts die Grundsteine zusammenzustellen. Wir verdanken ihm, daß er es uns damit möglich gemacht hat, anderweitiges Material in Verknüpfung zu bringen und in dessen näheres Verständnis einzudringen.

Es wäre freilich noch von der zweiten Vorlesung (vgl. S. 4, bis Ende) Rechenschaft zu geben gewesen, welche sich, wie die erste mit dem Inhalte des Systems, nun mit dem Vortrage, sowohl dessen Anordnung als dem Verhältnisse desselben zu poetischer und philosophischer Form beschäftigt. Doch ist dieser Artikel bereits weitläufig genug gediehen, und man wird von selbst erwarten, daß die Gelehrsamkeit und der Geschmack dem Herrn Verfasser interessante Reflexionen und insbesondere tiefgehende Vergleichungspunkte mit der Verschmelzung von Poesie und Philosophie im griechischen Altertum dargeboten, so wie der ausgebildete kritische Takt desselben uns eine Verschiedenheit zwischen den elf ersten und den sieben letzten Gesängen des Gedichts bemerklich gemacht hat. Die üble Entdeckung, daß in astronomischen und genealogischen Werken die Interpolationen etwas Gewöhnliches sind, hat den Gelehrten, welche daraus, wenn nicht geschichtliche, doch endlich sichere chronologische und genealogische Data schöpfen zu können gehofft, ein neues Feld von Schwierigkeiten und Unsicherheit eröffnet. Die etwas zentoartige Beschaffenheit unseres Gedichts übt auf den Inhalt keinen wesentlichen Einfluß und vermehrt nur das sonst für sich genug Tädiöse der indischen Breite und Wiederholung. 

 

1) *Es mag erlaubt sein, die Joga zu sagen im Sinne des deutschen femininen Artikels, mit dem Qualitäten meist bezeichnet zu werden pflegen.

2) *Doch soll[en] in den letzten Jahren an dem Feste, bei dem sich früher Millionen eingefunden hatten, nicht so viele Fromme anwesend gewesen sein, um den Wagen in Bewegung setzen zu können. - Der kahle Meeresstrand, auf dem der Tempel liegt, ist auf viele Meilen weit mit Skeletten von Pilgern bedeckt, die der Reise und ihren Übungen erlegen sind.

3) *Zwei englische Offiziere, die voriges Jahr bei der Verbrennung einer Frau von geringem Stande, die ihr totes Kind auf den Armen trug, anwesend waren, wandten sich, nachdem sie vergeblich ihre Vorstellungen an die Frau gerichtet hatten, an den Mann, der ihnen aber erwiderte, daß er diese Frau entbehren könne, da er deren noch drei zu Hause habe, und daß ihm und seiner Familie (ohne Zweifel auch seinen Voreltern) aus dieser Verbrennung große Ehre erwachse.

4) *Ein merkwürdiges Beispiel, wie gleichfalls durch die abstrakten Übungen hohe Macht erlangt wird, obgleich die Besiegung der Leidenschaften noch fehlt, ist in der Episode des Mahabharata, Sunda und Upasunda, vorhanden, mit der mein gelehrter Freund und Kollege Herr Prof. Bopp das Publikum bekannt gemacht hat, in Ardschunas Reise zu Indras Himmel 1824, Übers. S. 37. - In desselben Gelehrten Konjugationssystem der Sanskrit-Sprache hat er eine Übersetzung der Episode des Wischwamitra gegeben; bei meinem Auszuge hatte ich die englische Übersetzung in der Seramporer Ausgabe des Ramajana vor mir.

5) *Teils um eine nähere Vorstellung, teils um den Beweis dieser unglaublichen Abgeschmacktheit zu geben, sei einiges von dem vielen (in den ersten paar Stunden des Tages kann der Brahmane etliche und 40 Fehler begehen, - ob er den rechten oder den linken Fuß zuerst aus dem Bette setzt, in den rechten oder linken Pantoffel zuerst schlüpft usf.) aus den Gesetzen des Manu ausgehoben. Der Brahmane darf (IV, 43) seine Frau oder seine Frauen (denn er kann deren viele haben), mit denen er auch nicht essen darf, nicht essen sehen, noch sie niesen oder gähnen sehen usf. Er darf nicht essen und dabei nur ein Kleid anhaben; er darf nicht urinieren und seine Notdurft verrichten auf der Landstraße, noch auf Asche, noch wo Kühe grasen, noch auf beackertem Grund, noch ins Wasser oder auf Brennholz, noch (außer in großer Not) auf einem Berg, noch auf den Ruinen eines Tempels, noch zu irgendeiner Zeit auf ein Ameisennest, noch in Gräben, worin lebendige Wesen sind, noch im Gehen, noch im Stehen, noch an dem Ufer eines Flusses, noch auf dem Gipfel eines Bergs, noch bei solcher Verrichtung sehen auf etwas vom Winde Bewegtes, oder auf ein Feuer, oder auf einen Priester, oder auf die Sonne, oder auf Wasser, oder auf Rindvieh, - muß dabei bei Tage mit seinem Gesichte gegen Norden, bei Nacht nach Süden gewendet sein, morgens und abends wie bei Tag usf. Unzählig ist das, was er in Beziehung auf das Essen zu beobachten hat.

6) In Paul Deussens Übersetzung: "In dieser Weise der Satzung der drei Veden folgend und nach Wünschen verlangend, erlangen sie Hingehen und Wiederkommen."

7) Louis Mathieu Langlès, 1763-1824, französischer Orientalist

8) In Paul Deussens Übersetzung:
"41. ... vielverzweigt und endlos (sind) die Ansichten der Unentschiedenen.
42. Eine blumenreiche Rede gibt es, welche die Unweisen verkündigen, sie, welche an Vedareden sich letzen, o Prithâsohn, und behaupten, daß es nichts anderes gebe;
43. sie, welche in Werken befangen, zum Himmel streben und jener Rede huldigen, welche als Lohn der Werke eine Neugeburt verheißt und viel Redens macht von besonderen Zeremonien zum Zwecke des Genusses und der himmlischen Herrlichkeit:
44. Wer durch sie seinen Geist verführen läßt, der klammert sich an Genuß und himmlische Herrlichkeit; aber jene Ansicht, welche Entschiedenheit in sich trägt und auf Versenkung [sich gründet], wird ihm nicht zuteil."

9) In Hegels Text steht durchgehend: "Brahm" für das übliche "Brahman", das in der vorliegenden Ausgabe eingesetzt wurde.

10) Friedrich Creuzer, Symbolik und Mythologie der alten Völker, besonders der Griechen, 4 Bde., 1810/12

11) James Mill, The History of British India, 3 Bde., London 1817

12) *Wilkins hat nur: Brahm, whose nature is incorruptible

 

G.W.F. Hegel

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