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Aphorismen über Nichtwissen und absolutes Wissen im Verhältnisse zur christlichen Glaubenserkenntnis

Ein Beitrag zum Verständnisse der Philosophie unserer Zeit von Karl Friedrich G[ösche]l
 

Darum rühme sich niemand eines Menschen.
Es ist alles euer.
Es sei Paulus oder Apollo, es sei Kephas oder die Welt, es sei das Leben oder der Tod,
es sei das Gegenwärtige oder das Zukünftige, alles ist euer.
Ihr aber seid Christi; Christus aber ist Gottes.
I. Kor. 3,21-23.
 

Berlin, bei E. Franklin. 1829
(Rückseite des Titelblattes Motto: I. Kor. 1,20-23)            in: Jahrbücher für wissenschaftliche Kritik 1829
 

Aphorismen mochte der Herr Verfasser seine Betrachtungen über die auf dem Titel genannten Gegenstände etwa nur darum nennen, weil er sie nicht in die förmlichere Methode der systematischen Wissenschaft und in abstraktere Ausführlichkeit gefaßt hat.
Sonst steht der Vortrag innerhalb der besonderen Materien und Gesichtspunkte, welche betrachtet werden, in gründlichem Zusammenhang und erfordert einen aufmerksamen denkenden Leser, der auch da, wo die Exposition sprungweise zu gehen scheint, was doch nur mehr in dem ersten Abschnitte als in dem folgenden der Fall ist, den Faden der Gedanken zusammenzuhalten gewohnt ist. Diese Schrift hat das Ausgezeichnete und Seltene - sie ist, wenn man will, ein bedeutendes sogenanntes Zeichen der Zeit -, daß der Herr Verfasser in frommem Sinne, durchdrungen ebenso von der Wahrheit der alten, d. i. eigentlichen christlichen Glaubenslehren als von dem Bedürfnisse der denkenden Vernunft, und zwar in durchgeübter Bildung derselben sich beweist. Hiermit befindet sich hier das Interesse dem Inhalt und der Form nach unmittelbar in dem Mittelpunkte der spekulativen Philosophie. Der Unterschied, der zwischen Christentum und philosophischem Denken als eine unendliche Entfernung und unausfüllbare Kraft vorgespiegelt zu werden pflegt, ist mit einem Male zurückgelegt; dieser angebliche Zwischenraum ist in dieser Tiefe gar nicht vorhanden. Die vorliegende Schrift ist daher nicht ein Einleiten und Vorreden vom Wissen und Religion und Glauben, welches Einleiten und Vorreden, das sich außerhalb der Sache hält, dennoch von der Theorie des Nichtwissens für die ganze Wissenschaft selbst, ja selbst für die Religion ausgegeben worden ist; hier wird vielmehr von der Sache gehandelt. Wenn oft das Aufstellen des sogenannten Rätsels der Welt für die höchstmögliche Anstrengung und Erhebung des Geistes ausgegeben wird, so daß aber von dessen Auflösung wesentlich zu abstrahieren sei, so ist dagegen dem Herrn Verfasser die Befriedigung in der durch die Offenbarung längst gegebenen Auflösung früh geworden, und in Beziehung hierauf beschäftigt sich diese Schrift weiter mit der Auflösung des subjektiven Rätsels, wie jene ursprüngliche Einheit des Christentums und der spekulativen Vernunft und die selbstbewußte Einigung derselben sich für die Vorstellung als unfaßlich zeigen möge. Es ist einerseits der auf das alte Christentum gegründete Glaube und andererseits die rationalistische Theologie, welche der Herr Verfasser zu verständigen sucht, jenen, insofern derselbe von dem Mißtrauen, ja von der Feindschaft gegen die Philosophie befangen ist, diese, von welcher die christliche ebensowohl als die philosophische Erkenntnis Gottes verworfen und die Vernunft überhaupt, deren Namen sie im Munde führt, völlig verkannt wird. - Die Wichtigkeit der abgehandelten Materien, wie die Art und Weise ihrer Behandlung damit auch, wie wir nicht unerwähnt lassen dürfen, das vielfache Verhältnis derselben zu den philosophischen Bemühungen des Referenten, veranlassen diesen, durch einen ausführlicheren Bericht die Leser auf diese Schrift, die anderwärts etwa nur verunglimpft oder am liebsten ignoriert werden möchte, aufmerksam und vorläufig mit derselben bekannt zu machen.

Es ist "die Philosophie unserer Zeit", über welche der Herr Verfasser den unbefangenen Christen gegen den nur Endliches denkenden und alle Wahrheit verendlichenden Verstand der rationalistischen Theologie ins Klare zu setzen bemüht ist. Er sagt S. 2, daß die Aufgabe, sich in die Zeit und damit uns in die unsrige zu schicken in Beziehung auf die Philosophie derselben und deren gegenwärtigen Höhepunkt, von denjenigen Christen, welche ihre Berufsverhältnisse zur Wissenschaft gerufen haben, ohne Sünde nicht leicht ganz abgewiesen werden könne. Sie nötige, fügt er hinzu, "auch demjenigen Christen, der für sich an seinem einfachen, lebendigen Glauben genug hat und in dem vorstellenden Elemente der absoluten Wahrheit gewiß wird, besondere Aufmerksamkeit" ab. Das eine, was die Philosophie, und zwar als Wissenschaft, zu leisten hat, ist, die Form des Denkens aufzusuchen und in dieser den Gehalt der Wahrheit zu erkennen; aber die Wahrheit ist auch für sich in dem frommen Glauben des Christentums längst in seiner eigenen Gestalt vorhanden, und dieser macht in seiner göttlichen Zuversicht die Forderung an die Ergebnisse des Denkens, daß "sie sich mit ihm übereinstimmend zeigen". Den früheren Ausweg, dieser Forderung durch die Vorspiegelung aus dem Wege zu gehen, daß Religion und vernünftiges Denken zwei ganz verschiedene Gebiete seien und ganz auseinandergehalten werden müssen, verschmäht die Philosophie neuerer Zeit nicht nur, sondern sie selbst ist es, welche diese Vergleichung hervorruft und das Recht des Glaubens, daß seiner Forderung Genüge geleistet werde, anerkennt.
"Die Philosophie unserer Zeit", sagt der Herr Verfasser "nennt sich wohl selbst eine christliche, sie will nicht als eine Förderung oder Vervollkommnung des Christentums, sondern als dessen Frucht und Werk gelten; sie nennt sich als das Gemeingut des Menschengeschlechts das höchste Erzeugnis des Christentums; sie spricht so unbedingt ihre Achtung vor dem geoffenbarten Worte Gottes als der gegebenen absoluten Wahrheit aus und eifert so unverdrossen gegen alle Verdrehung und Ausleerung des realen Gehalts der Heiligen Schrift und gegen dessen lose Verflüchtigung in puren selbstgemachten Geist und baren Menschenverstand." - Ungeachtet es hiernach sehr gewagt, ja nicht zu verantworten sein würde, wenn diese wissenschaftlichen Bestrebungen, ohne nähere Kenntnis davon zu nehmen, mit dem Argwohne angesehen würden, daß am Ende doch die Wahrheit der geoffenbarten Religion darin mittels des Begriffs eine andere werde als die in der Vorstellung unmittelbar gegebene ("hiermit ist bestimmt und gründlich der Punkt der Kontroverse" ausgesprochen), so geschieht es dennoch, und zwar auf die merkwürdige Weise, daß die bibelgläubigen Christen mit ihren Gegnern, die sich als die Verständigen die Rationalisten nennen, in "nichts übereinzustimmen scheinen als in den Anklagen gegen die spekulative Philosophie".
"Der Rationalismus bleibt sich treu und konsequent, wenn er als die subjektive, abstrakt-sinnliche Verstandesweisheit"
(1. Kor. 1, 21, weil die Welt durch ihre Weisheit Gott in seiner Weisheit nicht erkannte) "der spekulativen Philosophie als dem objektiven Gedanken sich widersetzt, indem sein Standpunkt ... die spekulativen Ergebnisse sofort verzerrt und ihrer Geltung entkleidet". 'Der sogenannte Supernaturalismus ist als System der christlichen Theologie wesentlich in allen Beziehungen, folglich auch in seinem Verhältnisse zur spekulativen Philosophie, verschieden von dem Rationalismus. Es ist daher nur der Verirrung einzelner christlicher Theologen zuzuschreiben, wenn sie mit dem Rationalismus gegen die Philosophie gemeine Sache machen; sie werden selbst rationalistisch, wenn spekulative Lehren von ihnen dem abstrakt-sinnlichen Verstande unterworfen und hiermit in ihrem innersten Wesen verletzt und verkehrt worden sind. Die Inkonsequenz solcher Theologen ist, daß sie in diesem Verfahren in eine Sphäre zurückfallen, die sie als unwirklich und lügenhaft und sowenig als die Philosophen anerkennen und wonach sowenig die Theologie als Philosophie gerichtet werden.' Die gründliche Ansicht des Herrn Verfassers beweist sich in dieser genauen und einfachen Bestimmung des Unverstandes, in welchem die christliche Theologie gegen sich befangen ist, wenn sie selbst den rationalistischen Verstand, der ihrem eigenen Inhalte tödlich ist, auf- und annimmt, wenn sie sich gegen die Philosophie kehrt. Untersucht man das beiden Gemeinschaftliche näher, so findet sich die Quelle ihrer Verkehrungen in dem Mangel an Bewußtsein und Erkenntnis über die Natur der Kategorien, deren sie sich bei der Behandlung, es sei Behauptung oder Bestreitung, philosophischer Sätze bedienen. Hart oder überhaupt ungehörig scheint die Beschuldigung, daß sie nicht wissen, was sie sagen. Aber wenn eine geläufige Reflexionsbildung einen Inhalt in seinen Zusammenhängen und Gründen räsonierend oder salbungsvoll zu explizieren weiß, so ist von solcher Fertigkeit noch sehr das logische Bewußtsein über die Formen selbst und deren Wert zu unterscheiden, in denen alle Verbindungen der vorgetragenen Vorstellungen gemacht werden. Auf diese Formen aber kommt es in spekulativer Betrachtung nicht nur wesentlich, sondern sogar allein an, denn in dieser höheren Sphäre des Denkens erkennt sich das, was den innersten Punkt ausmacht, die Unwahrheit des Unterschiedes von Form und Inhalt, und daß es die reine Form selbst ist, welche zum Inhalt wird. Daß die Beschuldigung, nicht zu wissen, was man sagt, nicht zuviel ist, ergibt sich auf eine in der Tat unglaubliche Weise an den nächsten besten wie an den ausgezeichnetsten der vielfältigen Verhandlungen, welche gegen die spekulative Philosophie gerichtet sind. Die Entwirrung der mancherlei Angriffe, Einwendungen, Zweifel, welche der Herr Verfasser der vorliegenden Schrift vornimmt, wird eben dadurch so klar und erfolgreich, daß derselbe, im Besitze jenes scharfen Bewußtseins über die Gedankenformen, mit Bestimmtheit diejenigen aufzeigt, welche in jenen Angriffen unbefangen gebraucht werden; - dieses Aufzeigen erleichtert nicht nur, sondern führt sogleich beinahe von selbst und für sich die Einsicht in ihre Unstatthaftigkeit herbei. Formen der Entzweiung und des Unwahren, die Kategorien des Endlichen, sind an sich selbst unbrauchbar, um das in sich Einige, das Wahre, zu fassen und zu bezeichnen; in den Einwendungen gegen das Spekulative wird aber nicht nur immer von solchen Gedankenformen Gebrauch gemacht, sondern es geschieht sogar ferner dies, daß diese Formen des Unwahren an die Stelle der spekulativen Gedanken, die beurteilt werden sollen, gesetzt und diesen so ein falsches Faktum untergeschoben wird.

Der Herr Verfasser betrachtet zuerst die Theorie des Nichtwissens, und zwar läßt er sich die Mühe nicht verdrießen, dem Schicksal desselben, wie es sich in den Darstellungen des "Heerführers auf dieser Geistesstufe in dieser Zeit, H. Fr. Jacobi", allerdings am bestimmtesten und sprechendsten ausweist, nachzugehen. Peinlich ist diese Mühe, weil sie mit dem Glauben, bei einem geachteten, berühmten Schriftsteller sei wenigstens Zusammenhang und Übereinstimmung in den Vorstellungen herrschend, an denselben herangeht und sich dann in die Schwierigkeit, die Übereinstimmung einzusehen, verwickelt, bis es sich durch standhaftes Verfolgen und Vergleichen herauswirft, daß man in völlig widersprechenden Bestimmungen herumgetrieben wird, ja, woran man zunächst gar nicht denken kann, in dem Widerspruche der Behauptung desselben Standpunkts, gegen welchen von dieser Theorie des Nichtwissens soeben die schärfste Widerlegung und Verurteilung gewendet worden war.

Doch ist vorher anzuführen, wie in Beziehung auf das Nichtwissen die Unterscheidung der Standpunkte, welche den näheren Gegenstand dieser Schrift ausmachen, eingeleitet ist. Das Verhältnis derselben ist S. 9 bestimmt so angegeben: "Die Verzichtleistung auf das Philosophieren, die es nur bis zum Nichtwissen bringt, ohne daß der von der verabschiedeten Wissenschaft zerstörte Glaube wiederhergestellt wird, ist genauer angesehen nur halbe Verzichtleistung."
- "Denn dasjenige unglückliche Element der Wissenschaft, welches den Glauben zerstört und eben deswegen ihr selbst die Verabschiedung zugezogen hat, ist wirklich nicht verabschiedet worden ... Zu konsequenter Verzichtleistung gehört es vielmehr, daß auch jenes einzelne unglückliche Element nicht anerkannt wird, womit demselben von selbst sein Einfluß auf den objektiven Glauben benommen ist." Hiernach ergibt sich ein zweiter Standpunkt in folgender Bestimmung (S. 10): "Nachdem aber durch die Konsequenz jener Verzichtleistung dem Gedanken oder vielmehr dessen vereinzelten Elementen sein einseitiger, negativer Einfluß auf den über ihm stehenden objektiven Glauben und hiermit die höchste Autorität, die er usurpieren wollte, für immer entzogen, der Glaube selbst aber als die Treue des unbedingten Vertrauens auf die geoffenbarte Wahrheit gesichert ist, kann es nicht fehlen, daß demungeachtet die Vernunft im Dienste des Glaubens und unter der Zucht des Wortes, als der Wahrheit, gebraucht wird, um die gegebene Vorstellung mehr und mehr zum Leben und zum Verständnis zu bringen"; so erzeugt sich die Stufe des Glaubens und Wissens, welche beides sondert, dieses jenem unterordnet, so daß der Gedanke dem Glauben nur nützen, nicht schaden kann, - eine "Stufe der Glaubenserkenntnis, die auf der Stufe des absoluten Wissens" (dem dritten Standpunkte), "welche die Wahrheit in der Form der Wahrheit hat, als das in der Vorstellung gegebene und mit Gedanken durchflochtene, aber nicht von dem Gedanken durchdrungene Wahre bezeichnet wird, weil diese Stufe mit dem Gedanken nicht so weit als mit dem Glauben ist und diesen von ihrem Verstande unabhängig weiß ... Dieses Glauben und Wissen steht demnach zwischen dem Nichtwissen und dem absoluten Wissen in der Mitte."
- Der Herr Verfasser geht zuerst an die Betrachtung der beiden Extreme in dem Interesse, die Philosophie unserer Zeit nach ihren letzten Resultaten, d. h. in ihren Verhältnissen zum Christentum näher und gründlicher kennenzulernen.

Die Schrift zerfällt daher in die drei Teile: I. Das Nichtwissen. II. Das absolute Wissen und III. Glauben und Wissen. Wir wollen es versuchen, der Darstellung in den Hauptmomenten zu folgen; aber indem sie ausgezeichnet, geist- und gedankenreich, gedrängt in ihren Folgerungen und zugleich von frischer warmer Lebendigkeit ist, wird, wenn über die allgemeinen Ausdrücke des Urteilens zu einer abgekürzten Anführung des Inhalts hinausgegangen wird, auch dieser an dem Gewichte und Verdienste freilich verlieren müssen, das ihm die Darstellung gibt.

In der ersten Abteilung gibt der Herr Verfasser vornehmlich nach Anleitung der Jacobischen Schrift Von den göttlichen Dingen die Antworten an, welche das Nichtwissen auf "die letzte aller Fragen", die Frage Was ist Gott? erteilt. - An dieser Frage zeigt sich das Nichtwissen in seiner ganzen Unbefangenheit. Gott ist; das ist das erste. Gott ist Gott; das ist das zweite und letzte;
Er ist allein Sich selbst gleich, und außer Ihm ist Ihm nichts gleich (nach dem Prinzip der abstrakten Identität des Verstandes). Hiermit ist die Wahrheit unmittelbar gewiß, und es folgt daraus das übrige; Gott ist - alles, was wir nicht wissen können, er ist toto coelo von dem geschieden und verschieden, was Er nicht Selbst ist, außerweltlich, transzendent - und doch auch in und mit uns; - ist wirklich, kein Individuum, kein Einzelner - und doch Person, ja die Persönlichkeit selbst; - Person und doch schlechthin unendlich, grenzenlos, überall und nirgends. - Daß sich dieses Satz für Satz aufhebt und widerspricht, entgeht dem Nichtwissen nicht; es folgert aber daraus nur, daß Gott unbegreiflich, unaussprechlich ist, was schon in dem obersten Satz liegt, daß Gott nur sich selbst gleich ist. "Statt daß nun dieses Nichtwissen", fährt der Herr Verfasser fort, "gerade auf die Notwendigkeit und Wirklichkeit der Offenbarung des" (nach jenem Resultate) "in sich verborgenen Gottes führen sollte, beschränkt es sich mit der im Gewissen gegebenen natürlichen Offenbarung, sosehr sie auch der Natürlichkeit des Gedankens widerspricht". Jene sogenannte natürliche Offenbarung im Gewissen ist das unmittelbare Wissen, also Wissen nur jener abstrakten Sichselbstgleichheit Gottes, das sich dem Gedanken und dessen Reiche, dem Wissen, entzieht, welcher vielmehr für sich auf Fülle des göttlichen Wesens und somit auf konkrete Erkenntnis getrieben ist. Dieses unglückliche Herüber- und Hinübergeworfenwerden der Seele, dieses ihr rastloses Abmühen, ihren eigenen Ansichten zu entfliehen, die sie doch nicht lassen kann, wird nun weiter verfolgt.

In dem ausgesprochenen Worte, der Schöpfung, ist Gott die Ursache, er erfand das Maß und Gestalt, Gesetz und endliches Wesen, Raum und Zeit, die Tage und Jahre und Orte, die Sprache und die Sprachen, den Begriff und den Menschen; er selbst ist nicht das Maß, ist über Zeit und Raum usf., er selbst spricht nicht; so löst sich unter allen diesen Redensarten Gottes Realität und Selbständigkeit nur in das unendliche Wesen auf, das aller Wirklichkeit zugrunde liegt, ohne selbst für sich, ohne wirklich zu sein. "Immer wird wiederholt, daß es in dem Interesse der Wissenschaft liege, die Realität aufzulösen und zu vernichten, ... indem das Objekt aufgehoben werden müsse, um gewußt zu werden." (Der Herr Verfasser zitiert hierzu auch die Schrift Die wahre Weihe des Zweiflers, Zweite Beilage.) "Und doch sehen wir diejenigen, welche auf diese Weise ihr Nichtwissen deduzieren, in gleichen Nihilismus verfallen." - Der Herr Verfasser behält sehr fest dieses Unwesen der behaupteten Sichselbstgleichheit, der abstrakten Identität im Auge, in welcher diejenigen immer beharren, welche, indem sie die spekulative Philosophie bekämpfen, sie Identitätssystem zu nennen sich nicht entblöden. Er hält es fest, daß das Jacobische Prinzip nichts ist als diese Identität, welche zunächst Nihilismus des nur unendlichen Wesens und dann, in ihrer affirmativen Form, der Pantheismus ist, den Jacobi aufs bestimmteste anderwärts so ausgesprochen hat, daß Gott das Sein in allem Dasein ist, d. h. jenes immanente und zugleich ganz unbestimmte Abstraktum. - Insbesondere zeigt er ferner, wie Jacobi in derselben Weise sich gegen das Christentum verhält; das Christentum, sagt er S. 21, ist hier, wie überall, die Probe, "an der die geheimsten Gedanken der Seele offenbar werden und - zerschellen. Die hochmütige Idee nimmt trotz aller Demut und Bescheidenheit ein Ärgernis an der Knechtsgestalt des Sohnes Gottes; ... dies Ärgernis wird von dem menschlichen Hochmut dadurch beseitigt, daß wir das, was uns an der fremden Person ärgert, auf unsere eigene Person übertragen, denn an uns selbst können wir solche Vorzüge schon eher ertragen. Indem wir die fremde Erscheinung als unwesentliche Einkleidung ansehen und das Wesen in die Idee, die Idee in uns selbst setzen" (als die Kunde des innersten Gewissens), "sind wir des Ärgernisses überhoben"; wir sind jenes Ideal; der Irrtum des Christentums liegt nur darin, daß dies Ideal auf ein einzelnes Menschenwesen übertragen wird.

Ferner wird genau nachgewiesen, wie in dieser Theorie der Verstand, welcher "sich bescheiden mußte, von göttlichen Dingen nichts zu wissen, mithin auch aus dem Widerspruche, aus der Ungedenkbarkeit nicht auf das Nichtsein schließen und dem, was sich widerspricht, noch nicht die Realität absprechen konnte", -wie auf einmal derselbe Verstand gegen die Gestalt in der Religion mit infallibler Dreistigkeit nach demselben Gesetz des Widerspruchs entscheidet, welches er (s. oben) erst auch antiquiert hatte.
"Fast scheint es, als wenn unser natürlicher Mensch vor Gott in Seiner Majestät weniger Scheu empfände als vor Gott in Seiner Erniedrigung" (der Gott nur in Seiner Majestät ist der unnahbare Gott den der Mensch als das Jenseits sich fern vom Leibe und vom Geiste hält); der Gott des Verstandes ist aus purer Unendlichkeit zu vornehm, sich in unser Fleisch und Blut zu kleiden; "es gehört", sagt der Verfasser, "eben die ganze Liebe Gottes dazu, sich tatsächlich, persönlich in sein gefallenes Geschöpf zu versetzen und es selbst zu sein." Diese Philosophie des Nichtwissens hat gelehrt, "Gott erkennen heiße Gott verendlichen, erniedrigen.
Nun konnten wir freilich Gott nicht erniedrigen, folglich auch nicht erkennen. Jetzt erniedrigt Er aber Sich Selbst zu Seiner Offenbarung, und nun nehmen wir wieder in unserem Stolze an Seiner Niedrigkeit Anstoß." Diejenigen, welche dem Glauben an die Offenbarung getreu bleiben, aber in der Behauptung, daß Gott nicht zu erkennen sei, mit dem Nichtwissen übereinstimmen, behaupten so in einem Flusse der Rede, Gott habe sich in Christus den Menschen geoffenbart, und zwar habe er dies von sich geoffenbart, daß er sich nicht zu erkennen gegeben habe. Sie nehmen an, Gott habe sich zum Menschen verendlicht, die Endlichkeit in sich und sich in die Endlichkeit gesetzt, er sei aber nur das abstrakte Unendliche, das von der Endlichkeit ganz entfernt gefaßt werden müsse.

Dem Antworten in den Jacobischen Darstellungen auf die andere Frage Was ist der Mensch? folgt der Herr Verfasser von S. 30-47 ebenso genau in den Anläufen, Schwankungen und Widersprüchen nach, in die es ausläuft. 'Die Frage: was ist der Mensch? steht mit der Frage: was ist Gott? in solcher Wechselwirkung, daß mit einer auch die andere beantwortet sein würde, - denn eigentlich fragen wir doch mit beiden nichts anderes als: was ist Gott im Verhältnisse zum Menschen? was ist der Mensch im Verhältnisse zu Gott?' - Ein sehr wichtiger Satz, den diejenigen nicht einsehen, die nur das Verhältnis des Menschen zu Gott angeben und erkennen wollen und dabei behaupten, daß man von Gott nichts wisse. Indem vom Herrn Verfasser den Jacobischen Darstellungen tiefe Blicke in das Herz des Menschen zugestanden werden, wird ebenso bemerklich gemacht, daß oft, wo über die höchsten Fragen Erwartungen von Aufschlüssen gegeben werden, diese auf allgemeine Aussprüche, mit denen nicht viel gewonnen, auch auf die "lehrreiche Unterbrechung durch die Ankündigung, daß das Nachtessen aufgetragen sei", hinauslaufen. Insbesondere wird die schöne Seele, die in jenen Darstellungen sich so heraushebt, näher untersucht, dann aber der Grundirrtum aufgedeckt, der überall über die Hauptsache, über die Natur des Bösen, obwaltet. Dieser zeigt sich darin, daß aus dem Sein die Güte des Seins abgeleitet wird (auch nach dem Verstandessatze der Identität) und daß, wie sich der Herr Verfasser ferner ausdrückt, geschlossen wird, daß das Herz auch edelgeboren sei, weil es, was das Nichtwissen gern zugibt, edelgeschaffen ist.
Dieses Nichtwissen, welches doch nichts weiß, setze dabei das wirkliche Sein des Menschen unmittelbar voraus.
Um diese Bestimmungen des Herrn Verfassers auch nur zu verstehen, müßte das Nichtwissen freilich die wesentlichen Unterscheidungen von dem, was nur ursprüngliche, abstrakte Natur, Anlage, noch nicht Wirklichkeit, und dem, was Wirklichkeit ist, kennen. Zur Erläuterung mag hier nur dies angeführt werden, daß das Tier ebensowohl gut von Natur als der Mensch und des Tieres Wirklichkeit auf dieses Von-Natur-Gutsein beschränkt ist. Aber die Wirklichkeit des Menschen ist eine erst geistig zu bewirkende, und wesentliches Moment ist darin, daß das Von-Natur-Gutsein nicht das ist, wodurch er seine Wirklichkeit schon hätte, daß dieses Gutsein von Natur für dieses sein geistiges Sein, worin allein seine Wirklichkeit ist, vielmehr das Nichtgute ist.
Näher zeigt der Herr Verfasser, daß jener Grundirrtum sich dahin entwickelt, die Natur des Bösen so sehr zu verkennen, daß, wenn doch einmal die Rede von demselben sein soll, dasselbe bloß in die Endlichkeit gesetzt wird, so daß das Endliche sich in der Erkenntnis als Nichtwissen zeigt, im Willen als Sinnlichkeit.
Das Gute, das wir wirklich in unserem Herzen finden, leiten wir aus unserem Herzen ab, hingegen das Böse, wenigstens den Hang dazu, schreiben wir nicht unserer Freiheit, soviel wir auch sonst von ihr halten, sondern unserer Endlichkeit, unserer Sinnlichkeit zu; diese aber ist an sich nichts als notwendige Schranke für dieses Leben.
- So lassen wir Böses, Endliches, Unvollkommenes, Sinnliches bunt durch- und ineinanderfließen, und um ja nicht aus dem behaglichen Dunkel über uns selbst herauszukommen, tun wir das Letzte hinzu, die Schuld des Bösen -als des Sinnlichen,
Endlichen, der notwendigen Schranke für dieses Leben - auf Gott zu wälzen, welches wir wieder damit gutmachen, daß wir das Böse etwas besser machen.
Und doch, fügt der Herr Verfasser hinzu, bedürfte es für diejenigen, die aus sich selbst nichts zu wissen eingesehen haben - wenn das Nichtwissen die Herzenseinfalt und Geistesarmut wäre, welche in der Bergpredigt seliggepriesen wird -, weiter nichts, als daß sie sich vom Worte Gottes belehren ließen; ein einziger, ernster, heller Blick in das dritte Kapitel der Genesis würde genügen, um über sich und die Welt zum Verständnisse zu kommen. (Im Nachwort S. 190 kommt der Herr Verfasser auf dieses Kapitel zurück und gibt auf Veranlassung einer Äußerung des Referenten in diesen Jahrbüchern interessante, klare Erläuterungen darüber.) Wie das Nichtwissen mit den tieferen Bedürfnissen und Gedanken unbekannt ist, so bemerkt der Herr Verfasser auch von den vorhin erwähnten "schönen Seelen" der Jacobischen Zeit, daß sie von Bibel und Katechismus nicht allein nichts glauben und annehmen, sondern auch wirklich nichts wissen. - Ein Beispiel gibt die bei einer anderen Gelegenheit angeführte fromme Fürstin Gallitzin, die erst durch Hamann veranlaßt wurde, sich mit der Bibel, die sie niemals noch gelesen hatte, bekanntzumachen.

Im zweiten Abschnitt (S. 48-115), Das absolute Wissen, setzt der Herr Verfasser den allgemeinen Standpunkt sogleich so fest, daß alle Geistestätigkeit (nicht ein besonderes Vermögen oder Teil desselben) sich eben dadurch als Geist erweise, daß sie das ihr entgegengesetzte ruhige Sein in sich aufzunehmen und hiermit den Dualismus, welcher sie von dem Sein trennt, aufzuheben das Streben und die Aufgabe hat, um nicht an, sondern in dem Gegenstande zu sein.
- Dies als die Natur der Tätigkeit des Geistes überhaupt ins Auge gefaßt, würde der Psychologie zu einem weniger oberflächlichen Zustande verhelfen, als der ist, in welchem wir sie gewöhnlich sehen; und umgekehrt, wenn die gewöhnlichsten Tätigkeiten des Geistes in dem, was sie bezwecken und vollbringen, unbefangener, und zwar nur empirisch betrachtet würden, so würde dadurch gleichsam als durch eine Induktion die Apprehension entweichen, welche die spekulative Idee bei den Ungeübten erweckt, indem diese nichts anderes ausspricht, als was am offenbarsten in allem Tun der Seele sich zu erkennen gibt. Gewöhnt an die Form der Idee in dieser ihrer Erscheinung der Anwendung, würde es erleichtert sein, die Idee für sich selbst in ihrer Unbeschränktheit zu fassen, wo es nicht mehr um endlichen Gehalt, sondern um den unendlichen der Wahrheit selbst zu tun ist.
Die Aufgabe und das Streben, von dem nun der Verfasser spricht, geht auf diese Wahrheit; es gehört der gesamten Geistestätigkeit an, in welche sich der Geist aus jenen besonderen Geschäftigkeiten und deren beschränktem Gehalte zurücknehmen muß.
Es ist (S. 48) nicht dem menschlichen Geiste an und für sich, d. i. dem Geiste, der sich dem Menschen offenbart, sondern eben dem Menschen selbst in seiner abstrakten Natürlichkeit, der Zerstückelung des Geistes in einzelne Richtungen und der eigenmächtigen Operation mit vereinzelten selbstischen Kräften zur Last zu legen, wenn das Streben auf keine Weise befriedigt, die Aufgabe auf keine Weise gelöst wird, wodurch es endlich dahin kommt, daß Sein und Wissen sich gänzlich trennen und ersteres als das Unverwüstliche eben darin gesetzt wird, daß es nicht weiß und nicht gewußt wird.

"Das Sein ist unwahr und unwirklich, weil es bewußtlos ist; wahr und wirklich ist nur der Geist, womit von selbst Endliches und Unendliches aus der Wirklichkeit scheiden" (S. 49). Diejenigen aber können nicht zu diesem Scheiden und damit auch nicht zum Bewußtsein der Wirklichkeit gelangen, welche an dem Gegensatz des Endlichen und Unendlichen und eben deswegen am Endlichen kleben bleiben. Scharfsinnig vergleicht nun der Herr Verfasser Nichtwissen und absolutes Wissen in Ansehung ihres Verhaltens zum Sein; beide kommen darin überein, daß sie dem Sein eine Unerkennbarkeit zuschreiben; sie unterscheiden sich aber dadurch, daß das Nichtwissen diesem Sein die Wirklichkeit zuschreibt, das absolute Wissen aber dem bloßen Sein nicht nur die Erkennbarkeit, sondern damit auch die Wirklichkeit abspricht; dem Nichtwissen ist Sein und Nichtwissen, dem absoluten Wissen Nichtsein und Nichtwissen identisch. - Das Nichtwissen weiß viel von einer Erhebung über die Natur zu reden; aber es liegt in seiner Natur, nicht zu wissen, was es heißt, sich über die Natur zu erheben; die Erhebung über die Natur würde das Nichtwissen in Wissen verwandelt haben.

Nach dieser Andeutung des Überganges von dem Nichtwissen zum Wissen, die ihre weitere Bestimmung in dem Satze hat, daß, solange Gott dem Subjekt nur als Gegenstand entgegentritt, er nicht erkannt werden kann, betrachtet der Herr Verfasser wieder zuerst die Frage Was ist Gott? "Solange wir Gott nicht wissen, wissen wir überhaupt nichts, denn was ist außer Gott und ohne Gott?" - Der Herr Verfasser geht, einerseits frei von den Trivialitäten und Eitelkeiten der endlichen Reflexion, andererseits begründet und fest in dem christlichen Glauben - in dem lebendigen, erfahrenen Pfingstglauben, welcher aus dem Gehorsam des Kirchenglaubens sich entwickelt -, in das Innerste der Nacht dieses Gegenstandes, welche für den in jenen beiden Bedingungen stehenden Geist zum Tage der Erkenntnis sich erleuchtet. Es wird dabei von Darstellungen des Referenten ausgegangen, [es werden] "womöglich die verfänglichsten und gefährlichsten oder die verschriensten Äußerungen" vor dem Leser vorübergeführt, die Sätze mit der Lehre der Schrift verglichen und Schwierigkeiten und Mißverständnisse, die ein im endlichen Denken befangenes Meinen erweckt, oder vielmehr Absprünge und Abgleitungen von dem Sinne und wirklichen Inhalte derselben vorgenommen und aufgeklärt. Der Herr Verfasser behandelt den spekulativen Gegenstand mit ebensoviel lebendiger Originalität als mit der schärfsten Bestimmtheit des Denkens; die Begriffe gewinnen in der frischen und scharfsinnigen Behandlung eines selbständigen Denkens weitere Bewährung und neue Klarheit. Es sind Hauptsätze und einige Züge, die wir davon kurz herausheben wollen.

Nachdem die Immanenz des Begriffs aus dem Satze, daß die absolute Substanz ebensosehr Subjekt und das absolute Subjekt ebensosehr Substanz sei, bestimmt worden, wird (S. 62) angeführt, daß die Schrift, indem sie lehrt, daß der Mensch aus sich selber, aus seiner von Gott getrennten Subjektivität zu Gott und zur Erkenntnis Gottes nicht gelangen kann, sich selbst als das Wissen erweist, welches nichts anderes aussagt, als daß der Mensch nur durch Gott, als das allgemeine Wissen (das besondere Wissen ist das von Gott getrennte, eigene, zufällige Wissen des Menschen), zu Gott als der allgemeinen Wahrheit gelangen kann. Näher werden folgende Sätze entwickelt. Das erste ist: Gott selbst ist nicht bloß das ewige Sein (Substanz), sondern auch das Wissen Seiner Selbst (Subjekt) - wie mögen die, welche die spekulative Philosophie beurteilen wollen, diesen ausdrücklichsten Satz derselben ignorieren, um sie des Pantheismus zu beschuldigen! -; Gott ist nur insofern wirklich, als Er Sich selbst weiß; mit Seinem Bewußtsein wird und verschwindet sein Dasein; hiermit, dieser Beziehung des Seins und Wissens auf Gott als das absolute Objekt, welches sich selbst absolutes Subjekt ist, stimmt die Schrift überein. Das zweite ist (S. 63, 65):
Gott, als das Sein in Sich Selbst, ist das Wissen Seiner in Sich Selbst - Selbstbewußtsein Gottes; und als das Sein im Anderen ist er das Sichwissen außerhalb Seiner - das Bewußtsein Gottes - in der Welt, in den einzelnen Wesen als Kreaturen Gottes, womit denn dies Außersichsein ebensowohl wieder aufgehoben, aufgelöst ist, indem die einzelnen Wesen nach ihrem Sein und Wissen in Gott sind als aufbewahrt, indem sie nicht Gott selbst sind, vielmehr Gott nur Er selbst in Sich selbst ist. Wenn Gott wirklich in und mit seinen Kreaturen ist, welches die Schrift lehrt, so ist auch das Wissen Gottes in ihnen - weil er nur ist, indem er sich weiß -,
und dieses Wissen Gottes im Menschen ist eben die allgemeine Vernunft, die nicht meine Vernunft, auch nicht ein gemeinschaftliches oder allgemeines Vermögen, sondern das Sein selbst ist, die Identität des Seins und Wissens.
- "Das Sein und Wissen Gottes in mir enthält daher nicht bloß die Erkenntnis, welche Gott von mir hat, sondern auch die Erkenntnis, die ich von ihm habe und die mehr oder weniger durch das Ich getrübt werden kann, je mehr oder weniger sie aus der Identität mit der Erkenntnis Gottes von mir heraustritt. Für dieses Zweite, die Beziehung des Seins und Wissens auf den Menschen - die Substanz ist ebenso Subjekt - spricht wiederum die Verheißung." Die Vergleichung jener Sätze mit der Schrift wird durch folgende Ausdrücke nähergebracht (S. 63 f.): "Gott weiß die Welt, die Menschheit nur insofern, als Er in ihr ist oder, wenn sie nicht in Ihm geblieben ist, sich seinerseits in sie versetzt. Der Mensch weiß Gott nur insofern, als er in Ihm ist oder, wenn er abgefallen ist, wieder in Ihn versetzt wird. Der Mensch kann aber nur durch Gott in Gott sein und, wenn er solches einmal aufgehört hat, nur durch Gott in Gott versetzt werden, als sich Gott zuvor in ihn versetzt und selbst Mensch wird und sich ihm offenbart. Nur in dieser Offenbarung, nur in Jesu Christo erkennt der Mensch Gott und hat keinen Namen, in dem er Gott anbeten soll, als den Namen des Menschensohnes."
- Aber in wie vielen Lehrbüchern der Theologie trifft man noch die Lehre von der Menschwerdung Gottes, in wie vielen noch Philosophie an?

Der Herr Verfasser kommt nun auf die immer wiederholte Anklage der Selbstvergötterung des Wissens, welche aus den Sätzen des spekulativen Wissens gefolgert zu werden pflegt: Gottwissen ist Gottsein. Ist Gott, indem er den Menschen weiß, selbst Mensch, so ist auch der Mensch, indem er Gott weiß, Gott selbst; das ist, heißt es, die unausweichliche Folge des absoluten Wissens, die es sich selbst nicht verhehlen darf.
Der Herr Verfasser zeigt zuerst, daß in der Darstellung, deren Hauptzüge soeben angeführt worden, diese Konsequenz bereits beseitigt ist. Er zeigt, daß darin, daß der Mensch Gott erkenne, nicht nur dies liegt, daß Gott im Menschen ist, sondern auch dies, daß der Mensch in Gott ist, aber nur dies, daß der Mensch in Gott ist, nicht daß der Mensch Gott ist; - die vorhin gegebene nähere Bestimmung enthält dies so, daß das Außersichsein Gottes, sein Sein in seinen Kreaturen, auch aufgelöst ist und die einzelnen Wesen in Gott sind, nach ihrem Sein und Wissen als aufbewahrt, daß sie nicht Gott selbst sind, vielmehr nur Gott Er Selbst in Sich Selbst ist. Aber nicht aus dieser Immanenz, sondern aus der Identität, welches Wort in der philosophischen Exposition vorgefunden wird, ist es, daß jene Konsequenz der Selbstvergötterung gemacht wird.
- Bei den soeben angeführten Formen, daß Gott in dem Menschen, der Mensch in Gott ist, könnte man an Jacobis Gewohnheit, in Präpositionen zu philosophieren, statt die Kategorien, die in jenen nur enthalten sind, wirklich auszudrücken, erinnert werden, - eine Manier, die, indem sie recht bestimmt zu sein, die Bestimmtheit auf das Letzte, das Einfachste der Präpositionen hinauszutreiben das Ansehen hat, den Blick vielmehr im Unbestimmten und Trüben läßt und es [das Bewußtsein] abhält, über die Kategorien, in denen der Verstand steckt, wach werden und sich darüber wach erhalten zu können. Wenn auch jene Formen, die der Herr Verfasser oft gebraucht, hier und da Schwierigkeit machen sollten, so ist dagegen schon aus dem Angeführten zugleich hervorgegangen, daß denselben jener Vorwurf nicht trifft, sondern die Präpositionen, die als notwendige Abbreviaturen von ihrem großen Dienste auch in der philosophischen Sprache sind, von ihm nur momentan angewendet werden, und daß sie sich in ihre bestimmten Kategorien herausgehoben und diese zum Dialektischen ihres Begriffes fortgeführt zeigen.

Dieses Wachsein über die Kategorien, welche der die Philosophie anklagende Verstand gebraucht, ist es, was diesem fehlt;
es ist anziehend zu sehen, mit welcher Schärfe der Herr Verfasser über dieses in seinem blinden Schließen pochende Denken ein offenes Auge hat und es in den Wendungen seines falschen Spieles ergreift und festhält. Es hilft nichts, einen philosophischen Begriff in seiner spekulativen Entwicklung dargestellt zu haben, noch auch außerdem aufzuzeigen, daß eine Behauptung, deren die Philosophie angeklagt wird, innerhalb jener Entwicklung nicht vorhanden sei. Sie [die Ankläger der Philosophie] machen ihre Konsequenz und bleiben mit derselben außer jener Exposition stehen; denn es ist die Konsequenz, die sie geschlossen haben; darüber, daß sie richtig schließen können, kommt kein Zweifel bei ihnen auf. Sie zeigen jedoch damit nur, daß sie der spekulativen Exposition nicht gefolgt sind, sonst würden sie soviel haben merken können, daß die Formen des Schließens, dessen sie sich unbefangen bedienen, hier selbst in Anspruch genommen werden, daß eine ganz andere Gedankenbildung vorausgesetzt wird als die, in der sie sich unbefangen und zutrauensvoll bewegen.
- Um auf den Gang des Herrn Verfassers zurückzukommen, so bemerkt er in Ansehung der so gewöhnlich urgierten Identität zunächst, daß dieselbe, wie sie im spekulativen Erkennen vorkommt, den Unterschied nicht ausschließe; vielmehr hat sie denselben wesentlich in ihrer Bestimmung. Es ist die eigene Machtvollkommenheit und Willkür, aus welcher jene Ankläger die Identität, die sie als ein geschriebenes Wort vor sich sehen, allein herauslesen und sie, so abstrakt gemacht, der Philosophie zumuten; hätten sie die Augen auf die Expositionen selbst geworfen, so hätten sie gesehen, daß das Gegenteil der abstrakten Identität gesagt worden.
Der Herr Verfasser rückt aber näher dem "im Denken so schwerfälligen, d. i. trägen als leichtfertigen" Verstande auf seine Verfälschungen (S. 69). Von dem Urteile "Wissen Gottes = Sein Gottes" geht dieser Verstand kurzweg zu dem Schlusse "also Gott wissen = Gott sein" und von da zu dem Endresultate "Wenn ich Gott zu wissen behaupte, muß ich Gott selbst zu sein behaupten." Bei dem ersten Schlusse ist das Vorderglied "Wissen Gottes" in "Gott wissen" verändert worden, das zweite aber unverändert geblieben; hierdurch wird der grobe Mißverstand veranlaßt, welcher gleichwohl nicht dem eigenen Fehler, sondern dem Gegner beigemessen wird. Wenn jene Veränderung des einen Teils des Satzes vorgenommen wird, so muß auch der andere gleichen Schritt halten, auch in ihm Gott in [den] Akkusativ kommen und damit Sein in Haben sich verwandeln: "Gott wissen = Gott haben". Haben ist ein Sein, das das nicht selbst ist, was es hat. Weiter ist auch selbst der Übergang von jenem Gottwissen = Gottsein zum Resultate: wenn Ich Gott weiß, so muß Ich Gott sein, erschlichen. Im Gottwissen war noch unbestimmt, wer Ihn wissen könne, ob es nicht Gott Selbst sei. Nun aber kommt Ich, dieser Ich dazu, und zwar so, daß Ich dem Prädikate "Gottwissen" vorausgesetzt werde, Ich schon fertig da ist, ehe es an Gott kommt; da ich doch erst Gott wissen muß, ehe ich mich wissen kann, und erst mich wissen muß, ehe ich sein kann, ja zu allererst Gott mich wissen muß, ehe ich Gott und in Gott mich wissen kann. Der Herr Verfasser führt zu dieser gründlichen Erörterung noch die logische Bestimmung an, daß ich als dieser Ich, welchen der sinnliche Verstand meint, Gott nicht wissen kann, mithin nur als aufgehobener dieser, d. h. negativ durch Selbstentäußerung, positiv durch Gott Gott weiß, also mit anderen Worten Gott nur weiß, insofern ich in Gott, also nicht dieser Ich für mich bin. - Die Absicht des Herrn Verfassers ist in dieser Exposition recht sehr gelungen zu nennen, nämlich in einem lehrreichen Beispiel zu zeigen, wie der sinnliche abstrakte Verstand sich mit den spekulativen Wahrheiten zu gebärden pflegt, wie er denselben unvermerkt einen anderen Sinn erteilt. Der spekulative Begriff stellt alles auf den Prozeß der Selbstentäußerung des natürlichen Seins und Wissens des Menschen und macht diesen Prozeß der geistigen Wiedergeburt zum richtigen Inhalt der Exposition des wahrhaften Wissens wie zur einzigen Wirklichkeit des Geistes. Aber im Schlafe des Gedankens macht der sinnliche abstrakte Verstand die unvermerkte Verfälschung, wie seine Identität an die Stelle der Begriffsidentität, so an die Stelle des Begriffs der Subjektivität und des Wissens ihres Prozesses das unmittelbare Subjekt, Ich diesen Wissenden, die natürliche Geburt und das unmittelbare Meinen und Wissen zu setzen.

Auf die philosophische Beantwortung der Frage Was ist der Mensch? (S. 76-116) können wir uns, da wir bereits so weitläufig geworden, nicht so ausführlich, wie sie es verdiente, einlassen. Die Beantwortung jener Frage wird in dem Interesse der bestimmteren Frage, wie der Mensch zu Gott gelange, betrachtet. Hierüber wird sogleich bemerkt, daß diese Stellung der Frage nur dem Verstande des Nichtwissens zukommt, das, dem gerügten Fehler gemäß, von dem Subjekte als dem Ersten ausgeht und dadurch sogleich die Antwort abschneidet und verkümmert, daß dagegen im absoluten Wissen, das von dem Absoluten, von der Substanz als dem objektiven Worte Gottes ausgeht, es sich fragt, wie Gott zu dem Menschen gelange.
- Es kommt hier vornehmlich auf die schwierigen Begriffe von [der] Freiheit, dem Bösen und der Sünde, und dann der Versöhnung an; der Herr Verfasser faßt dieselben in ihrer tiefsten Wahrheit auf. - Die Freiheit also (S. 84) ist nach ihrem wahren Begriffe und Wesen der absolute Wille; als absoluter Wille ist sie in sich selbst bestimmt. Willkür ist das Gegenteil der Freiheit, die Knechtschaft der Sünde. Gott ist frei, weil er die Macht ist, Er Selbst zu sein. Die Natur des Bösen ist in der ganzen Bestimmtheit ihrer Schwierigkeit angegeben. Das Böse ist nicht bloß das abwesende Gute, sondern dies Negative behauptet im Gefühle eine positive Wirklichkeit; und doch ist es nur das an sich Nichtige; die Sünde beruht auf Abfall, Verwirrung, auf Nichts, - sie ist eitel Täuschung; das Böse ist daher, als beides, eine positive Wirklichkeit, hiermit das Gute und die Nichtigkeit in sich enthaltend, das verkehrte, entgegengesetzte, entstellte Gute; es kommt ihm eine, aber auf den Kopf gestellte Wirklichkeit zu.
Da es das Fürsichsein ist, so ist dieselbe die subjektive, mithin halbe Wirklichkeit; die wirkliche Wirklichkeit ist Anundfürsichsein; das Ansich des Bösen, das Gute, geht das Böse selbst als den sich auf das Fürsichsein setzenden Willen nichts an; es ist auf sein subjektives Sein und Wesen beschränkt. - Bei dem Begriffe des Bösen wird somit nicht weniger gefordert, als den Widerspruch zu denken, was nach der gewöhnlichen Logik, dem Systeme der Verstandesidentität, unmöglich sein soll, und zwar ist dies Böse sogar als die Existenz des Widerspruchs zu fassen. - Es hängt mit dem Bösen unmittelbar der Begriff der Erlösung zusammen, welche gleichfalls (S. 90) nicht nur als Aufhebung des Bösen oder der Trennung von Gott, sondern auch dem in der Negation schon enthaltenen positiven Momente als Versöhnung des bösen Wesens mit Gott als mit dem Guten zu fassen ist. Hier hat der Verfasser die Kühnheit, sich des Ausdrucks nicht zu enthalten, daß die Erlösung als Versöhnung die Aufhebung des Unterschiedes zwischen Gut und Böse ist. Dies entwickelt der Herr Verfasser so: Die Versöhnung ist nicht ohne Vergebung; Böses verzeihen enthält aber das Gedoppelte: nämlich [erstens], daß darin das Böse als Böses anerkannt wird (nicht wie oben, daß der Mensch gut geboren und das Böse nicht böse, nur Schranke, Endlichkeit, Sinnlichkeit sei), indem es der Verzeihung bedürfen soll (die Schranke, Endlichkeit, Sinnlichkeit, bedarf keiner Verzeihung; für sie ist die Versöhnung und Erlösung überflüssig, sogar sinnlos); aber sie enthält [zweitens] auch ebensowohl, daß das Böse als an sich gut anerkannt und mit dem Guten ausgeglichen wird, indem es wirklich Verzeihung erlangt.

Der Herr Verfasser entwickelt diese Begriffe in dem Laufe ihrer Rechtfertigung gegen die Einwürfe des abstrakten Verstandes und gegen dessen Auffassungweise des Spekulativen, welche sich auch hier, wie immer, darauf reduziert, von dem konkreten Ganzen nur das Halbe aufzufassen und das Faktum der Totalität zu einer Halbheit zu verfälschen. Es ist ebenso interessant als lehrreich zu sehen, wie sorgfältig der Herr Verfasser diese Halbheiten der Abstraktion festhält und erörtert; der Irrtum, die Unwahrheit ist immer das, was in der Halbheit stehenbleibt; die Abstraktion, die dieselbe erzeugt, ist (S. 80) die absolute Diskretion des harten Herzens, welches für sich ist, sich in seiner starren Vereinzelung zum Wesen macht und als das Böse und Nichtige sich erweist; so ist (S. 84) die sinnliche Verstandesweise, welche einen abstrakten, unlebendigen, sinnlichen, maschinenmäßigen Begriff an die Stelle des spekulativen Begriffs unterschiebt, die Sünde, welche alle Begriffe verkehrt und sie verunreinigt.

Der Verstand, der nach dem Gesetze der Identität verfährt, hebt alle Schwierigkeit, die im Begriffe des Bösen liegt, mit der Entfernung des Widerspruchs auf, aber eben damit die Sache selbst, den Begriff des Bösen, welches der Widerspruch selbst ist, und klagt dessenungeachtet die Philosophie des Vergehens an, etwa nicht so sehr dessen, den Begriff des Bösen, als vielmehr den Begriff des Guten zu verderben durch Identifizierung desselben mit dem Bösen. Der Herr Verfasser bleibt auch hier nicht zurück, die Täuschungen zu verfolgen, wenn sie noch sosehr gleißen. Vom Verstande auf das Äußerste getrieben (S. 91), faßt die Einsicht dies auch auf, daß das Gute, auf welches der Verstand pocht, weil es ein Abstraktum ist, selbst böse ist, indem es als solches nur Ansich Gutes existiert, in dem Fürsichsein selbst, was der Mangel seiner Bestimmung ist, noch als abstraktes festgehalten wird. Gut und Böse, als die Pole des Gegensatzes, als diskrete Pole aufgefaßt, von welchen jeder den anderen ausschließt und für sich bleibt, sind gleich böse; - das Gute existiert so in den Gestaltungen der subjektiven Gesinnung der schönen Seele und des abstrakten Gesetzes der allgemeinen Pflicht. Die bloße Vorstellung vom Guten ist freilich ebenso etwas Unschädliches, als sie ein Unwirkliches ist. Wie der Verstand bei seinem Guten nur die Hälfte, das Ansichsein, vor sich hat, ebenso verfährt er in Ansehung der spekulativen Idee in betreff des Unterschiedes von Gut und Böse; wenn dieser Unterschied als an sich nichtig in ihr ausgesprochen wird, so greift er dies Moment auf, schreit es als die ganze Idee, als die ganze Bestimmung über den Unterschied von Gut und Böse aus und überläßt sich moralischen und frommen Deklamationen dagegen. Er läßt erstlich die andere Bestimmung, die des Fürsichseins, willkürlich hinweg, welche allen existierenden Willen, Handlung, Moralität, und was sonst mit diesem Standpunkt [zusammenhängt], Imputation, Strafe usf. in sich begreift, die Bestimmung, in welcher der Unterschied des Guten und Bösen ausdrücklich gesetzt und als wesentlich behauptet ist, im Begriff für unzertrennlich von dem Ansichsein erklärt und logisch als unzertrennlich aufgezeigt wird, so daß sogleich hierdurch ausdrücklich die Sache als nicht in jedem Ansich erschöpft ausgesprochen erklärt ist. Außer dieser Verstümmelung läßt der Verstand die dritte Hauptbestimmung hinweg, nämlich die Versöhnung, in welcher erst und allein jene erste, die er isoliert, ihre Bedeutung und Wahrheit erhält, was in Ansehung der zweiten derselbe Fall ist. Ohnehin, wie anderwärts zur Genüge erinnert worden, ist der Ausdruck, daß an sich das Gute und Böse dasselbe seien, wie er so unmittelbar lautet, für sich schief und übel gewählt, so daß er gleichsam zu Mißverständnissen einlädt und auffordert; es ist mehr der Verstand, der ihn zum Behufe seiner Polemik viel im Munde führt, als die Philosophie. - Die konkrete Bedeutung des Satzes aber, und die er allein in der Versöhnung erst bekommt, vor und außer derselben er nur unwahr und selbst sinnlos ist, ist vorhin aus der trefflichen Darstellung des Herrn Verfassers ausgehoben worden.

Doch Referent muß sich enthalten, die weiteren höchst interessanten Erörterungen des Herrn Verfassers, die in diesem Abschnitte über die höchsten Lehren, von dem dreieinigen Gott, der Persönlichkeit der Drei in ihm zu Unterscheidenden, der Menschwerdung Christi usf. gegeben werden, auszuzeichnen. Aber eine beachtende Äußerung hat Referent über das zu machen, was am Schlusse dieses Abschnittes (S. 113 ff.) der Herr Verfasser, der auf einem so hohen Standpunkte des Christentums und der Erkenntnis steht, der Philosophie, die derselbe dort vor Augen hat, oder, wie er sagt, ihrem Anfange zu bedenken gibt: ob sie nämlich in ihrem Fortgange nicht an Licht und Bestimmtheit gewinnen würde, wenn sie sich entschiedener an das Wort Gottes anschlösse, aus welchem sie sich entwickelt hat, und bestimmter, nämlich namhafter (d. h. mit Nennung des Namens) von der Sünde ausginge, welche sich ihr als Abstraktion manifestiert hat, ohne deren Voraussetzung kein Verständnis der Welt, ohne deren Anerkennung keine Selbsterkenntnis, ohne deren Aufhebung keine Gotteserkenntnis möglich ist; - ferner, nach dieser Philosophie selbst sei der Gedanke nicht das Höchste, sondern die Vorstellung, die Gestalt, nur daß sie als immanent, als mit dem Wesen identische Erscheinung des Wesens zu erkennen ist. Das Wissen, als ebensowohl in der Wahrheit der absoluten Realität als diese in ihm, ist das Sein des Geistes, welches den Begriff wie die Vorstellung und den Glauben als sich selbst einschließt und pflegt; daran scheine der Formalismus dieser Lehre selbst nicht immer zu denken; "denn, daß wir nichts verschweigen, mehr als einmal ist es uns in dem Bereiche dieses reinen Wissens so unkörperlich und gespenstisch und so unheimlich zumute geworden, daß wir uns recht ernstlich nach Personen und Gestalten gesehnt und dann nirgends anders als bei dem Worte Gottes Zuflucht gesucht und gefunden haben, ja oft durch einen einzigen Bibelspruch, als durch die Kraft Gottes, an Mark und Bein erquickt worden sind.
So sinnlich fühlen wir uns, daß wir um des Begreifens willen das Greifen mit den Händen nicht missen wollen". Referent für sich kann, wie aus dem von dem Herrn Verfasser für seine Forderung Angeführten selbst hervorgeht, dieselben nicht abweisen.
Der Herr Verfasser hat damit einen interessanten Gesichtspunkt berührt, - das Herübergehen überhaupt von der Vorstellung zum Begriffe und von dem Begriffe zur Vorstellung, ein Herüber- und Hinübergehen, das in der wissenschaftlichen Meditation vorhanden ist und [von dem,] daß es auch in der wissenschaftlichen Darstellung allenthalben ausgesprochen werde, hier gefordert wird. Wie Homer von einigen Gestirnen angibt, welchen Namen sie bei den unsterblichen Göttern, welchen anderen bei den sterblichen Menschen führen, so ist die Sprache der Vorstellung eine andere als die des Begriffs, und der Mensch erkennt die Sache nicht bloß zunächst an dem Namen der Vorstellung, sondern in diesem Namen ist er als lebendig erst bei ihr zu Hause, und die Wissenschaft hat nicht bloß in jene abstrakten Räume, und zwar abstraktere, als die sind, worin jene unsterblichen Götter - nicht der Wahrheit, sondern der Phantasie - wohnen, ihre Figurationen einzuschreiben, sondern deren Menschwerdung, und zwar einer jeden unmittelbar für sich selbst die Existenz, die sie im wirklichen Geiste erhalten - und diese ist die Vorstellung -, nachzuweisen und zu verzeichnen. Referent dürfte, wenigstens zum Behufe einer Entschuldigung von Unvollkommenheit seiner Arbeiten nach dieser Seite, daran erinnern, daß eben der Anfang, den auch der Herr Verfasser nennt, vornehmlich es auflegt, sich fester an den der Vorstellung in oft hartem Kampfe abgerungenen Begriff und dessen Entwicklungsgang, wie sein Ausdruck in dem reinen Gedanken lautet, anzuschließen und in seinem Gleise sich strenger zu halten, um desselben sicher zu werden und die Zerstreuungen, welche die Vielseitigkeit der Vorstellung und die Form der Zufälligkeit in der Verbindung ihrer Bestimmung mit sich führt, gewaltsam abzuhalten; diese Vielseitigkeit bringt die Gefahr der Bequemlichkeit zu nahe, in der Strenge der Methode des Gedankens nachzugeben. Die erlangte größere Festigkeit in der Bewegung des Begriffs wird es erlauben, gegen die Verführung der Vorstellung unbesorgter zu sein und sie unter der Herrschaft des Begriffes freier gewähren zu lassen; wie die Sicherheit, die im göttlichen Glauben schon vorhanden ist, von Haus aus gestattet, ruhig gegen den Begriff zu sein und sich in denselben sowohl furchtlos über seine Konsequenzen als auch unbekümmerter über seine Konsequenz, welche bei vorausgesetztem Glauben sich nicht selbst als frei zu erweisen hat, einzulassen. Auch wird, äußerlich betrachtet, solche Vorstellungsform dem göttlichen Glauben gegenüber eher gestattet sein als dem Unglauben gegenüber, der wenigstens das gute Recht hat, des Beispiels der scholastischen Philosophie sich zu erinnern, welche mit der Voraussetzung des festen Kirchenglaubens philosophierte und darum nicht zur Freiheit des denkenden Begriffes gedeihen konnte; abgesehen davon, daß der Unglaube, der im Gedanken und in der Vernunft sogar zu versieren vorgibt und mit Recht deren Befriedigung fordert, durch die Namhaftmachung der Glaubensformen abgeschreckt wird, auf die begreifende Vernunft zu hören, wenn er zu ahnen meint, daß ihr Gang doch nur auf die Erkenntnis Gottes und gar auf die Dreieinigkeit, die Menschwerdung Christi usf. hinauslaufe, indem solche Resultate des Philosophierens vielmehr bereits von vornherein, und zwar mit Hintansetzung der Vernunft festgestellte Voraussetzungen seien und nur dies sein können; ja seine Apprehension gestaltet sich zur Ungeduld und zur Empörung darüber, daß Ernst damit gemacht werden solle, in jenen Lehren die Vernunft nachzuweisen. Kants Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft hat freilich selbst diese negative Aufmerksamkeit nicht erregt, weil darin jener Ernst der Spekulation nicht zu erkennen war und der Versuch, den er nach dieser Seite machte, nach seinem sonstigen Systeme sogleich für ein müßiges, überflüssiges Spiel genommen werden konnte.
- Wenn in Rücksicht der angeführten Gebundenheit an die Gedankenform diese in einer logischen Ausarbeitung überwiegend sein wird, so muß es um so willkommener sein, in einer Schrift, wie die vorliegende ist, die spekulativen Begriffe zur Anerkennung ihrer Übereinstimmung mit der religiösen Vorstellung herausgearbeitet und die Worte und Zeichen der einen in die Sprache der anderen übersetzt zu finden. Nicht nur ist dadurch dem Zutrauen Vorschub geschehen, welches der Glaube wieder wie in der scholastischen Theologie zur denkenden, aber nunmehr in ihrem Denken freien Vernunft gewinnen könne, sondern jene Vergleichungsweise hat es auch mit sich gebracht, die sogenannten Einwürfe, welche von seiten des nichtwissenden Denkens wie von seiten des Glaubens her gemeinschaftlich mit demselben einseitigen Verstande gemacht werden, auf deren eigenem Felde erörtern zu können.
Der Herr Verfasser macht für solche Erörterung S. 67 f., indem er auf tiefsinnige Weise die Art, wie sich das Widerlegen zu verhalten habe, ausdrückt, die Forderung, daß das System sich dadurch als System zu bekunden habe, daß es aus sich heraustrete, diese seine letzte Abstraktion überwinde und sich als Liebe bekunde, indem es gerade demjenigen Momente, welches sich ihm entgegensetzt, seinerseits sich nicht widersetze, sondern sich in dasselbe versetze. Die wahrhafte Widerlegung einer Behauptung hat in der Tat an dieser selbst, nicht durch Entgegenhaltung anderer, außerhalb ihrer liegender Prinzipien zu geschehen; so unendlich mächtig ist die Natur des Begriffs, daß in einem unwahren Satze selbst das Gegenteil der Bestimmung enthalten, ja oft auch schon ausgesprochen ist, welche in ihm behauptet wird. Es ist daher nur dieser Satz selbst zu nehmen, durch Analyse jenes Gegenteil, somit sein innerer, und zwar unaufgelöster Widerspruch aufzuzeigen.
Es kann dabei die Bemerkung hinzugefügt werden, daß die Einwürfe, welche gegen ein spekulatives System gemacht werden - wenn sie anders den Namen von Einwürfen verdienen; nicht jedem ganz äußerlichen schlechten Einfalle mag auch nur jener selbst dürftige Name zukommen -, direkt innerhalb des Systems enthalten und behandelt sind. Die Einwürfe, wenn sie wirklich mit der Sache, gegen die sie gerichtet sind, zusammenhängen, sind einseitige Bestimmungen, die teils, wie früher angegeben worden, durch Verfälschung des spekulativen Faktums hervorgebracht und zur Anklage gegen dasselbe gemacht, teils als Behauptungen gegen dasselbe aufgestellt werden. Diese einseitigen Bestimmungen, als mit der Sache zusammenhängend, sind Momente ihres Begriffs, die also bei seiner Exposition in ihrer momentanen Stellung vorgekommen und deren Negation in der immanenten Dialektik des Begriffs aufgezeigt sein muß; diese Negation ist das, was, indem sie als Einwürfe gestellt worden, in die Form ihrer Widerlegung zu stehen kommt. Insofern reflektierende und ihrer Reflexion etwas zutrauende Menschen die Geduld nicht haben, in die dargestellte Dialektik des Begriffs einzudringen, worin sie den Gehalt ihres Einwurfs erkannt und gewürdigt finden würden, vielmehr solche Bestimmung als aus ihrem subjektiven Verstande kommend vorzubringen gern vorziehen, ist das Geschäft des Herrn Verfassers populär und sehr dankenswert, solche Bestimmungen als Einwürfe aufzunehmen und zu behandeln.
Die Wissenschaft könnte die Forderung machen, daß solches Geschäft überflüssig wäre, denn es wird nur durch den Mangel an Bildung des Denkens und durch die Ungeduld der Eitelkeit dieses Mangels veranlaßt. Allein es ist nicht abzuwenden, daß solche das Wort nehmen, die nur das lieben, was ihnen einfällt, und darum, weil es ihnen einfällt, und welche diese Zufälligkeit ihres Verstandes dem objektiven Gange der Wissenschaft und der Notwendigkeit desselben vorziehen, - indem sie das Bewußtsein entbehren, daß die Bestimmungen, die aus ihrem besonderen subjektiven Denken zu pullulieren scheinen, durch die Natur des Begriffes hervorgetrieben werden und in der Erörterung desselben daher selbst schon, freilich nicht in einer zufälligen, losen Stellung, sondern mit Bewußtsein und nach ihrer Notwendigkeit müssen dagewesen sein. Indem es viele sind, die mit dem, was man noch guten Willen nennt, aber mit der Ausrüstung ihrer subjektiven und der Gewohnheit, sich etwas einfallen zu lassen, im Gefühl ihrer Freiheit es verweigern, sich gleichsam an Händen und Füßen [gebunden] dem Gange der Wissenschaft hinzugeben, und [da] die Wissenschaft wesentlich lehrend ist, wird sie auch diese äußerliche Seite der Belehrung anwenden mögen und auf die Vermutung jenes guten Willens hin dazu beizutragen suchen, jene Hindernisse aus dem Wege zu räumen. Dies hier Gesagte, veranlaßt durch das gute Beispiel des Herrn Verfassers und durch seine Äußerungen, soll zugleich zum entschuldigenden Vorwort sowie in Ansehung der Beschaffenheit dessen, was Einwürfe gegen einen wissenschaftlichen Gang und was deren Widerlegung ist, zur Einleitung über die Beurteilung einiger Schriften dienen, welche kürzlich gegen das Philosophieren des Referenten erschienen sind und zu deren Anzeige derselbe anheischig gemacht ist.

Doch es ist nötig, des dritten Abschnitts, überschrieben "Die Glaubenserkenntnis oder Glauben und Wissen" (S. 116 bis 189), wenigstens noch zu erwähnen. Es wird darin der moderne Gegensatz von Wissen und Glauben nach allen Seiten und Wendungen vorgenommen und die Nichtigkeit der vermeintlichen Unverträglichkeit beider und ihrer Trennbarkeit selbst aufgezeigt. Das trotzige Vorurteil dieses Gegensatzes, das sich für eine feste, unüberwindliche Wahrheit gibt, wird in alle die Weisen des Verstandes, die es vorbringt, in 29 kleineren Abschnitten begleitet; der Herr Verfasser läßt sich wie mit gründlicher Meisterschaft des Denkens, so mit gründlichem christlichen Glauben und warmem Gefühle mit diesen Reflexionsformen ins Gespräch ein. An diesen Abschnitt können diejenigen verwiesen werden, welche jenem Vorurteile der Zeit noch ergeben sind; oder vielmehr, wenn es ihnen nicht um das Pochen, sondern um die Sache Ernst ist, werden sie sich selbst daran weisen. "Wenn", sagt der Herr Verfasser S. 112 von seinen Bemerkungen, "sie nicht alle Zweifel und Mißverständnisse tilgen können, so weisen sie doch an der Lösung einiger Zweifel die Quelle nach, woraus alle Mißverständnisse fließen ... "; diese Bemerkungen könnten dazu dienen, "daß sie uns reizen zum gewissenhaften Gehorsam im Lernen, welches so leicht bei der Außenseite und an einseitigen Resultaten stehenbleibt und diesen einen anderen Sinn unterschiebt, - zur Liebe im Verstehen, denn ohne Liebe, ohne Versetzung in das Andere ist sowenig als ohne Verstand ein Verständnis möglich, - und vor allem zur christlichen Vorsicht im Urteile vor dem Verständnisse."

Der Herr Verfasser gibt zunächst den Unterschied an, der zwischen Glauben und Wissen teils stattfindet, teils fälschlich angenommen wird, und zeigt, daß dieser Unterschied nicht eine Trennbarkeit derselben oder einen wahrhaften Gegensatz begründet. - "Das Wissen findet den Glauben in sich, der Glaube findet auch das Wissen in sich, denn Glaube ist Glaubenserkenntnis." "Dein Glaube wächst mit deinem Wissen, wie dein Wissen mit deinem Glauben, wie die Wurzel mit dem Baume, der Baum mit der Wurzel." - Wenn der Philosophie als Weltweisheit (wie man sie früher unbefangenerweise übersetzte, neuerlich aber damit zuweilen - wie etwa Friedrich von Schlegel - als mit einem Spitznamen belegte) das Wissen der Welt zugeschrieben worden, so zeigt der Herr Verfasser, daß solche ausschließliche Erkenntnis der Welt für sich und ohne Gott nichts anderes wäre, als das Unwahre ohne das Licht der Wahrheit erkennen; die Welt erkennen kann nichts anderes heißen, als die Wahrheit der Welt, die Wahrheit in dem für sich Unwahren erkennen, und diese Wahrheit ist Gott. Ebenso nur, wer die Welt erkennt, erkennt auch Gott; wer in dem übersinnlichen Wesen Gottes nicht auch die Natur und die Person Gottes erkennt, der erkennt auch nicht die Übernatürlichkeit Gottes. Wenn es ein Wissen gibt, wenn wir das Wissen um des Nichtwissens (des nichtigen Wissens, des Wissens des Nichtigen) willen nicht aufgeben wollen, so muß es gleich dem Glauben göttlich und übernatürlich sein; als übernatürlich müssen Philosophie und Glaube das Wort Gottes zur einzigen Grundlage und die Vernichtung der gefallenen Natur, die Erlösung von der Natur zum Zwecke haben. Beide sind übernatürlich, insofern sie den Menschen über die gefallene Natur erheben, welches durch die Natur selbst nicht bewirkt werden kann, beide sind aber auch insofern natürlich, als sie die Wiederherstellung der wirklichen Natur zur Folge haben sollen. An der inhaltslosen Übersinnlichkeit ist es, daß der Rationalismus sich zerarbeitet.

Der Herr Verfasser geht hierauf zu den Wegen, die andere gegangen sind, wie sie sich ausgedrückt, gedrückt und gewendet haben, um eine Verschiedenheit von Glauben und Wissen zu fixieren. Von diesen Kategorien mögen nur einige mehr beispielsweise angeführt werden. [Etwa:] Daß der Unterschied im Denken bestehe, welches selbst und dessen Werk das Wissen sei. Niemand wird behaupten wollen, entgegnet der Herr Verfasser, daß der Glaube gedankenlos sei; die Philosophie hat als wirkliches Denken auch das wirkliche Sein, Leben und Tun, welches sie mit dem Glauben identifiziert.
- Der Glaube fange doch nicht mit dem Denken an, er überliefere mit einem Male und wesentlich die Wahrheit, er komme ohne unser Zutun, das Wissen beruhe auf Selbsttätigkeit. Der Herr Verfasser erwidert S. 135: "Ein solches Vertrauen haben wir durch Christum zu Gott, nicht, daß wir durch uns auf uns bauen ... , nicht, daß wir tüchtig sind von uns selber, etwas zu denken als aus uns selber, sondern daß wir tüchtig sind, etwas zu denken und zu begreifen (λογίσsασϑαι), das ist von Gott und aus Gott und durch Christum, welcher ist der Logos, der uns Logik lehrt und sich selbst erniedrigt hat, daß wir ihn erkennen und begreifen lernen."
Es wird aufgezeigt, wie alle dergleichen Unterschiede, wie auch die heutigentags so beliebte Kategorie der Unmittelbarkeit, sich verflüchtigen, indem die unbestimmten Ausdrücke, in welchen sie sich bewegen, berichtigt und bestimmt werden. Insbesondere lautet auch ein Unterschied so, der Glaube gehe vom Herzen aus, das Wissen vom Verstande; der eigentümliche Irrtum unserer Zeit liege in dem Losreißen der intellektuellen Kraft aus ihrer natürlichen Verbindung mit unserem empfindenden und handelnden Wesen. Dieser Vorwurf, erwidert der Herr Verfasser, fällt erstens selbst in den Irrtum, den er macht, wenn er ein Gebiet der Erkenntnis neben dem Gebiete alles Seins und Lebens statuiert, und zweitens fällt er in den Irrtum, die postulierte Verbindung natürlich zu nennen; obgleich ursprünglich, ist sie darum doch nicht natürlich; natürlich ist vielmehr die Entzweiung der Geisteskräfte im Menschen. - Eine Philosophie ohne Herz und ein Glaube ohne Verstand sind selbst Abstraktionen von dem wahren Leben und Sein des Wissens und Glaubens. Wen die Philosophie kalt läßt oder wen der wirkliche Glaube nicht erleuchtet, der sehe wohl zu, wo die Schuld liege; sie liegt in ihm, nicht im Wissen und Glauben. Jener befindet sich noch außerhalb der Philosophie, dieser außerhalb des Glaubens.
- Schon früher (S. 96 f.) war gesagt worden: "Sei du doch an deinem Teile nicht so stolz und so vornehm abgeschlossen gegen die Spekulation, welche du des Stolzes und der Kälte zeihst ... Versetze du dich lieber auf lebendige Weise in die Begriffe der Philosophie ... ; leide sie nur erst und nimm sie nur erst in die Gesinnung auf, und du wirst ihr Leben und ihre Wahrheit, d. h. ihre Übereinstimmung mit dem Worte Gottes, dessen Übersetzung sie sind, erfahren." - In Beziehung hiermit steht die weitere Frage S. 146 ff., ob die menschliche Vernunft die Wahrheit, die sie erst der Bibel gestohlen (und was in jener wahr ist, das sei allerdings aus dieser entwendet), nicht aus sich selbst zu haben sich einbilde. Der Herr Verfasser entgegnet, daß der Rationalismus der natürlichen Vernunft, die sich für ein absolutes, selbständiges Eigentum hält und sich so gebraucht, mit der spekulativen Philosophie nichts zu schaffen hat; der ganze Unterschied komme auf den zwischen Heiliger Schrift und allgemeiner objektiver Vernunft hinaus; unter dieser verstehen wir nichts anderes als den Geist Gottes, welcher, nach der Schrift, im Glauben und zum Glauben uns mitgeteilt wird. Insoweit sich aber dennoch ein Unterschied erhält und geltend macht, ist davon der Glaube nicht weniger als das Wissen berührt. Denn niemand versteht die Heilige Schrift ohne durch den Heiligen Geist; Er ist es, der das Verständnis der Bibel, die er selbst diktiert hat, jedem Einzelnen eröffnet; nicht also die Bibel, sondern der Geist ihres Verfassers, indem er der allgemeine, gemeinsame Geist wird, ist der Anfang und das lebendige Prinzip alles Glaubens. (Mit dem Pochen auf seine natürliche Vernunft verbindet der Rationalismus das Pochen auf die Exegese der Bibel; seine Theologie soll wesentlich nur exegetisch, nur biblisch sein; er begeht die Täuschung oder den Betrug, es nicht zum Bewußtsein kommen zu lassen, daß es der eigene Geist ist, der exegesiert, und erspart sich die Mühe, das Gefühl, den Verstand, die Logik, die exegesiert, näher nachzuweisen und als den Geist der Wahrheit zu beweisen; er gebraucht geradezu den abstrakten Verstand, die sogenannte natürliche Vernunft.) - Wenn gesagt wird, die Philosophie gehe nicht von der Bibel aus, so geht auch der Glaube, indem er wird, nicht von der Bibel aus, sondern auf die Bibel zu, in welcher er die Wahrheit und hiermit sich selbst erfaßt. Es sei ein Vorurteil (dem das Faktum der Philosophie direkt entgegen ist), das Prinzip und hiermit den Begriff der Philosophie in ihrem Ausgangspunkte, in ihrem Anfange zu suchen, da beides vielmehr als eins erst in ihrer Vollendung zu suchen ist (S. 149).

Ebenso tiefsinnig begegnet der Herr Verfasser den Kategorien von dem Aufheben der Persönlichkeit Gottes, das durch die Philosophie geschehen solle, - von der Unbegreiflichkeit Gottes. Es ist der Glaube, sagt der Herr Verfasser S. 157, "welcher, von oben gegeben, das Unbegreifliche begreiflich macht und das Unerforschliche erforscht, ohne von einer endlichen Grenze gehalten zu sein. 'Das kein Auge gesehen, kein Ohr gehört hat und in keines Menschen Herz gekommen ist, das Gott bereitet hat denen, die ihn lieben; uns aber hat es Gott offenbart durch Seinen Geist. Denn der Geist erforscht alle Dinge, auch die Tiefen der Gottheit.' " 'Wenn die Philosophie sich im Begriffe bewegt, der Glaube sich aber auf innere Erfahrung und das Gewissen beruft, so ist dieses nicht ein Partikuläres, sondern das allen Menschen Gemeinschaftliche; und der Geist, der das Gewissen erweckt, die Vernunft erleuchtet und in die allgemeine versetzt, ist nicht der Herren eigener Geist. Wie keiner dem anderen den Glauben geben kann, sondern er muß von Gott gelehrt werden, so hat auch die Philosophie ihren Punkt, der nicht erlernt, nicht äußerlich aufgenötigt, von einem Menschen nicht in den anderen übergetragen werden kann; und ist dies nicht gerade der Lebenspunkt?
Auch der Philosoph feiert seine Pfingsten; ohne Wiedergeburt kommt niemand aus der Sphäre des natürlichen Verstandes in die spekulativen Höhen des lebendigen Begriffs. - Aber die Wahrheit besteht nach ihrem eigensten Wesen in ihrer Notwendigkeit, sie hat ihre Nötigung in sich selbst; sie müßte sich also, meinen wir, auch erzwingen und aufnötigen lassen, so daß wir nicht widerstehen, - sie müßte sich doch so gründlich nachweisen lassen, daß wir ihr nicht ausweichen könnten. Der Mensch kann aber überhaupt der Wahrheit, der allmächtigen Wahrheit allerdings widerstehen. Und was verstehen wir unter jenem gründlichen und allgemeingültigen Nachweise, den wir am Glauben vermissen? Suchen wir ihn nicht in unserem eigenen Innern, statt im Innern der Sache, - im Subjekte statt in der Wahrheit? Ist es nicht das Selbstgemachte, in unseren eigenen Gedanken Zusammengesuchte, was wir gründlich nennen und was gleichwohl, wenn es gemacht ist, nichts wirkt und nichts beweist, weil es nichts ist? Eben weil die Wahrheit ihre Nötigung in sich selbst hat, eben darum kann sie nicht in dem Beweise als einem von der Wahrheit selbst verschiedenen Beweise liegen, - weil sie Geist ist, ist sie dem isolierten Verstande und dessen Beweisen unzugänglich, kann sie nicht dem isolierten, verfallenen Verstande des Menschen zukommen; von diesem Verstande provoziert daher der Glaube auf den unzerstückten Geist, auf das Gewissen, von dem Beweise auf die innere Erfahrung. So ist auch alles spekulative Wissen durch Verstandesbeweis positiv nicht zu erzwingen; auch die Philosophie muß erfahren, daß ihre Gegner Ohren haben zu hören und nicht hören, und Augen haben zu sehen und nicht sehen.' [S. 159-162]

Über den Unterschied, daß der Glaube vermittels des Gefühls uns auf die Abhängigkeit der Kreatur von Gott weise, aber die Wissenschaft vermittels des Gedankens uns frei mache, weist der Herr Verfasser darauf, daß, indem wir uns im Glauben abhängig fühlen, wir uns von Gott abhängig fühlen; die Abhängigkeit von Gott ist aber nach dessen Wesen Freiheit in Gott, so wie Sein außer Gott Sein außer der Freiheit ist; so ihr glaubt, werdet ihr die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen. Auf andere Weise kann auch keine Philosophie frei machen; nur in Gott ist Freiheit (S. 169).

Soviel, sagt der Herr Verfasser am Ende, zum Frieden zwischen Wissen und Glauben; - der Unterschied zwischen beiden kann nicht abgeleugnet werden, aber die Identität schließt den Unterschied nicht aus, so daß zwar in jeder Weise die andere sich findet und unterscheidet, aber auch zugleich als unzertrennlich verbunden weiß. Denken und Glauben sind als Teile eines lebendigen Ganzen anzusehen, die für sich unselbständig sind, so daß sie als getrennte in der Wirklichkeit sich nicht behaupten können und, dennoch getrennt, in Zerrbilder des Heiligsten sich verkehren. Wohl uns, wenn wir dem Apostel Paulus mit gutem Gewissen nachsagen können: "Ich weiß, an wen ich glaube!" Denn es ist ein köstlich Ding, daß das Herz fest werde; und es wird nur fest und gewiß, wenn es weiß, an wen es glaubt.

Referent aber begrüßt in dieser Schrift die Morgenröte dieses Friedens, welchen sie von ebenso frommem als kräftigem Denken und Herzen und deren erlangter Versöhnung auch nach außen wirksam einzuleiten bestimmt ist. Sie ist ein gutes Zeugnis, von dem Christentum über die Philosophie abgelegt; es möge ein Autoritätszeugnis für die sein, welche das Zeugnis des Geistes nur im Autoritätszeugnisse eines frommen Herzens (und doch wohl nicht nur ihres persönlichen, individuellen Herzens) anerkennen mögen; aber es ist ebensosehr ein Zeugnis des tiefdenkenden Geistes, der die Verstandeskategorien in das Gericht des Denkens bringt, welche der evangelische Christ die doppelte Inkonsequenz begeht, gemeinschaftlich mit dem Rationalismus, dem gemeinsamen Antipoden der spekulativen Philosophie und des Glaubens, gegen die Philosophie zu gebrauchen und zugleich ihr die Kategorien zur Last zu legen, in welchen (S. 82) "jene seichte Lehre der Verstandesaufklärung versiert, die gegenwärtig im Verscheiden liegt, aber freilich desto mächtiger und krampfhafter gegen ihren Tod ankämpft". - Wenn das Gebot: Meidet allen bösen Schein! oft Gutes, wenigstens Gehöriges verhindert, ja sogar Böses gestiftet, so hat die Gefahr des bösen Scheines der Parteilichkeit für die eigene Sache den Referenten nicht abhalten können, von dieser Schrift mit freudiger Anerkennung des Gehalts und des Vorschubs zu sprechen, welchen sie der Wahrheit getan und tun wird, noch davon, zum Schlusse dem Herrn Verfasser, der persönlich dem Referenten unbekannt ist, für die Seite ihrer näheren Beziehung auf dessen Arbeiten für die spekulative Philosophie die Hand dankbar zu drücken. 

 

 

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