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Zweiter Artikel                   [<Hamanns Schriften]

Ehe wir die schriftstellerische Laufbahn Hamanns weiter verfolgen, ist in Kürze den weiteren Umständen seiner äußerlichen Lebensgeschichte nachzugehen. Die reiche Sammlung von hier dem Publikum mitgeteilten Briefen, insbesondere an J. G. Lindner und, wo diese abbrechen, an Herder sowie an einige andere Männer, mit denen Hamann in Verhältnis kam, zeichnen manche Seiten dieses im ganzen sehr einfachen Lebens in der ganzen Eigentümlichkeit, mit der sich Hamann darin befindet; doch müssen wir uns mehr auf die trockene Reihe der Fakten beschränken. - Hamann lebte, wie schon gesagt, seit er im Januar 1759 das Berenssche Haus in Riga verlassen, ohne Berufsgeschäft oder Bestimmung in dem Hause und auf Kosten seines Vaters. Auch der einzige Bruder Hamanns, der in Riga als Gymnasiallehrer angestellt war, mußte in das väterliche Haus zurückgebracht werden, weil er in einen Trübsinn verfallen war, der ihn für sein Amt unfähig machte und der zuletzt in völligen Blödsinn überging; Hamann hatte sich noch bei achtzehn Jahren mit dessen Pflege und Vormundschaft zu schleppen. Unter den Vorfallenheiten aus dieser Zeit ist durch Hamann und seine Individualität eine Verbindung, in die er trat, denkwürdig gemacht worden, welche sonst für sich eben kein besonderes Interesse hätte. Er ging im Jahre 1763 mit einem, wie es scheint, sich durch nichts auszeichnenden Bauernmädchen eine zuweilen von ihm so genannte Gewissensehe ein, die fruchtbar an Kindern war und in der er sein ganzes Leben blieb.
Der Herr Herausgeber sagt (Vorr. zu Bd. III), daß Rücksichten ihm untersagt haben, Hamanns denkwürdige Mitteilungen über das Entstehen dieser Verbindung in die gegenwärtige Sammlung aufzunehmen; es werde aber dafür gesorgt werden, daß sie nicht untergehen. Doch findet sich schon in der gegenwärtigen Sammlung genug, um etwa wohl die Neugierde darüber zu befriedigen. Ganz nach der Analogie dessen, was in Hamanns Gemüt bei dem früher erzählten Entschlusse, sich um die Hand einer Schwester der Herren Berens zu bewerben, vorging, läßt sich nicht auf die Empfindungen schließen, die ihn zu diesem zweiten Entschlusse brachten. Wo er in seinem Tagebuche (Bd. I, S. 237) von den Bewegungen, die in ihm bei jener früheren Absicht vorgingen, spricht, dankt er Gott, "Anfechtungen des Fleisches überhoben zu sein", und bittet ihn auch darum aufs Künftige. Soviel, sagt er in einer Diktion, die dem Inkohärenten dieses halbträumenden Zustandes entspricht, ist er sich bewußt, daß er nicht schlafen konnte; er hörte eine Stimme in sich, die ihn über den Entschluß, ein Weib zu nehmen, frug, "aus Gehorsam gegen ihn, - ich redete nicht ein Wort; es kam mir aber vor, als wenn ich mit meinem Geschrei aufspränge und schrie: 'Wenn ich soll, so gib mir keine andere.' " - Er fügt hinzu: "Ja, weil Gott mit einer besonderen Vorsicht ... über mich gewacht, daß ich zu keiner fleischlichen Vermischung habe sündigen können; gesetzt auch, mein Leib sollte erstorben sein, - Abraham glaubte und wankte nicht; gibt er nicht Einsamen Kinder und kann aus Steinen welche erwecken?" Über Modifikationen seiner Empfindung bei der zweiten Verbindung, die, wie gesagt, mit einem reichen Kindersegen begleitet war, und über die Veranlassung derselben macht er an Herder und nachher an Franz von Buchholz, dessen noch weiter erwähnt werden wird, ganz offene Äußerungen. In einem Briefe an den letzteren (vom 7. Sept. 1784, Bd. VII, S. 162) erzählt er ganz einfach die entstandene Zuneigung zu diesem Landmädchen, die in seines Vaters Haus als Dienstmädchen kam. "Ihre blühende Jugend, eichenstarke Gesundheit, mannfeste Unschuld, Einfalt und Treue brachte in mir eine solche hypochondrische Wut hervor, welche weder Religion, Vernunft, Wohlstand noch Arznei, Fasten, neue Reisen und Zerstreuungen überwältigen konnten." - In Ansehung des Ungewöhnlichen, in dem außerehelichen Verhältnisse mit ihr für immer zu bleiben, erklärt er sich über diesen damals ins siebzehnte Jahr laufenden Roman seines Lebens an Herder im Folgenden (V, S. 193): "Ungeachtet meiner großen Zufriedenheit, in der ich lebe und die mein ganzes Glück ausmacht, fühle ich die Seite des bürgerlichen Übelstandes" (seiner Gewissensehe, oder wie man seinen Fuß zu leben nennen wolle) "lebhaft ... Eben das Bauernmädchen, dessen vollblütige, blühende Gesundheit und ebenso vierschrötige, eigensinnige, dumme Ehrlichkeit und Standhaftigkeit soviel Eindruck auf mich gemacht, daß Abwesenheit und die Versuche der höchsten Verzweiflung und kältesten Überlegung ihn nicht haben auslöschen können, - diese Magd, die Kindesstelle an meinem armen, unvermögenden, gelähmten Vater vertreten und die er als eine leibliche Tochter geliebt ... , würde vielleicht als meine Ehefrau ich weiß nicht was sein. - Nicht aus Stolz, dazu bin ich zu dankbar, sondern weil ich die innere Überzeugung habe, daß diese Lage ihre eigene Glückseligkeit mindern und vielleicht dem Glücke ihrer eigenen Kinder nachteilig werden könnte."

Vielleicht trug auch dies Verhältnis Hamanns im Hause seines Vaters dazu bei, daß dieser zu Anfang des Jahres 1763 sich entschloß, die Abteilung des mütterlichen Vermögens mit seinen beiden Söhnen vorzunehmen (Bd. III, S. 183).
Hamann hatte sich in dieser Zeit mit Abfassung mehrerer kleiner Aufsätze - im Verfolg der Sokratischen Denkwürdigkeiten - und mit Kritiken für die Königsberger Zeitung (welche der Herr Herausgeber sorgfältig aufgesucht und der Sammlung beigefügt hat; sie sind eben nichts Bedeutendes) und mit der buntesten Lektüre beschäftigt. Hamann ist nun veranlaßt, selbst für sich zu sorgen und sich nach weiterer Arbeit umzusehen als Beten und Bibellesen, was er früher als die Arbeit eines Christen angegeben hatte; Gott gab ihm, wie er sich ausdrückt (S. 184), Anlaß, an seine eigene Hütte zu denken; "der auch da war, da ich mich in der Hölle bettete, und mir die Schande der Muße überwinden half, wird mir jetzt in der Gefahr der Geschäfte ebenso gegenwärtig sein".
In Bd. III, S. 207, ist seine Supplik an die Königlich Preußische Kriegs- und Domänenkammer zu Königsberg abgedruckt, vom 29. Juli 1763, worin er angibt, daß eine schwere Zunge und Unvermögenheit der Aussprache nebst einer ebenso empfindlichen Gemütsart als Leibesbeschaffenheit ihn zu den meisten öffentlichen Bedienungen untüchtig machen und er sich weder auf irgendeinige Verdienste berufen noch auf andere Bedingungen einlassen könne, als daß er zur Not leserlich schreiben und ein wenig rechnen könne; er bittet, ihn eine Probe seiner freiwilligen Dienste machen zu lassen, daß es ihm durch diesen Weg gelingen möchte, als ein Invalide des Apollo mit einer Zöllnerstelle zu seiner Zeit begnadigt zu werden. Doch nach einem halben Jahre bittet er wieder in der "gänzlichen Verzweiflung an der Möglichkeit, einer Kopistenhand und des dazu nötigen Augenmaßes jemals mächtig zu werden", wieder um seine Entlassung (Bd. III, S. 210) und übernimmt die Herausgabe einer gelehrten Zeitung. Hamann war durch eine Äußerung, die er (in den Kreuzzügen des Philologen, Bd. II, S. 149) über Herrn von Mosers damals Aufsehen erregende Broschüre "Der Herr und der Diener" gemacht hatte, mit diesem in Beziehung gekommen. Hamann hoffte nun durch dessen Verwendung eine Anstellung (Bd. III, S. 205 "mit einem recht ansehnlichen Gehalt als Lehrer der langen Weile") zu erhalten, reiste deshalb im Juni, wie es scheint, ohne bei Herrn von Moser vorher darüber anzufragen oder ihn von seiner Absicht in Kenntnis zu setzen, nach Frankfurt a. M., von wo dieser jedoch vier Tage vor Hamanns Ankunft auf weite Reise abgegangen war.
Hamann, der dessen Rückkunft nicht abwarten konnte, kam ungeschickter und unverrichteter Dinge Ende September nach Königsberg zurück. Im Juni 1767 wurde er als Secrétaire-Interprète bei der Königsberger Provinzial-Akzise- und Zolldirektion zuerst mit 16 Talern monatlichen Gehalts angestellt, der später bis auf 30 Taler stieg, aber dann wieder auf 25 Taler herabfiel. Er setzte in diesem Amte, vornehmlich auch durch den Ankauf vieler Bücher, den größten Teil des durch seines Vaters Tod ihm zugefallenen Vermögens zu; seinen ökonomischen Zustand (von einem Minus von 600 fl.) legt er dem Herrn von Moser (Bd. V, S. 57 f.), wahrscheinlich von ihm aufgefordert, vor; nach ebenda S. 166 f. ist zu schließen, daß Hamann Hilfe bei ihm gefunden hat. Später hilft ihm Herder großmütig aus einer Geldverlegenheit, die ihn sonst genötigt haben würde, seine Bibliothek zu verkaufen. Am Ende des Jahres 1774 muß er wieder als "expedierender Kopist" arbeiten (Bd. V, S. 95, vgl. Bd. IV, S. 242), wo er in einer Schrift an das Publikum auch des Umstandes erwähnt, seinen Monatsgehalt von 750 Düttchen in Scheidemünze ausgezahlt zu erhalten, die von der Post nicht angenommen werde; das Briefporto machte ihm bedeutende Auslagen. Anfang des Jahres 1777 wurde er endlich zum Packhofverwalter ernannt (Bd. V, S. 216 f.); sein Gehalt war derselbe, 300 Rtlr., aber überdem hatte er freie Wohnung und Garten und einen Anteil an den sogenannten Foigeldern, der über 100 Rtlr. betrug, womit er nun "zufrieden und glücklich" zu sein gedachte, "wenn der Neid des Satans nicht die köstliche Salbe der Zufriedenheit verderbet"; die weitläufigen Verdrießlichkeiten über den Garten sind in den Briefen an seinen Freund, den Kapellmeister Reichardt in Berlin, zu lesen, dessen Verwendung er in seinen Amtsverhältnissen, aber freilich fruchtlos, in Anspruch nahm. Auch hatte er den Kummer, jenen Zuschuß aus den Foigeldern zu verlieren, so daß er, nachdem seine Lage zwar durch den Tod seines unglücklichen Bruders, der am Ende des Jahres 1778 endlich erfolgte, und das ihm dadurch zufallende Vermögen desselben etwas erleichtert wurde, sich bei einer zahlreichen Familie, seinem Hang zum Bücherkaufen und beträchtlichen Verlusten beim Verkauf von Häusern, in die er sein Vermögen gesteckt hatte, immer in bedrängten Umständen befand (Bd. V, S. 287: "Das Gemüt voller niedriger, kriechender, irdischer Nahrungssorgen"), die er jedoch durch die Wirtschaftlichkeit, seinen christlichen Mut und eigentümlichen Humor mit der Ruhe und Heiterkeit seiner Art standhaft trug, wobei ihm auch von Freunden manche Unterstützung zuteil wurde. Er bezeugt übrigens öfters, daß die Packhofverwalterstelle der einzige Dienst im Lande gewesen, den er sich gewünscht; nach eines ehemaligen Königlich Preußischen Lizenz-Packhofmeisters Bonmot hätten alle anderen Beamten Eselsarbeit und Zeisigfutter; bei ihm aber sei die einzige Ausnahme, Eselsfutter und Zeisigarbeit zu haben (Bd. V, S. 210). Er hatte wenig oder, nach seinen Ausdrücken, gar nichts zu arbeiten, "im Grunde weder Geschäfte noch Verantwortung" (Bd. VI, S. 193); - mich verderbt eher zuviel Bequemlichkeit, zuviel Ruhe und Muße".
Die Zeit, die er (Bd. VI, S. 218) von 7 Uhr morgens bis 12 Uhr und von 2 bis 6 Uhr abends auf seiner Station zuzubringen hatte, verbrachte er vornehmlich mit Lesen. Diese Lektüre ist durchaus bunt; ohne die Richtung auf einen Zweck, alles nach Zufall durcheinander, daher sie mehr eine üble Wirkung als einen bildenden Einfluß auf seine Schriftstellerei hatte.
Eine ungefähre Liste der Bücher, die er vom Sommer 1781 in seinen Briefen als seine Lektüre anführt, mag als Beispiel dienen: Am 8. April die 54 Bände des Voltaire zu Ende gebracht; nun die 30 ersten Bogen von Kants Kritik der reinen Vernunft; Le procès des trois Rois, Londres 1780; wieder 18 Bogen von Kant; Des Erreurs et de la Vérité; Locke, Über den menschlichen Verstand, Histoire privée de Louis XV; Herders Theologische Briefe usf.; darauf Buffons Histoire des Oiseaux; die Bibliotheca Fratrum Polonorum; Zeltners Historia arcani Cryptosocinianismi Altdorfini usf. Diese Lesesucht konnte um so weniger fruchtbar sein nach dem, was er an Lavater schreibt (im Jahr 1778, Bd. V, S. 280): "Seit langer Zeit genieße ich einen Schriftsteller bloß, solange ich das Buch in der Hand habe. Sobald ich es zumache, fließt alles in meiner Seele zusammen, als wenn mein Gedächtnis Löschpapier wäre."

Unterricht im Griechischen, auch Englischen, Italienischen usf., den er seinen Kindern und zum Teil anderen Bekannten erteilte, Umgang mit Freunden in Königsberg, dem dahin versetzten J. G. Lindner, Hippel, Kant, mit welchen beiden er auf einem bald mehr oder weniger entfernten und, obzwar nicht vertraulichen (die Autorschaft der Lebensläufe [nach aufsteigender Linie] hatte Hippel Hamann nicht nur nicht anvertraut, sondern abgeleugnet), doch auf gutem Fuße stand, und mit einigen anderen, Kreuzfeld, Kraus usf., dann der Briefwechsel mit auswärtigen Freunden und zuletzt Schriftstellerei und sonstiges im Leben Gewöhnliches machten seine übrigen Beschäftigungen aus. 

Die früher ausführlich erzählte Erfahrung hatte ihn endlich davon abgebracht, sich zum Straf- und Bußprediger seiner Freunde aufzuwerfen, und ihn gelehrt, sich auch mit solchen zu vertragen, welchen sein Inneres fremd bleiben mußte; wie die Not ihn dahin gebracht hatte, sich mit einer Stelle und Arbeit zu vertragen, welche gegen seinen Geist und seine Kenntnis ganz und gar heterogen, aber vielleicht eben dadurch angemessener war als jenes Verhältnis, in welchem er bei seinen Freunden in Riga hätte verbleiben können, indem ein ganz äußerliches und stumpfes Geschäft die Hartnäckigkeit seines abstrakten Charakters unangefochten ließ, wohingegen ein Verhältnis von sinnigerer Arbeit und konkreterer Stellung mit Menschen ihm zugemutet hätte, seine Isolierung zu verlassen und sich in verständigere Gemeinsamkeit zu setzen. Wir sehen ihn nun sowohl mit alten Jugendfreunden als mit solchen, welche ihm seine Schriften erwarben, in einem gemütlichen und ruhigen Verhältnis bei der größten Verschiedenheit seiner und ihrer Eigentümlichkeiten; er ist fähig, auch solche wie z. B. Kraus und vollends den Kriegsrat Scheffner, der seine weitgegangene Flachheit in seiner hinterlassenen Biographie noch nach seinem Tode dem Publikum hat wollen vorlegen lassen, im Umgange mit ihm gewähren zu lassen. Es ist dieselbe Erscheinung wie die vorhin bemerkte, daß ihm die fremdartigste Lektüre, deren Inhalt kein Interesse für ihn haben konnte, gegen die Untätigkeit und Langeweile seines amtlichen Vegetierens beschäftigte und unterhielt.

Die Freundschaft war im Verhältnis der Gelehrten und Literatoren der damaligen Zeit eine wichtige Angelegenheit, wie wir aus den vielen Briefwechseln, die seitdem in Druck gekommen sind, ersehen. Die Vergleichung der verschiedenen Arten und Schicksale dieser Freundschaften würde wohl eine interessante Reihe von Charakteristiken liefern können, besonders wenn man diese Briefwechsel mit den gleichfalls zahlreichen Bänden von gedruckten Briefen der französischen Literatoren der damaligen Zeit parallelisieren wollte. Hamanns religiöse Wendung hatte die Gestalt einer abstrakten Innerlichkeit genommen, deren hartnäckige Einfachheit objektive Bestimmungen, Pflichten, theoretische wie praktische Grundsätze nicht als schlechthin wesentlich anerkennt, noch ein letztes Interesse für dieselben hat. Eine Verschiedenheit hierüber, die hiermit allerdings sehr weit gehen kann, kann deswegen die Freundschaft nicht stören, welche aus demselben Grunde meist durch Zufall und subjektive Neigung entstanden ist; ein Hauptzug Hamanns ist daher auch seine Beständigkeit in derselben. Es ist interessant, ihn über seine Vorstellung von der Freundschaft sich erklären zu hören, was er besonders bei dem geschilderten früheren Hauptzwist mit seinen damaligen Freunden vielfach tut. Nach seinem Sinne gelten die heftigsten die leidenschaftlichsten Äußerungen bloß als Prüfungen (Bd. I, S. 391); die Freundschaft ist ihm ein göttliches Geschenk, insofern alles dasjenige, was auf ihre Vernichtung zu zielen scheint, nichts als ihre Läuterung und Bewährung hervorbringt. Sie hat ihm (Bd. I, S. 474) mit Lehren, Unterrichten, Umkehren und Bekehren nichts zu schaffen. Was ist denn das Augenmerk der Freundschaft? fragt er. "Lieben, Empfinden, Leiden. Was wird Liebe, Empfindung, Leidenschaft aber eingeben und einen Freund lehren? Gesichter, Mienen, Verzückungen, Figuren, redende Handlungen, Strategeme, Schwärmerei, Eifersucht, Wut." - Ferner: "Ich würde der niederträchtigste und undankbarste Mensch sein, wenn ich mich durch seine Kaltsinnigkeit (des Freundes), durch sein Mißverständnis, ja selbst durch seine offenbare Feindschaft so bald sollte abschrecken lassen, sein Freund zu bleiben. Unter allen diesen Umständen ist es desto mehr meine Pflicht, standzuhalten und darauf zu warten, bis es ihm gefallen wird, mir sein voriges Vertrauen wieder zu schenken." So behält Hamann dieselben warmen Gesinnungen gegen die Brüder Berens, mit denen er so hart zusammengekommen, sein ganzes Leben bei. So wachen auch in ihm nach Mendelssohns Tod frühere Empfindungen gegen denselben auf, dem der Antritt von seiner (Hamanns) literarischen Laufbahn nicht verächtlich geschienen habe; er überredet sich nach allen Heftigkeiten, in die er gegen denselben explodiert war, dessen Freund geblieben zu sein, und daß er ihn hiervon noch hätte überzeugen können.
- Mit Herder steht er fortdauernd wenigstens in dem (oft sehr geschraubt oder auch persiflierend werdenden) Tone vertraulicher Freundschaft. Bei aller dieser Freundschaft erklärt Hamann einmal Herder (Bd. V, S. 61), was sonst offen genug daliegt, daß beider Gesichtspunkt und Horizont zu entfernt und verschieden sei, um sich über gewisse Dinge vergleichen zu können; er "verdammt" eine der Preisschriften Herders (ebenda S. 77), die diesem sonst viel Ruhm erworben hatte; ja, von dessen Schrift über die Apokalypse schreibt ihm Hamann (Bd. VI, S. 103) vom 29. Okt. 1779, daß dies Buch das erste sei, welches er (Hamann) aus der Fülle des Herzens und Mundes lieben und loben könne; was um so weniger ist, ein je geringeres Verhältnis jene Schrift überhaupt zur Fülle des Herzens und Geistes hat. Es ist ein allgemeiner, aber eben kein Zug des Wohlwollens, daß Hamann gerade durch die Schriften seiner besten Freunde so aufgeregt wird, daß er in Aufsätzen über sie herfällt, die, zum Drucke bestimmt, nach seiner sonstigen Weise mit leidenschaftlicher Heftigkeit und Mutwillen angefüllt, selbst nicht ohne ein Ingrediens sind, das als bitterer Hohn empfunden werden und kränkend sein kann.
Über Herders Preisschrift vom Ursprung der Sprachen hatte Hamann eine kurze Anzeige in der Königsberger Zeitung gemacht, welche sich nicht nur versteckterweise gegen deren Hauptgedanken erklärt; aber er verfaßte auch einen sehr heftigen Aufsatz unter dem Titel Philologische Einfälle und Zweifel usf. (Bd. IV, S. 37 ff.), worin er seine Zweifel in nichts weniger als dahin ausdrückt, ob es dem Verfasser je ein Ernst gewesen, sein Thema zu beweisen oder auch nur zu berühren; die Merkmale zu diesem Zweifel fänden sich darin, daß der ganze Beweis (von dem menschlichen Ursprung der Sprache) aus einem runden Zirkel, ewigen Kreisel und weder verstecktem noch feinem Unsinn zusammengesetzt, auf verborgenen Kräften willkürlicher Namen und gesellschaftlicher Losungswörter oder Lieblingsideen beruhe usf. Diesen Aufsatz enthielt sich Hamann jedoch, drucken zu lassen, nachdem Herder, der davon gehört, ihm den Wunsch, denselben nicht vor das Publikum zu bringen, geäußert hatte.
Ebenso ließ er eine für die Königsberger Zeitung verfertigte Rezension über Kants Kritik der reinen Vernunft und den Aufsatz "Metakritik", auf den wir späterhin zurückkommen werden, wenigstens ungedruckt. Daß Jacobis Schriften in betreff seiner Dissidien mit Mendelssohn, die Briefe über Spinoza usf., auf die sich Jacobi sehr viel zugute tat, vor Hamann keine Gnade fanden, wird noch späterhin berührt werden.

An diese besondere Art von Freundschaft schließt sich das Eigentümliche seiner Frömmigkeit an, - der Grundzug in seiner Schriftstellerei wie in seinem Leben überhaupt, welcher nun näher anzugeben ist. Wir sahen ihn früher in dem religiösen Gefühle seines äußeren und inneren Elends, aber auch bald daraus zur Freudigkeit eines versöhnten Herzens übergegangen, so daß die Qual und Unseligkeit eines Gemüts, das die Entzweiung in die religiösen Forderungen und in das denselben widersprechende Bewußtsein der Sündhaftigkeit perennierend in sich trägt, überwunden war. Aber in dem, was über jene Periode aus seiner Lebensbeschreibung ausgehoben worden ist, und in dem Aufsatze selbst in der breitesten Fülle liegt jene frömmelnde Sprache und der widrige Ton schon ganz fertig vor, welcher noch mehr die Sprache der Heuchelei als der Frömmigkeit zu sein pflegte. Daß er der ersteren verfallen sei, dafür vermehrt sich der Anschein, wenn Hamann, nachdem er sich innerlich von seinen Sünden absolviert hat, nun gegen seine Freunde auf die Anerkenntnis, der größte Sünder zu sein, nicht nur pocht, sondern auch über seine hungernde, bestimmungs- und arbeitsscheue Lebensart ihnen mit dem Pantheismus der unechten Religiosität, daß alles Gottes Wille sei, entgegnet. "
Der Christ", schreibt er an seine Freunde, "tut alles in Gott: essen und trinken, aus einer Stadt in die andere reisen, sich darin ein Jahr aufhalten und handeln und wandeln oder darin stillsitzen und harren" (geht auf seinen Aufenthalt in England), "sind alles göttliche Geschäfte." Es würde ihm nicht gefehlt haben, einen vergnüglichen Kreis von neuen Freunden aufzufinden, mit denen er sich gemeinsam in dem Dunste selbstgefälliger Sündhaftigkeit hätte laben und preisen können. Goethe in seinem Leben erzählt, wie zu jener Zeit "die Stillen im Lande" zu Frankfurt dem Hamann ihre Aufmerksamkeit zuwendeten und mit ihm sich in Verhältnis setzten; wie diese frommen Menschen sich Hamann nach ihrer Weise fromm gedacht und ihn als "den Magus aus Norden" mit Ehrfurcht behandelten, aber bald Ärgernis schon an seinen Wolken und noch mehr an dem Titelblatt zu den Kreuzzügen eines Philologen nahmen, auf welchem das Ziegenprofil eines gehörnten Pan und dann noch ein weiterer satirischer Holzschnitt (die auch in dieser Ausgabe Bd. II, S. 103 u. 134 zu finden sind), ein großer Hahn, Takt gebend jungen Hühnchen, die mit Noten in den Krallen vor ihm standen, sich höchst lächerlich zeigte, worauf sie ihm ihr Mißbehagen zu erkennen gaben, er aber sich von ihnen zurückzog. Hamann würde wohl in seiner Gegend gleichfalls dergleichen neue Freunde haben finden können, und wenn etwa das Naturell seines Bruders, der in Blödsinn endete, eine weitere Wahrscheinlichkeit, daß er die Richtung der Heuchelei verfolgen würde, an die Hand gäbe, so bewahrte ihn hiervor die in seinem Gemüte noch starke und frische Wurzel der Freundschaft, die geniale Lebendigkeit seines Geistes und das edlere Naturell. Jene Wurzel der Freundschaft erlaubte ihm nicht, in ihm selbst unredlich gegen sich und gegen sie zu werden und das Prinzip weltlicher Rechtlichkeit zu verschmähen. Es hatte eines streng positiven Elements, eines harten Keils bedurft, der durch sein Herz getrieben werden mußte, um dessen Hartnäckigkeit zu überwinden; aber es wurde damit nicht getötet, sondern vielmehr dessen energische Lebendigkeit ganz in die Frömmigkeit aufgenommen. Hamann hat darüber ein bestimmtes Bewußtsein, so daß er auch Gott dafür dankt (Bd. I, S. 373), daß er "wunderbarlich gemacht" ist.

In dem oft angeführten Kampfe mit seinen Freunden spricht er vielfach diese Verknüpfung seiner Frömmigkeit und seiner eigentümlichen Lebendigkeit aus; so sagt er (Bd. I, S. 393): 'Wie Paulus an die Korinther in einem so harten und seltsamen Tone geschrieben' (was er mit seinem eigenen Benehmen in Parallele setzt), 'was für ein Gemisch von Leidenschaften habe dieses sowohl in dem Gemüte Pauli als der Korinther zuwege gebracht? Verantwortung, Zorn, Furcht, Verlangen, Eifer, Rache.
- Wenn der natürliche Mensch fünf Sinne habe, so sei der Christ ein Instrument von zehn Saiten und ohne Leidenschaften einem klingenden Erz ähnlicher als einem neuen Menschen.' Diese Frömmigkeit, die so das weltliche Element einer eminenten Genialität zugleich in sich trägt, unterschied sich wesentlich ebensosehr von den Arten einer bornierten pietistischen, süßlichen oder fanatischen Frömmigkeit als auch von der ruhigeren, unbefangeneren Frömmigkeit eines rechtschaffenen Christen und gestattete ferner auch anderen, die nicht zu den "Stillen im Lande" gehörten, mit ihm in Gemeinsamkeit und Anerkennung zu sein.

Der Herr Herausgeber gibt (Vorr. zu Bd. III, S. VI ff.) die in bezug auf Hamann interessante Notiz von einer Schrift die der vieljährige Freund desselben, G. J. Lindner, noch im Jahre 1817 herausgegeben, worin dieser eine Schilderung von Hamann macht und in Beziehung auf seine Religiosität sagt, daß seine bewundernswürdigen, nicht bloß Eigenheiten sondern talentvollen Geisteskräfte die Ursache gewesen, daß derselbe in seiner moralischen und religiösen Denkart schwärmte; er war, ist hinzugefügt, "der strenge Verteidiger der krassesten Orthodoxie". Mit diesem Namen wurde damals dasjenige bezeichnet, was in der protestantischen Kirche die wesentliche Lehre des Christentums war. Der Name der Orthodoxie ist nachher zugleich mit dem Namen der Heterodoxie, welcher letztere den Meinungen der Aufklärung gegeben worden war, verschwunden, seitdem diese Meinungen beinahe aufgehört haben, etwas Abweichendes zu sein, und eher fast die allgemeine Lehre nicht nur der sogenannten rationalistischen, sondern meist selbst der sogenannten exegetischen und namentlich der Gefühlstheologie geworden sind. Hamann war in der für sein Gemüt erlangten Versöhnung sich des objektiven Zusammenhangs dieser Versöhnung wohl bewußt, welcher Zusammenhang die christliche Lehre von der Dreieinigkeit Gottes ist.
Mit Hamanns wie mit dem lutherischen und christlichen Glauben überhaupt kontrastiert es auf das Stärkste, wenn heutigentages Theologen vom Fache noch der christlichen Versöhnungslehre zugetan sein wollen und zugleich leugnen, daß die Lehre von der Dreieinigkeit die Grundlage derselben sei; ohne diese objektive Grundlage kann die Versöhnungslehre nur einen subjektiven Sinn haben. Bei Hamann steht sie fest; in einem Briefe an Herder (Bd. V, S. 242) sagt er: 'Ohne das sogenannte Geheimnis der hl. Dreieinigkeit scheint mir gar kein Unterricht des Christentums möglich zu sein; Anfang und Ende fällt weg.' Er sagt in diesem Zusammenhange von einer Schrift, mit der er damals umging, daß das, was man für die pudenda der Religion hält (eben das von anderen krasse Orthodoxie Genannte), und dann der Aberglaube, selbige zu beschneiden, und die Raserei, sie gar auszuschneiden, der Inhalt dieses Embryos sein werde. Mit der Orthodoxie aber pflegt die fernere Vorstellung verbunden zu sein, daß sie ein Glaube sei, den der Mensch nur als eine tote, dem Geiste oder Herzen äußerliche Formel in sich trage. Hiervon war niemand entfernter als Hamann, so daß sein Glaube vielmehr den Kontrast in sich hatte, bis zur ganz konzentrierten, formlos werdenden Lebendigkeit fortzugehen. Am nachdrücklichsten ist es in dem ausgedrückt, was Jacobi (Auserlesener Briefwechsel, II. Bd., 1827, S. 142) von Hamann in einem "Briefe an F. L. Graf von Stolberg" angibt;
Hamann sagte mir einmal ins Ohr: "Alles Hangen an Worten und buchstäblichen Lehren der Religion wäre Lama-Dienst."
Ins Ohr pflegte sonst Hamann bei seiner Parrhesie eben nicht zu sprechen; allenthalben beweist die geistige Weise seiner Frömmigkeit jene Freiheit von dem Tode der Formeln. Unter vielem anderen mag folgende direktere Stelle aus einem Briefe Hamanns an Lavater vom Jahre 1778 (Bd. V, S. 276) ausgehoben werden; im Gegensatze gegen Lavaters innere Unruhe, Unsicherheit, Durst und äußere Geschäftigkeit, dessen Anstöße in derselben und Plage damit, wie mit seinem Innern selbst, faßt Hamann das Gebot seiner eigenen christlichen Gesinnung so zusammen: "Iß dein Brot mit Freuden, trink deinen Wein mit gutem Mut, denn dein Werk gefällt Gott. Brauche des Lebens mit deinem Weibe, das du lieb hast, solange du das eitle Leben hast, das dir Gott unter der Sonne gegeben hat ... Ihre (Lavaters) Zweifelwelten 1) sind ebenso vergängliche Phänomene wie unser System von Himmel und Erde, alle leidigen Kopier- und Rechnungsmaschinen mit eingeschlossen." Er fügt hinzu: "Ihnen von Grund meiner Seele zu sagen, ist mein ganzes Christentum ein Geschmack an Zeichen und an den Elementen des Wassers, des Brotes des Weins. Hier ist Fülle von Hunger und Durst, - eine Fülle, die nicht bloß, wie das Gesetz, einen Schatten der zukünftigen Güter hat, sondern αυτὴ`ν τη`ν ειϰόνα των πpϱαγμάτων, insofern selbige durch einen Spiegel im Rätsel dargestellt, gegenwärtig und anschaulich gemacht werden können; das τέλειον liegt jenseits." Was Hamann seinen Geschmack an Zeichen nennt, ist, daß ihm alles gegenständlich Vorhandene seiner eigenen inneren und äußeren Zustände wie der Geschichte und der Lehrsätze nur gilt, insofern es vom Geiste gefaßt, zu Geistigem geschaffen wird, so daß dieser göttliche Sinn weder nur Gedanke noch Gebilde einer schwärmenden Phantasie, sondern allein das Wahre ist, das so gegenwärtige Wirklichkeit hat. Es hängt damit zusammen, was der Herr Herausgeber am angeführten Orte noch aus der angeführten Schrift J. G. Lindners aushebt; dieser erzählt dort auch, daß er einst über Hamanns Auslegungen ganz gleichgültiger Stellen der Bibel gegen denselben geäußert habe, daß er (Lindner) mit Hamanns originellem Talente, seinem Proteuswitze, Erde in Gold und Strohhütten in Feenpaläste verwandeln könnte; so wollte er aus dem Schmutze Crébillonscher Romane usf. alles das sublimieren, was Hamann aus jeder Zeile der Bücher der Chroniken, Ruth, Esther usf. glossiere und interpretiere; Hamann habe erwidert: Darauf sind wir angewiesen.
- Indem Hamanns Glaube eine positive Grundlage zur Voraussetzung behielt, so war dieselbe für ihn zwar ein Festes, aber ein Göttliches, weder ein äußerlich vorhandenes Ding (die Hostie der Katholiken), noch eine als buchstäbliches Wort behaltene Lehrformel (wie bei dem Wortglauben der Orthodoxie vorkommt), noch gar ein äußerlich Historisches der Erinnerung; sondern das Positive ist ihm nur Anfang und für die Gestaltung, für Ausdruck und Verbildlichung wesentlich zur belebenden Verwendung. Hamann weiß, daß dies belebende Prinzip wesentlich eigener individueller Geist ist und daß die Aufklärerei, welche sich mit der Autorität des Buchstabens, welchen sie nur erkläre, zu brüsten nicht entblödete, ein falsches Spiel spielte, indem der Sinn, den die Exegese gibt, zugleich verstandener, subjektiver Sinn ist, - welches Subjektive im Sinne aber damals die Verstandesabstraktionen der Wolffischen Schule, welche Vernunft genannt wurden, wie nachher anderer Schulen waren.

So ist Hamanns Christentum eine Energie lebendiger individueller Gegenwart; in der Bestimmtheit des positiven Elements bleibt er der freiste, unabhängigste Geist, daher für das am entferntesten und heterogensten Scheinende wenigstens formell offen, wie oben die Beispiele seiner Lektüre gezeigt haben. So erzählt Jacobi in dem angeführten Briefe an Graf Stolberg auf, daß Hamann gesagt: "Wer den Sokrates unter den Propheten nicht leiden kann, den muß man fragen, wer der Propheten Vater sei und ob sich unser Gott nicht einen Gott der Heiden genannt habe." - Er wird von Bahrdts ausführlichem Lehrgebäude der Religion2) wenigstens für ein paar Tage aufs höchste begeistert, sosehr er ihn als einen "Irrlehrer" kennt, weil "der Mann mit Licht und Leben von der Liebe redet". Hamanns eigene geistige Tiefe hält sich dabei in vollkommen konzentrierter Intensität und gelangt zu keiner Art von Expansion, es sei der Phantasie oder des Gedankens; Gedanke oder schöne Phantasie, welche einen wahrhaften Gehalt bearbeitet und ihm Entfaltung gibt, erteilt demselben eine Gemeinsamkeit und benimmt der Darstellungsweise den Schein derjenigen Absonderlichkeit, welche man sehr häufig allein für Originalität zu nehmen pflegt. Weder Kunstwerke oder etwas der Art noch wissenschaftliche Werke kann die Singularität hervorbringen.

Der schriftstellerische Charakter Hamanns, zu dem wir nun übergehen, bedarf keiner besonderen Darstellung und Beurteilung, indem er ganz nur der Ausdruck der bisher geschilderten persönlichen Eigentümlichkeit ist, über welche derselbe kaum zu einem objektiven Inhalte hinausgeht. Der Herr Herausgeber sagt in seiner treffenden Charakterisierung der Schriften Hamanns (Bd. I, Vorr. S. X), daß sie zur Zeit ihres Erscheinens nur von einer kleinen Zahl mit Achtung und Bewunderung, von den meisten als ungenießbar mit Gleichgültigkeit oder auch als Werke eines Schwärmers mit Verachtung aufgenommen worden seien. Es mag sich wohl bei uns, als bereits einer Nachwelt, jenes beides - das Bewußtsein der Achtung und der Ungenießbarkeit - miteinander verbinden, die Ungenießbarkeit aber noch in einem stärkeren Grade bei uns vorhanden sein als bei den Zeitgenossen, für welche die Menge von Partikularitäten, mit denen die Hamannschen Schriften ausgefüllt sind, noch eher ein Interesse und auch mehr Verständlichkeit haben konnte als für uns.

Die Unfähigkeit Hamanns, ein Buch zu schreiben, ergibt sich aus dem Bisherigen von selbst. Der Herr Herausgeber gibt am angeführten Orte (Bd. I, Vorr. S. VIII) von den zahlreichen Schriften Hamanns an, daß keine über fünf, die meisten nicht über zwei Bogen stark waren. "Ferner: Alle waren durch besondere Veranlassungen hervorgerufen, keineswegs aus eigener Bewegung, noch weniger um Erwerbs willen" (einige Übersetzungen aus dem Französischen, Anzeigen für die Königsberger Zeitung und anderes dergleichen hatte jedoch wohl diesen Zweck) "unternommen; wahre Gelegenheitsschriften, voll Persönlichkeit und Örtlichkeit, voll Beziehung auf gleichzeitige Erscheinungen und Erfahrungen, zugleich aber Anspielungen auf die Bücherwelt, in der er lebte." Die Veranlassung und Tendenz ist sämtlich polemisch; Rezensionen gaben seiner Empfindlichkeit die häufigste Anregung dazu. Was ihn zu seiner ersten Schrift, den Sokratischen Denkwürdigkeiten, antrieb, ist, wie auch das Doppelgesicht derselben, ein persönlicher und auf etliche Personen gerichteter Zweck, und die andere, hiermit halbe und schiefe Richtung gegen das Publikum ist oben bemerkt worden. Sie hatte auch eine gedoppelte Kritik zur Folge, die eine von der Öffentlichkeit her in den Hamburgischen Nachrichten aus dem Reiche der Gelehrsamkeit vom Jahre 1760; die andere war, wie es dem Titel und der Kränkung nach, die Hamann darüber empfand, scheint, eine bittere Erwiderung aus dem Kreise der Bekannten, denen Hamann mit seinen Denkwürdigkeiten imponieren wollte; diese Angriffe veranlaßten Hamann zu weiteren Broschüren.
- Die Kreuzzüge des Philologen vom Jahre 1762, eine Sammlung von einer Menge kleiner, zusammenhängender Aufsätze, deren die meisten teils sehr unbedeutend, darin doch einige Perlen sind, brachten ihn in Beziehung zu den Literatur-Briefen, zu Nicolai und Mendelssohn, welche, besonders der letztere, sein Talent hochachtend, ihn für ihre literarische Wirksamkeit zu gewinnen suchten. Vergeblich! Hamann hätte in solcher Verbindung ebensowohl der Eigentümlichkeit seiner Grundsätze als seiner zufälligen und barocken Art schriftstellerischer Komposition entsagen müssen. Diese Beziehung wurde vielmehr die nähere Veranlassung zu vielfachen Angriffs- und Verteidigungsbroschüren voll partikulären Witzes und rächender Bitterkeiten. Andere Aufregungen erhielt er durch andere Zufälligkeiten, z. B. Klopstocks Orthographie, des berüchtigten (als Katholik und protestantischer Hofprediger in Darmstadt verstorbenen) Starck, mit dem er früher in Verkehr gewesen war (s. den Briefwechsel mit Herder und anderen), Apologie des Freimaurerordens3) usf., Eberhards Apologie des Sokrates4) usf. Auch sein Akziseamt verleitete ihn, einige französische Bogen, unter anderen an Q. Icilius, Guischard, in Druck ausgehen zu lassen; sie drücken seinen Unmut sowohl über seinen kärglichen Gehalt und über seine Not wie über das ganze Akzisesystem und den Urheber desselben, Friedrich II., doch dieses mehr nur verbissen, aus. Keine Wirkung keiner Art, weder bei den Einfluß habenden Individuen noch beim Publikum, konnten dergleichen Aufsätze hervorbringen; die Partikularität des Interesses, der geschraubte, frostige Humor ist hier vollends zu sehr überwiegend und weiter sonst kein Gehalt zu ersehen. Hamann hat sich nicht an die gewöhnliche Bewunderung, die seine Landsleute und seine Mitwelt gegen seinen König, den er spottweise häufig als "Salomon du Nord" bezeichnet, hegten, angeschlossen, noch weniger aber sich dazu erhoben, ihn zu verstehen und zu würdigen; vielmehr ist er gegen ihn nicht über die Empfindung eines deutschen Subalternen im Zollamt, welcher Franzosen zu seinen Vorgesetzten und einen allerdings kärglichen, selbst einigemal noch einer Reduktion ausgesetzten Gehalt hat, und über die Ansicht eines abstrakten Hasses gegen die Aufklärung überhaupt hinausgekommen. Es ist auch bereits bemerkt, daß außer den Schriften von solchen, die seine Gegner waren oder wurden, besonders beinahe auch die jedesmaligen Schriften seiner Freunde eine Veranlassung für ihn zu leidenschaftlichen, harten und bitteren Aufsätzen wurden.
Er ließ sie zwar meist nicht drucken - in der vorliegenden Ausgabe erscheinen mehrere zum ersten Male -, auch enthielt er sich, sie die Freunde, gegen deren Schriften er so losgebrochen war, lesen zu lassen, doch teilte er sie unter der Hand anderen Freunden handschriftlich mit. - Die stärkste Aufregung gab Hamann die berühmte Mendelssohnsche Schrift "Jerusalem oder über religiöse Macht und Judentum"; Hamanns dagegen gerichtete Broschüre "Golgatha und Scheblimini" ist ohne Zweifel das Bedeutendste, was er geschrieben.

Was nun die nähere Angabe des Inhalts der Schriften Hamanns und der Form betrifft, in der er denselben ausgedrückt hat, so wird das Folgende, darüber Auszuhebende mehr Belege des bereits Geschilderten geben als neue Züge. Von dem Gehalte sahen wir schon, daß er das Tiefste der religiösen Wahrheit war, aber so konzentriert gehalten, daß derselbe dem Umfange nach sehr eingeschränkt bleibt. Das Geistreiche der Form gibt dem gedrungenen Gehalte seinen Glanz, und zugleich bringt sie statt einer Ausführung nur eine Ausdehnung hervor, die aus subjektiven Partikularitäten, selbstgefälligen Einfällen und dunklen Schraubereien nebst vielem polternden Schimpfen und fratzenhaften und selbst farbenhaften Ingredienzien zusammengesetzt ist, mit denen er sich selbst wohl Spaß machen, die aber weder die Freunde, noch [und] viel weniger das Publikum vergnügen oder interessieren konnten.

Wie er sich seinen Beruf vorstellte, drückt er in folgendem schönen Bilde aus (Bd. I, S. 397): "Eine Lilie im Tal, und den Geruch des Erkenntnisses verborgen auszuduften, wird immer der Stolz sein, der im Grunde des Herzens und in dem inneren Menschen am meisten glühen soll." Unmittelbar vorher hatte er sich mit der prophetisierenden Eselin Bileams verglichen. In einem Briefe an Herrn von Moser (Bd. V, S. 48) führt er das früher angeführte Parallelisieren seines Berufs mit dem des Sokrates weiter so aus:
"Des Sokrates Beruf, die Moral aus dem Olymp auf die Erde zu verpflanzen und ein delphisches Orakelsprüchlein" (der Selbsterkenntnis) "in praktischen Augenschein zu setzen, kommt mit dem meinigen darin überein, daß ich ein höheres Heiligtum auf eine analogische Art zu entweihen und gemein zu machen gesucht, zum gerechten Ärgernis unserer Lügen-, Schau- und Mautpropheten" (wohl Maulpropheten); "alle meine Opuscula machen zusammengenommen ein Alkibiadisches Gehäus aus" (Anspielung auf die Vergleichung mit den Silenenbildern). Jedermann hat sich über die Façon des Satzes oder Plans aufgehalten und niemand an die alten Reliquien des Kleinen lutherischen Katechismus gedacht, dessen Schmack und Kraft allein dem Papst- und Türkenmord jedes Äons gewachsen ist und bleiben wird". Dasselbe besagt der Titel seiner Schrift "Golgatha und Scheblimini" (Bd. VII, S. 125 ff); jenes, wie er ihn erklärt, der Hügel, auf dem das Holz des Kreuzes, das Panier des Christentums, gepflanzt worden; was Scheblimini heiße, erfährt man dort auch gelegentlich: es sei ein kabbalistischer Name, den "Luther, der deutsche Elias und Erneuerer des durch das Messen- und Mäusimgewand der babylonischen Baal entstellten Christentums ... dem Schutzgeiste seiner Reformation" gegeben; "reine Schattenbilder des Christentums und Luthertums ... , welche, wie der Cherubim, zu beiden Enden des Gnadenstuhls das verborgene Zeugnis meiner Autorschaft und ihrer Bundeslade bedeckten vor den Augen der Samariter, der Philister und des tollen Pöbels zu Sichem". Dieses Christentum mit ebenso tiefer Innigkeit als glänzender geistreicher Energie auszusprechen und dasselbe gegen die Aufklärer zu behaupten, macht den gediegenen Inhalt der Hamannschen Schriften aus. In dem Angeführten springen auch die Mängel der "Façon" hervor, welche seinen Zweck mehr oder weniger "verbargen", d. h. nicht zur ausgeführten und fruchtbringenderen Manifestation kommen lassen. Über die Eigentümlichkeit seines Christentums faßt folgende Stelle (aus Golgatha und Scheblimini, Bd. VII, S. 58) aufs Bestimmteste alles zusammen: "Unglaube im eigentlichsten historischen Wortverstande ist die einzige Sünde gegen den Geist der wahren Religion, deren Herz im Himmel und ihr Himmel im Herzen ist. Nicht in Diensten, Opfern und Gelübden, die Gott von den Menschen fordert, besteht das Geheimnis der christlichen Gottseligkeit, sondern vielmehr in Verheißungen, Erfüllungen und Aufopferungen, die Gott zum Besten der Menschen getan und geleistet; nicht im vornehmsten und größten Gebot, das er aufgelegt, sondern im höchsten Gute, das er geschenkt hat; nicht in Gesetzgebung und Sittenlehre, die bloß menschliche Gesinnungen und menschliche Handlungen betreffen, sondern in Ausführung göttlicher Taten, Werke und Anstalten zum Heil der ganzen Welt. Dogmatik und Kirchenrecht gehören lediglich zu den öffentlichen Erziehungs- und Verwaltungsanstalten, sind als solche obrigkeitlicher Willkür unterworfen ... Diese sichtbaren, öffentlichen, gemeinen Anstalten sind weder Religion noch Weisheit, die von oben herabkommt, sondern irdisch, menschlich und teuflisch nach dem Einfluß welscher Kardinäle oder welscher Ciceroni, poetischer Beichtväter oder prosaischer Bauchpfaffen und nach dem abwechselnden System des statistischen Gleich- und Übergewichts oder bewaffneter Toleranz und Neutralität." Man sieht, daß für Hamann das Christentum nur eine solche einfache Präsenz hat, daß ihm weder Moral, das Gebot der Liebe als Gebot, noch Dogmatik, die Lehre und der Glaube an Lehre, noch Kirche wesentliche Bestimmungen sind; alles dahin Bezügliche sieht er für menschlich, irdisch an, so sehr, daß es nach Befund der Umstände sogar teuflisch sein könne. Hamann hat ganz und gar verkannt, daß die lebendige Wirklichkeit des göttlichen Geistes sich nicht in dieser Kontraktion hält, sondern die Ausführung seiner zu einer Welt und eine Schöpfung und dies nur ist durch Hervorbringen von Unterscheidungen, deren Beschränkung freilich, aber ebensosehr auch ihr Recht und ihre Notwendigkeit im Leben des darin endlichen Geistes anerkannt werden muß. In den Schriften Hamanns können es daher nur einzelne Stellen sein, welche einen, und zwar jenen angegebenen Gehalt haben; eine Auswahl derselben würde wohl eine schöne Sammlung geben und vielleicht als das Zweckmäßigste erscheinen, was dafür geschehen könnte, um dem wirklich Wertvollen Eingang bei einem größeren Publikum zu verschaffen. Immer aber würde es Schwierigkeiten haben, Stellen so auszuheben, daß sie von den üblen Ingredienzien, mit denen die Schreibart Hamanns allenthalben behaftet ist, gereinigt wären.

Was unter den Gegenständen, auf welche Hamann zu sprechen kommt, herauszuheben weiteres Interesse hat, ist sein Verhältnis zur Philosophie und seine Ansicht derselben. Er muß sich schon deswegen darauf einlassen, weil das theologische Treiben seiner Zeit ohnehin unmittelbar mit der Philosophie und zunächst mit der Wolffischen zusammenhängt. Jedoch war seine Zeit noch so weit entfernt, in den religiösen Dogmen selbst einen spekulativen Inhalt über die historische Gestaltung hinaus im Innern derselben zu ahnen, worauf am frühsten Kirchenväter schon und dann die Doktoren des Mittelalters neben dem abstrakten historischen Gesichtspunkte sich gewendet hatten, daß Hamann keine Aufregung zu solcher Betrachtung weder von außen, noch weniger in sich selbst fand. Die beiden Schriften vornehmlich, die Hamann veranlaßten, über philosophische Gegenstände zu sprechen, sind Mendelssohns Jerusalem und Kants Kritik der reinen Vernunft. Es ist hier wundervoll zu sehen, wie in Hamann die konkrete Idee gärt und sich gegen die Trennungen der Reflexion kehrt, wie er diesen die wahrhafte Bestimmung entgegenhält. Mendelssohn schickt die Wolffischen Grundsätze des Naturrechts seiner Abhandlung, um das Verhältnis der Religion und des Staats zu begründen, voraus. Er trägt die sonst gewöhnlichen Unterscheidungen von vollkommenen und unvollkommenen Pflichten oder Zwangs- und Wohlwollens-Gewissenspflichten, von Handlungen und Gesinnungen vor; zu beiden werde der Mensch durch Gründe geleitet, zu jenen durch Bewegungsgründe, zu diesen durch Wahrheitsgründe. Der Staat begnüge sich allenfalls mit toten Handlungen, mit Werken ohne Geist; aber auch der Staat könne der Gesinnungen nicht entbehren; daß Grundsätze in Gesinnungen und Sitten verwandelt werden, dazu soll die Religion dem Staate zu Hilfe kommen und die Kirche eine Stütze der bürgerlichen Gesellschaft werden; die Kirche dürfe jedoch keine Regierungsform haben usf. Das tieferblickende Genie Hamanns ist darin anzuerkennen, daß er jene Wolffischen Bestimmungen mit Recht nur als einen Aufwand betrachtet (Bd. VII, S. 26), "um ein kümmerliches Recht der Natur aufzuführen, das kaum der Rede wert ist und weder dem Stande der Gesellschaft noch der Sache des Judentums anpaßt"! Ferner urgiert er gegen die angeführten Unterscheidungen sehr richtig (S. 39), daß Handlungen ohne Gesinnungen und Gesinnungen ohne Handlungen eine Halbierung ganzer und lebendiger Pflichten in zwei tote Hälften sind; alsdann daß, wenn Bewegungsgründe keine Wahrheitsgründe mehr sein dürfen und Wahrheitsgründe zu Bewegungsgründen weiter nicht taugen, alle göttliche und menschliche Einheit aufhört in Gesinnungen und Handlungen usf. So fruchtbar an sich die wahrhaften Prinzipien sind, an denen Hamann gegen die Trennungen des Verstandes festhält, so kann es bei ihm nicht zur Entwicklung derselben kommen, noch weniger zu dem Schwereren, was aber das wahre Interesse der Untersuchung wäre, mit der Bewährung der höheren Prinzipien die Sphäre zugleich zu bestimmen und zu rechtfertigen, in welcher die formalen Unterscheidungen von sogenannten Zwangs- und Gewissenspflichten usf. eintreten müssen und ihr Gelten haben. Was Hamann festhält, macht wohl das Wesen des Rechts und der Sittlichkeit, die Substanz der Gesellschaft und des Staats aus, und die Bestimmungen von Zwangspflichten und von unvollkommenen Pflichten, von Handeln ohne Gesinnung, von Gesinnung ohne Handlungen zu den Prinzipien des Rechts, der Sittlichkeit, des Staats zu machen, bringt nur jenen bekannten Formalismus von vormaligem Naturrecht und die Oberflächlichkeiten eines abstrakten Staates hervor; aber ebenso wesentlich müssen auch die untergeordneten Kategorien für ihre Stelle anerkannt werden, und so unüberwindlich ist und bleibt die Überzeugung von ihrer Notwendigkeit und ihrem Werte. Es hat daher keine wahrhafte Wirkung, nur jene Wahrheit zu behaupten und diese Kategorien überhaupt nur zu verwerfen; solches Verfahren muß als leere Deklamation erscheinen. Daß Hamann die Trennung der Wahrheitsgründe von den Bewegungsgründen verwirft, verdient darum besonders ausgezeichnet zu werden, weil dies auch die neueren Vorstellungen trifft, nach welchen Sittlichkeit und Religion nicht auf Wahrheit, sondern nur auf Gefühle und subjektive Notwendigkeiten gegründet werden.

Der andere Fall, dessen wir noch erwähnen wollen, wo Hamann sich auf Gedanken einläßt, ist in dem Aufsatze gegen Kant, der Metakritik über den Purismum der reinen Vernunft geschehen (im VII. Bande), - nur sieben Blätter, aber sehr merkwürdig. Man hat (Rink in Mancherlei zur Geschichte der metakritischen Invasion, 1800) diesen Aufsatz bereits ans Licht gezogen, um darin die Quelle nachzuweisen, aus welcher Herder seine mit großem Dünkel aufgetretene und mit gerechter Herabwürdigung aufgenommene, nun längst vergessene Metakritik geschöpft habe, die, wie die Vergleichung ergibt, mit dem geistreichen Aufsatze Hamanns nur den Titel gemein hat. Hamann stellt sich in die Mitte des Problems der Vernunft und trägt die Auflösung desselben vor; er faßt diese aber in der Gestalt der Sprache. Wir geben mit dem Gedanken Hamanns auch ein weiteres Beispiel seines Vortrags. - Er beginnt damit, historische Standpunkte der Reinigung der Philosophie anzugeben, wovon der erste der teils mißverstandene, teils mißlungene Versuch gewesen sei, die Vernunft von aller Überlieferung, Tradition und Glauben daran unabhängig zu machen; die zweite, noch transzendentere Reinigung sei auf nichts weniger hinausgelaufen als eine Unabhängigkeit von der Erfahrung und ihrer alltäglichen Induktion. Der dritte, höchste und gleichsam empirische Purismus betreffe also (?!) noch die Sprache, das einzige, erste und letzte Organon und Kriterion der Vernunft (S. 6), und nun sagt er: "Rezeptivität der Sprache und Spontaneität der Begriffe! Aus dieser doppelten Quelle der Zweideutigkeit schöpft die reine Vernunft alle Elemente ihrer Rechthaberei, Zweifelsucht und Kunstrichterschaft, erzeugt durch eine ebenso willkürliche Analysis als Synthesis des dreimal alten Sauerteigs neue Phänomene und Meteore des wandelbaren Horizonts, schafft Zeichen und Wunder mit dem Allhervorbringer und Zerstörer, dem merkurialischen Zauberstabe ihres Mundes oder dem gespaltenen Gänsekiel zwischen den drei syllogistischen Schreibefingern ihrer herkulischen Faust ... " Hamann zieht auf die Metaphysik mit seinen ferneren Versicherungen los (S. 8), daß sie "alle Wortzeichen und Redefiguren unserer empirischen Erkenntnis zu lauter Hieroglyphen und Typen mißbraucht; sie verarbeitet durch diesen gelehrten Unfug die Biederkeit der Sprache in ein so sinnloses, läufiges, unstetes, unbestimmbares Etwas = x, daß nichts als ein windiges Sausen, ein magisches Schattenspiel, höchstens, wie der weise (?) Helvetius sagt, der Talisman und Rosenkranz eines transzendentalen Aberglaubens an entia rationis, ihre leeren Schläuche und Losung übrigbleibt". Unter solchen Expektorationen behauptet Hamann nun weiter, das ganze Vermögen zu denken beruhe auf Sprache, wenn sie "auch der Mittelpunkt des Mißverstandes der Vernunft mit ihr selbst" sei. "Laute und Buchstaben sind also (!?) reine Formen a priori, in denen nichts, was zur Empfindung oder zum Begriff eines Gegenstandes gehört, angetroffen wird, und die wahren ästhetischen Elemente aller menschlichen Erkenntnis und Vernunft." Nun erklärt er sich gegen die Kantische Trennung der Sinnlichkeit und des Verstandes, als welche Stämme der Erkenntnis aus einer Wurzel entspringen, als gegen eine gewalttätige, unbefugte, eigensinnige Scheidung dessen, was die Natur zusammengefügt. Vielleicht, fügt Hamann hinzu, gebe es "annoch einen chymischen Baum der Diana nicht nur zur Erkenntnis der Sinnlichkeit und des Verstandes, sondern auch zur Erläuterung und Erweiterung beiderseitiger Gebiete und ihrer Grenzen". In der Tat kann es in dem Sinne der Wissenschaft allein um die eine entwickelte Erkenntnis, was Hamann den Dianenbaum nennt, zu tun sein, und zwar so, daß dieser zugleich selbst der Prüfstein der Grundsätze sein muß, welche als Wurzel der denkenden Vernunft behauptet werden sollen; weder dem Belieben und der Willkür noch der Inspiration kann die Angabe und die Bestimmung dieser Wurzel anheimgestellt werden; nur ihre Explikation macht ihren Gehalt wie ihren Beweis aus. Einstweilen, fährt Hamann fort, "ohne auf den Besuch eines neuen ... Luzifers zu warten, noch mich an dem Feigenbaum der großen Göttin Diana zu vergreifen, gibt uns die schlechte Busenschlange der gemeinen Volkssprache das schönste Gleichnis für die hypostatische Vereinigung der sinnlichen und verständlichen Naturen, den gemeinschaftlichen Idiomenwechsel ihrer Kräfte, die synthetischen Geheimnisse beider korrespondierenden und sich widerstreitenden Gestalten a priori und a posteriori, samt" (ist der Übergang zu der anderen Seite, daß die Sprache auch der Mittelpunkt des Mißverstands der Vernunft mit ihr selbst sei) "der Transsubstantiation subjektiver Bedingungen und Subsumtionen in objektive Prädikate und Attribute", und dies "durch die copulam eines Macht- oder Flickworts", und zwar "zur Verkürzung der Langeweile und Ausfüllung des leeren Raums im periodischen Galimathias per thesin und antithesin" (Anspielung auf die Kantischen Antinomien). Nun ruft er aus: "O um die Handlung eines Demosthenes" (Hamann selbst war, wie erwähnt, von schwerer Zunge) "und seine dreieinige (?) Energie der Beredsamkeit oder die noch kommen sollende Mimik, ... so würde ich dem Leser die Augen öffnen, daß er vielleicht sähe Heere von Anschauungen in die Feste des reinen Verstandes hinauf- und Heere von Begriffen in den tiefen Abgrund der fühlbarsten Sinnlichkeit herabsteigen, auf einer Leiter, die kein Schlafender sich träumen läßt, und den Reihentanz dieser Mahanaim oder zweier Vernunftheere, die geheime und ärgerliche Chronik ihrer Buhlschaft und Notzucht und die ganze Theogonie aller Riesen- und Heldenformen der Sulamith und Muse, in der Mythologie des Lichts und der Finsternis, bis auf das Formenspiel einer alten Baubo mit ihr selbst -inaudita specie solaminis, wie der heilige Arnobius sagt -und einer neuen unbefleckten Jungfrau, die aber keine Mutter Gottes sein mag, wofür sie der heilige Anselmus hielt."

Nach diesen ebenso großartigen als höchst barocken Expektorationen seines gründlichen Unwillens gegen die Abstraktion wie gegen die Vermischung der beiden Seiten des Gegensatzes und gegen deren Produkte geht Hamann zur näheren Bestimmung dessen über, was für ihn das konkrete Prinzip ist. Mit einem Also und Folglich, die zum Vorhergehenden eben kein solches Verhältnis haben, gibt er als die Natur der Wörter an, daß sie als Sichtliches und Lautbares zur Sinnlichkeit und Anschauung, aber nach dem Geiste ihrer Einsetzung und Bedeutung zum Verstande und zu den Begriffen gehören, sowohl reine und empirische Anschauungen als auch reine und empirische Begriffe seien. Was er jedoch hieran weiter knüpft, scheint nur etwas gemein Psychologisches zu sein. Nun ist sein Urteil über den kritischen Idealismus zuletzt dies, daß die von demselben behauptete Möglichkeit, "die Form einer empirischen Anschauung ohne Gegenstand noch Zeichen aus der reinen und leeren Eigenschaft unseres äußeren und inneren Gemüts herauszuschöpfen, das Δός μοι πpου σsτω und πpϱωτον ψευδος, der ganze Eckstein des kritischen Idealismus und seines Turm- und Logenbaues der reinen Vernunft" sei. Er überlasse dem Leser, wie er im Gleichnis der Sprache die Transzendentalphilosophie vorgestellt, die geballte Faust in eine flache Hand zu entfalten". Zu dem Angeführten nehmen wir noch eine Stelle aus einem Briefe an Herder (Bd. VI, S. 183); nachdem er gesagt, daß ihm das transzendentale Geschwätz der Kantischen Kritik am Ende alles auf Schulfüchserei und Wortkram hinauszulaufen scheine und daß ihm nichts leichter vorkomme als der Sprung von einem Extrem ins andere, wünscht er Giordano Brunos Schrift De Uno aufzutreiben, worin dessen principium coincidentiae erklärt sei, das ihm (Hamann) jahrelang im Sinne liege, ohne daß er es weder vergessen noch verstehen könne; diese Koinzidenz scheine immer der einzige zureichende Grund aller Widersprüche und der wahre Prozeß ihrer Auflösung und Schlichtung, um aller Fehde der gesunden Vernunft und reinen Unvernunft ein Ende zu machen. Man sieht, daß die Idee, das Koinzidieren, welche den Gehalt der Philosophie ausmacht und oben in Beziehung auf seine Theologie, auch auf seinen Charakter schon besprochen worden und von ihm an der Sprache gleichnisweise vorstellig gemacht werden sollte, dem Geiste Hamanns auf eine ganz feste Weise vorsteht; daß er aber nur die "geballte Faust" gemacht und das Weitere, für die Wissenschaft allein Verdienstliche, "sie in eine flache Hand zu entfalten", dem Leser überlassen habe. Hamann hat sich seinerseits die Mühe nicht gegeben, welche, wenn man so sagen könnte, sich Gott, freilich in höherem Sinne, gegeben hat, den geballten Kern der Wahrheit, der er ist (alte Philosophen sagten von Gott, daß er eine runde Kugel sei), in der Wirklichkeit zu einem Systeme der Natur, zu einem Systeme des Staats, der Rechtlichkeit und Sittlichkeit, zum Systeme der Weltgeschichte zu entfalten, zu einer offenen Hand, deren Finger ausgestreckt sind, um des Menschen Geist damit zu erfassen und zu sich zu ziehen, welcher ebenso nicht eine nur abstruse Intelligenz, ein dumpfes konzentriertes Weben in sich selbst, nicht nur ein Fühlen und Praktizieren ist, sondern ein entfaltetes System einer intelligenten Organisation, dessen formelle Spitze das Denken ist, d. i. seiner Natur nach die Fähigkeit, über die Oberfläche der göttlichen Entfaltung zuerst hinaus oder vielmehr in sie, durch Nachdenken über sie, hineinzugehen und dann daselbst die göttliche Entfaltung nachzudenken: eine Mühe, welche die Bestimmung des denkenden Geistes an und für sich und die ausdrückliche Pflicht desselben ist, seitdem Er sich selbst seiner geballten Kugelgestalt abgetan und sich zum offenbaren Gott gemacht, - was er ist, dies und nichts anderes, und damit auch und nur damit die Beziehung der Natur und des Geistes geoffenbart hat.

Aus den obigen Urteilen Hamanns über die Kantische Kritik und den mannigfaltigsten Äußerungen seiner Schriften und Begriffe wie aus seiner ganzen Eigentümlichkeit geht vielmehr hervor, daß seinem Geiste das Bedürfnis der Wissenschaftlichkeit überhaupt, das Bedürfnis, des Gehaltes sich im Denken bewußt zu werden und ihn in demselben sich entwickeln zu sehen und ihn ebensosehr hiermit in dieser Form zu bewähren, als das Denken für sich zu befriedigen, ganz ferne lag. Die Aufklärung, welche Hamann bekämpft, dieses Aufstreben, das Denken und dessen Freiheit in allen Interessen des Geistes geltend zu machen, wird, so wie die von Kant durchgeführte, wenn [auch] zunächst nur formelle Freiheit des Gedankens, ganz nur von ihm übersehen, und ob ihm gleich mit Recht die Gestaltungen, zu welchen es dieses Denken nur brachte, nicht genügen konnten, so poltert er ganz nur so, um das Wort zu sagen, ins Gelag und ins Blaue hinein gegen das Denken und die Vernunft überhaupt, welche allein das wahrhafte Mittel jener gewußten Entfaltung der Wahrheit und des Erwachsens derselben zum Dianenbaume sein können. Er muß so auch noch mehr dies übersehen, daß seine, obgleich orthodoxe Konzentration, die bei der intensiven subjektiven Einheit festblieb, in dem negativen Resultate mit dem, was er bekämpfte, übereinkam, alle weitere Entfaltung von Lehren der Wahrheit und deren Glauben als Lehren, ja von sittlichen Geboten und rechtlichen Pflichten, für gleichgültig anzusehen. 

Es sind nun aber noch die sonstigen Ingredienzien näher zu erwähnen, mit denen der große Grundgehalt von Hamann ausstaffiert und viel mehr verunziert und verdunkelt als geschmückt und verdeutlicht wird. Die Unverständlichkeit der Hamannschen Schriften, insofern sie sich nicht auf den aufgezeigten Gehalt, der freilich überdem für viele unverständlich bleibt, bezieht, sondern die Formierung desselben betrifft, ist für sich unerfreulich, aber sie wird es noch mehr dadurch, daß sie sich beim Leser mit dem widrigen Eindrucke der Absichtlichkeit unausweichlich verbindet. Man fühlt seine ursprüngliche Widerborstigkeit hier als eine feindselige Empfindung Hamanns gegen das Publikum, für das er schreibt; indem er in dem Leser ein tiefes Interesse angesprochen und so sich mit ihm in Gemeinschaft gesetzt hat, stößt er ihn unmittelbar durch eine Fratze, Farce oder ein Schimpfen, das durch den Gebrauch von biblischen Ausdrücken eben nichts Besseres wird, oder irgendeinen Hohn und Mystifikation wieder von sich und vernichtet auf eine gehässige Weise die Teilnahme, die er erweckt, oder erschwert sie wenigstens und häufig auf unüberwindliche Weise, indem er barocke, ganz entfernt liegende Ausdrücke hinwirft oder vielmehr zusammenschraubt und den Leser vollends damit zu mystifizieren meint, daß darunter nur ganz platte Partikularitäten verborgen sind, wo er den Schein oder die Erwartung einer tiefsinnigen Bedeutung erweckt hatte. Viele von solchen Anspielungen gesteht Hamann auf die Anfragen von Freunden, die ihn um Erläuterung ersuchen, nicht mehr zu verstehen. Die damalige Rezensierliteratur aus den fünfziger und folgenden Jahren des vorigen Jahrhunderts, Hamburger Nachrichten von gelehrten Sachen, Allgemeine Deutsche Bibliothek, Literaturbriefe, eine Menge anderer längst vergessener obskurer Blätter und Schriften müßten durchstudiert werden, um den Sinn vieler Ausdrücke Hamanns wieder aufzufinden; eine um so mehr undankbare und unfruchtbare Arbeit, als sie in den meisten Fällen auch äußerlich erfolglos sein würde. Der Herr Herausgeber selbst, indem er in einem achten Bande Erläuterungen verspricht (Bd. I, Vorr. S. XIII), muß hinzufügen, daß sie nur eine sehr mäßige Erwartung befriedigen werden. Es bedürften die meisten oder sämtlichen Schriften Hamanns eines Kommentars, der dickleibiger werden könnte als sie selbst. Man muß hierüber dem beistimmen, was schon Mendelssohn (in den Literaturbriefen XV. Teil, Bd. II, S. 479 von Hamann auf eine farcenhafte Weise kommentiert) darüber sagt: "Noch überwindet sich mancher, die düsteren Irrwege einer unterirdischen Höhle durchzureisen, wenn er am Ende erhabene und wichtige Geheimnisse erfahren kann; wenn man aber von der Mühe, einen dunklen Schriftsteller zu enträtseln, nichts als Einfälle zur Ausbeute hoffen darf, so bleibt der Schriftsteller wohl ungelesen."
Der Briefwechsel gibt Erläuterungen über mehrere ganz partikuläre Anspielungen, wovon die Ausbeute oft nur allzu frostige Einfälle sind. Wenn man Lust hat, sehe man über velo veli Dei (Bd. IV, S. 187) die Aufklärung (Bd. V, S. 104) nach; oder über den Mamamuschi von drei Federn (Bd. IV, Teil I, S. 199); der Name sei aus dem Gentilhomme bourgeois des Molière genommen, und nicht ein Bassa von drei Roßschweifen, sondern ein Zeitungsschreiber seines Verlegers und Papiermüllers in Trutenau verstanden; ein anderer Mamamuschi kommt (Bd. IV, S. 133) vor in dem Zusammenhange, daß Hamann auf seine Art seine Angelegenheiten in ein Schriftchen, "Die Apologie des Buchstabens H.", hineinbringt und hier von sich erzählt, daß er (s. oben in seinem Lebenslauf) auf zwei Kanzleien einen Monat und sechs Monate umsonst gedient und vor überlegener Konkurrenz invalider Schuhputzer und Brotdiebe (Hamanns eigene Befähigung zu einem Amte und seine Amtsführung hat sich aus dem früher Erzählten ergeben) nicht ein ehrlicher Torschreiber habe werden können und jetzt ein der Jugend wahres Bestes suchender Schulmeister, und dies venerabler sei, als ein wohlbestellter Landplacker, Stutenmäkler und Jordan Mamamuschi von drei Schlafmützen ohne Kopf, außer zur Geldfüchserei, zu sein; diese drei Schlafmützen bedeuten - wen? die drei "königl. Kammern zu Königsberg, Gumbinnen und Marienwerder"! Hamann hatte freilich um so mehr Ursache, seine Satire auf königliche Behörden zu verstecken, als er sich gerade damals bei einer solchen um eine Anstellung bewarb. - Noch eine dergleichen Mystifikation führen wir aus Golgatha und Scheblimini an, einer Schrift, deren Gehalt wohl verdient hätte, reiner von Farcenhaftigkeit gehalten zu werden. Indem Hamann (Bd. VII, S. 31 ff.) die Vorstellung des gesellschaftlichen Vertrags betrachtet, die in den damaligen wie noch jetzt in den meisten Theorien des Naturrechts und Staats herrschend ist und sehr richtig die schlechte Voraussetzung, die daraus für das Staatsleben genommen worden, erkennt, nämlich die der Absolutheit des zufälligen, partikulären Willens, setzt er diesem Prinzip den an und für sich allgemeinen göttlichen Willen entgegen und macht vielmehr das Verpflichtetsein des partikulären Willens und die Unterwürfigkeit desselben unter jene Gesetze der Gerechtigkeit und Weisheit zum wahrhaften Verhältnis. Vom Ich des partikulären Willens führt ihn die Konsequenz auf den Gedanken des monarchischen Prinzips, aber seine gedrückte Akzise-Existenz macht ihm dasselbe sogleich zur Farce: "Für keinen Salomo, ... Nebukadnezar, ... nur für einen Nimrod im Stande der Natur würde es sich ziemen, mit dem Nachdruck einer gehörnten Stirn auszurufen: 'Mir und mir allein kommt das Entscheidungsrecht zu, ob, und wieviel, wem, wann ... ich zum Wohltun' (er hätte selbst hinzusetzen können: zum Recht) 'verbunden bin.' Ist aber das Ich, selbst im Stande der Natur, so ungerecht und unbescheiden und hat jeder Mensch ein gleiches Recht zum Mir und Mir allein, so lasset uns fröhlich sein über dem Wir von Gottes Gnaden und dankbar für die Brosamen, die ihre Jagd- und Schoßhunde, Windspiele und Bärenbeißer unmündigen Waisen übriglassen. 'Siehe, er schluckt in sich den Strom, und acht's nicht groß, lässet sich dünken, er wolle den Jordan mit seinem Munde ausschöpfen.' (Hiob 40, 18) Wer thar (sic!)5) ihn zwingen, armen Erntern ein Trinkgeld hinzuwerfen! Wer thar ihm wehren, die Pfui! Pfui! armer Sünder einzuverleiben!" Wer wird ausfinden, daß nach Hamanns Erläuterung, die er in einem Briefe an Herder machte, unter den "Pfui! Pfui! armer Sünder" die früher angeführten Foigelder der Akzisebeamten zu verstehen seien, welche von Friedrich II. zur Akzisekasse eingezogen wurden und deren für Hamann sehr empfindlicher Verlust in seinen Briefen sehr häufig erwähnt wird. Goethe (Aus meinem Leben, III. T., S. 110) spricht von der schriftstellerischen Manier Hamanns; unter seiner Sammlung, erzählt er, befinden sich einige der gedruckten Bogen Hamanns, wo dieser an dem Rande eigenhändig die Stellen zitiert hat, auf die sich seine Andeutungen beziehen; schlägt man sie auf, fügt Goethe hinzu, so gibt es abermals ein zweideutiges Doppellicht, das uns höchst angenehm erscheint, nur muß man durchaus auf das Verzicht tun, was man Verstehen nennt; Goethe führt dort an, daß er selbst sich zu solchem sibyllinischen Stil durch Hamann habe verleiten lassen; wir wissen, wie sehr er davon zurückgenommen und wie er namentlich den noch anzuführenden Gegensatz von Genie und Geschmack, in dem er ebenso mit der ganzen energischen Parrhesie seines Geistes zuerst aufgetreten, überwunden hat.

In der Weise des letzteren Gegensatzes, der damals an der Tagesordnung war, faßte Mendelssohn in den Literaturbriefen sein Urteil über Hamann ab, dessen ganzer schriftstellerischer Charakter zu auffallend ist, um nicht von den Besonneneren seiner Zeitgenossen richtig genommen worden zu sein: "Man erkennt das Genie in Hamanns Schriften, aber vermißt Geschmack in denselben", - eine Kategorie, die sonst gültig und erlaubt war, aber heutigentages aus der deutschen Kritik mehr oder weniger verbannt ist; Geschmack von einer Schrift zu verlangen, würde als eine wenigstens befremdende Forderung erscheinen. Hamann selbst erklärt bereits diese Kategorie für "ein Kalb, das ... das Gemächte eines Originals (wohl Voltaires) und ehebrecherischen Volks" sei. Mendelssohn findet in Hamann einen Schriftsteller, der eine feine Beurteilungskraft besitze, viel gelesen und verdaut habe, Funken von Genie zeige und den Kern und Nachdruck der deutschen Sprache in seiner Gewalt habe, der so einer unserer besten Schriftsteller hätte werden können, der aber durch die Begierde, ein Original zu sein, verführt einer der tadelhaftesten geworden sei. In partikuläre Subjektivität abgeschlossen, in welcher das Genie Hamanns nicht zur denkenden oder künstlerischen Form gedieh, konnte es nur zum Humor werden, und noch unglücklicher zu einem mit zu viel Widrigem versetzten Humor. Der Humor für sich ist seiner subjektiven Natur nach zu sehr auf dem Sprunge, in Selbstgefälligkeit, subjektive Partikularitäten und trivialen Inhalt überzugehen, wenn er nicht von einer gut gearteten und gut gezogenen großen Seele beherrscht wird. In Hamanns Mitbürger, Geistesverwandten und vieljährigem Bekannten oder auch Freunde, Hippel, der wohl ohne Widerspruch der vorzüglichste deutsche Humorist genannt werden darf, erblüht der Humor zur geistreichen Form, zum Talent eines Auszeichnens von höchst individuellen Gestalten, von den feinsten und tiefsten Empfindungen und philosophisch gedachten Gedanken und originellen Charakteren, Situationen und Schicksalen. Von diesem objektiven Humor ist der Hamannsche eher das Gegenteil, und die Ausdehnung, die er durch denselben seiner konzentriert bleibenden Wahrheit gibt und sich einen Spaß macht, kann nicht dem Geschmack, sondern nur dem zufälligen Gustus zusagen. Man kann über dergleichen Produktionen die verschiedensten Äußerungen vernehmen. Hamanns Freund Jacobi z. B. sagte über dessen "Neue Apologie des Buchstabens H". (Bd. IV, Vorr. S. VI), er wisse nicht, "ob wir in unserer Sprache etwas aufzuweisen haben, das an Tiefsinn, Witz und Laune, überhaupt an Reichtum von eigentlichem Genie, sowohl was Inhalt als Form angeht, diese Schrift überträfe". Es wird der Fall sein, daß andere außer dem Referenten auf keine Weise von dieser Schrift so angeregt werden. Goethe hat Hamann in ihrer gemeinschaftlichen Zeit empfunden und an sich selbst eine mächtige Aufregung auch durch denselben gehabt, wie in einem reichen Gemüte viele solche mächtige Erregungen sich versammelt haben. Was Goethe hin und wieder, wovon einiges bereits angeführt worden, über Hamann gesagt, kann alles weiteren Einlassens in die Schilderung des schriftstellerischen Charakters desselben überheben. Hamann ist für viele nicht nur ein Interessantes und Eingreifendes, sondern ein Halt und Stützpunkt in einer Zeit gewesen, in der sie eines solchen, gegen die Verzweiflung an ihr, nötig hatten. Wir Späteren müssen ihn als ein Original seiner Zeit bewundern, aber können bedauern, daß er in ihr nicht eine bereits ausgearbeitete geistige Form vorgefunden hat, mit welcher sein Genie sich hätte verschmelzen und wahrhafte Gestalten zur Freude und Befriedigung seiner Mit- wie der Nachwelt hätte produzieren können, oder daß ihm zu solcher objektiven Gestaltung sich selbst herauszuarbeiten das Schicksal den heiteren und wohlwollenden Sinn nicht gewährt habe.

Wir verlassen nun aber das Bild seines Daseins und Wirkens und heben aus den Materialien, welche uns die vorliegende Sammlung liefert, noch das Schließen seines Lebens aus. Was seine literarische Laufbahn betrifft, so hatte er sie mit einem "fliegenden Brief" beschließen wollen, den wir hier zum ersten Male gedruckt erhalten. Drei Bogen davon hatte er bereits unter dem Ausarbeiten drucken lassen, aber gefühlt, daß er, wie er an Herder schreibt (Bd. VII, S. 312), auf einmal in ein so leidenschaftliches, blindes und taubes Geschwätz geraten, daß er den ersten Eindruck seines Ideals ganz darüber verloren und keine Spur davon wiederherstellen könne. Die abgedruckte Umarbeitung hat meistenteils die Manier, die er hier angegeben, behalten; die Stellen des ersten Entwurfs, die dem zweiten, der 3 1/2 Bogen ausmacht, fehlen, will der Herr Herausgeber im achten Bande nachliefern.
Die nächste Veranlassung zu diesem Absagebriefe war wieder eine Rezension im 63. Band der Allgemeinen Deutschen Bibliothek über sein Golgatha und Scheblimini; "an dem politischen Philister F." (Chiffre des Rezensenten) "muß ich mich rächen mit einem Eselskinnbacken", schreibt er (Bd. VII, S. 299). In diesem Briefe gibt er vollständige literarische Notizen über seine Schriften, bedauert es, seinen alten Freund Mendelssohn vor dessen Tode nicht von der Redlichkeit seiner Gesinnungen überzeugt zu haben, wiederholt vornehmlich die Gedanken seines Golgatha und Scheblimini und spricht insbesondere aufs heftigste seinen Unmut über die "allgemeine deutsche Jesabel", "die alemannische Schädelstätte", deren "blinden schlafenden Homer und seine Gesellen und Burschen" aus, über "die geschminkte Weltweisheit einer verpesteten Menschenfreundin", den "theologico-politico-hypokritischen Sauerteig eines in den Eingeweiden grundverderbter Natur und Gesellschaft gärenden Machiavellismus und Jesuitismus, der sein Spiel mit den Susannenbrüdern und Belialskindern unseres erleuchteten Jahrhunderts trieb", usf. Er kommt öfters darauf zu reden, daß ihm die Art seiner Schriften zuwider sei und daß er in Zukunft anders, ruhiger und deutlicher zu schreiben sich bemühen werde, aber er endigt in diesem Aufsatze in derselben geschraubten, eifernden, widerlichen Weise, einige Stellen ausgenommen, in denen er die gehaltvolle Tendenz seines Lebens und seines schriftstellerischen Auftretens mit rührender Empfindung und schöner Phantasie ausspricht. Es ist angeführt worden, wie im Anfang seiner Laufbahn, im Jahre 1759, er sich darüber in dem schönen Bilde einer Lilie im Tale ausdrückte. Im Jahre 1786, am Schlusse seiner Laufbahn, spricht er die Bestimmung derselben so aus (Bd. VII, S. 120): "Diesem Könige" (dessen Stadt Jerusalem ist), "dessen Name wie sein Ruhm groß und unbekannt ist, ergoß sich der kleine Bach meiner Autorschaft, verachtet wie das Wasser zu Siloah, das stille geht. Kunstrichterlicher Ernst verfolgte den dürren Halm und jedes fliegende Blatt meiner Muse; weil der dürre Halm mit den Kindlein, die am Markte sitzen, spielend pfiff und das fliegende Blatt taumelte und schwindelte vom Ideal eines Königs, der mit der größten Sanftmut und Demut des Herzens von sich rühmen konnte: Hie ist mehr denn Salomo! Wie ein lieber Buhle mit dem Namen seines lieben Buhlen das willige Echo ermüdet und keinen jungen Baum des Gartens noch Waldes mit den Schriftzeichen und Malzeichen des markinnigen Namens verschont, so war das Gedächtnis des schönsten unter den Menschenkindern mitten unter den Feinden des Königs eine ausgeschüttete Magdalenensalbe und floß wie der köstliche Balsam vom Haupt Aarons hinab in seinen ganzen Bart, hinab in sein Kleid. Das Haus Simonis des Aussätzigen in Bethanien ward voll vom Geruche der evangelischen Salbung; einige barmherzige Brüder und Kunstrichter aber waren unwillig über den Unrat und hatten ihre Nase nur vom Leichengeruche voll." Hamann kann sich nicht enthalten, den hohen Ernst, mit dem diese Schilderung anfängt, und die gefällige, wenn auch selbstgefällige Tändelei, mit der er sie fortsetzt, mit einem (wie die meisten übrigen Ausdrücke aus der Bibel entlehnten) Schlußbilde des Unrats zu verunzieren.

Unter dieser Beschäftigung mit den Schlüssen des einen Interesses, der feindseligen und kämpfenden Aufregung seines Lebens, sehnte er sich dagegen, seinen lebensmatten Geist im Schoße des anderen seiner Lebenspulse, der Freundschaft, zu erfrischen oder ihn wenigstens endlich darin auszuruhen. Das Schicksal dieser Freundschaft ist noch in seinem Verfolg zu entnehmen.
Wenn die freundschaftlichen Gesinnungen Hamanns und Herders, eines der ältesten seiner Freunde, im ganzen dieselben geblieben und ihr Briefwechsel, an dem schon früh ein geschraubter Ton fühlbar wird, sich zwar fortgesetzt, so hatten die Mitteilungen immer mehr an Lebhaftigkeit der Empfindung verloren, und der Ton war eher in die Langeweile der Klagseligkeit herabverfallen. Hamann schreibt an Herder von Pempelfort aus am 1. Sep. 1787: "Seit einigen Jahren muß Ihnen mein matter, stumpfer Briefwechsel ein treuer Spiegel meiner traurigen Lage gewesen sein." Herder, der sich schon gegen Hamann von je trübselig zu tun gewöhnt hatte (wie er gegen andere sich mehr mit widriger, auch hochfahrender, vornehmer Trübseligkeit benahm (s. Goethes Aus meinem Leben), antwortet (28. Okt. 1787): "Ich erröte über mein langes Stillschweigen, aber ich kann mir nicht helfen. Auch jetzt bin ich so müde und matt von Predigt" usf. "Alles ist eitel" (ein häufiger Ausruf in seinen Briefen), "Schreiben und Mühen" usf.; "auch Sie haben des Lebens Überdruß geschmeckt" usf. - Über Hamanns Verhältnis zu Hippel und Scheffner, mit denen er in einem ganz kordaten häufigen und vieljährigen Umgange war, schreibt er an Jacobi (8. April 1787, Jacobis Werke 4. Bd., 3. Abt., S. 330): "Der Gang dieser Leute ist ebenso sonderbar als ihr Ton; was ich für eine Figur zwischen ihnen vorstelle, weiß ich selbst nicht. Es scheint, daß wir uns einander lieben und schätzen, ohne uns selbst recht zu trauen. Sie scheinen gefunden zu haben, was ich noch suche. Mit allem Kopfzerbrechen geht es mir wie dem Sancho Pansa, daß ich mich endlich mit dem Epiphonem beruhigen muß: Gott versteht mich." Insbesondere ist ihm Hippel wie alles ein Wunder und ein Geheimnis, wie derselbe bei seinen Geschäften an solche Nebendinge (die Fortsetzung seiner Lebensläufe) denken kann und wo er Augenblicke und Kräfte hernimmt, alles zu bestreiten "er ist Bürgermeister, Polizeidirektor, Oberkriminalrichter, nimmt an allen Gesellschaften teil, pflanzt Gärten, hat einen Baugeist, sammelt Kupfer, Gemälde, weiß Luxus und Ökonomie, wie Weisheit und Torheit, zu vereinigen." Eine interessante Schilderung eines so genialen lebens- und geistesfrischen Mannes! - Von sich sagt Hamann ebenda S. 336, er habe in Königsberg niemand, mit dem er über sein Thema sprechen könne, nichts als Gleichgültige. Desto inniger war die Freundschaft mit Jacobi, desto lebhafter ihr Briefwechsel geworden (die Anrede von Sie an Hamann ließ Jacobi bald mit dem Du und Vater abwechseln, in das sie bald ganz überging; doch Hamann, im Begriffe zu reisen, schreibt an Jacobi: Duzen kann ich mich nur unter vier Augen! [S.] Hamanns Briefwechsel mit Jacobi S. 376). Dazu hatte sich die Freundschaft eines Herrn Franz Buchholz, Baron von Weilbergen bei Münster, angeknüpft, der, ein junger, sehr begüterter Mann, die tiefste Verehrung zu Hamann gefaßt und diesen gebeten, ihn zum Sohn anzunehmen, ihm bedeutende Geldsummen übermacht und dadurch die Sorge um seine und seiner Familie Subsistenz und Erziehung gemindert hatte und nun auch die Reise nach Westfalen zu diesen beiden Freunden möglich machte. Hamann fühlte das Drückende so weit reichender Verbindlichkeiten; er schreibt an Hartknoch, der ihm gleichfalls Geldanerbietungen gemacht hatte, daß er unter dem Drucke der Wohltaten jenes Freundes genug leide und davon so gebeugt werde, daß er seinen Schultern keine andere Bürde aufladen könne, wenn er der Last nicht unterliegen solle; er führt dann seine Empfindungen auf ein Mißtrauen gegen sich selbst zurück, das ihn um so mehr an die Vorsehung anschließe und zu einem gebundenen Knecht des einzigen Herrn und Vaters der Menschen mache. Der Sinn der Freundschaft dieser beiden Männer und Hamanus benahm allerdings dieser Wohltätigkeit die unter anderen Verhältnissen natürliche beiderseitige Verlegenheit oder Schamhaftigkeit. Nicht bloß in der Bizarrerie eines Jean Jacques (auch J. G. Hamann unterschreibt sich zuweilen Hanns Görgel), der seine Kinder in das Findelhaus schickte (Hamann ließ seine Tochter in einer nicht wohlfeilen Pension, welche eine Baronesse hielt, erziehen) und vom Notenschreiben subsistieren wollte, sondern wohl auch allgemeiner ist über den Punkt der Geldverhältnisse (auch des Duzens usf.) die Delikatesse der damaligen französischen Genies und Literatoren (man sehe z. B. Marmontels Leben) anders gewesen als die der deutschen. Hamann erhielt auf seine Gesuche bei seiner Behörde um Urlaub in dem ersten Jahre eine abschlägige Antwort, in dem zweiten Erlaubnis zu einer Reise auf einen Monat; im dritten, unter dem Nachfolger Friedrichs II. endlich, auf seine Eingabe, worin er, wie es nach der Resolution (Jakobis Werke 4. Bd., 3. Abt., S. 363) scheint, die Überflüssigkeit seines Diensttuns wohl zu stark6) geschildert, doch nicht gedacht hatte, daß die Wirkung bis zu dieser Länge gehen würde, erfolgte seine Pensionierung (indem seine Stelle mit einer anderen kombiniert wurde) mit der Hälife seines Gehaltes (150 Rtlr., die jedoch bald auf 200 vermehrt wurden). Niedergeschlagen über jene Resolution, die Jacobi ein "Tyrannen-Urteil" nennt, in der Aussicht der "Unmöglichkeit, sich und seine Kinder lange zu unterhalten, ohne seines Buchholz Wohltat" (ein von diesem zu der Erziehung der Kinder Hamanns bestimmtes Kapital) "unverantwortlich zu verschleudern", machte er eine weitere Vorstellung beim Ministerium, reiste mit sehr angegriffener Gesundheit nach Westfalen ab und kam den 16. Juli 1787 in Münster bei Fr. Buchholz an, wo und abwechselnd bei Jacobi zu Pempelfort er im Schoße inniger Freundschaft lebte und von der Hoffnung erfüllt war, daß die Wiederherstellung seiner Gesundheit und ein freies neues Herz zum Genuß der Freude und des Lebens bald die Ausbeute seiner Wallfahrt, wie er an Reichardt schreibt (Bd. VII, S. 362), sein werden.

Er befand sich in der Tat in einem höchst ausgezeichneten Kreise sehr edler, gebildeter und geistreicher Menschen, von denen er ebenso geliebt als hochgeachtet und verehrt war und ebenso sorgfältig gepflegt wurde - der Gesellschaft seines Jonathans Jacobi und dessen edler Schwestern, seines Sohnes Alcibiades Buchholz, der Diotima, Fürstin von Gallitzin, und des Perikles von Fürstenberg, des eigenen ältesten Sohnes Hamanns, und eines alten Freundes, des Arztes Lindner. Sosehr die gegenseitige Achtung und Liebe und die Gleichheit im Grunde der Gesinnung diesen schönen Zirkel umschloß, so lag es doch in der Art und der Einbildung von der Freundschaft selbst, daß dieser Kreis zugleich wenn nicht in Verstimmung, wenigstens in gegenseitige Unverständlichkeit verfiel und sich darin herummühte; und die Unverständlichkeit ist hierin vielleicht schlimmer als die Verstimmung, indem jene mit dem Mißverständnis seiner selbst verknüpft und gequält, diese doch nur gegen andere gerichtet sein mag.
Es war nicht der Fall bei diesen Freunden Hamanns, wie mit den vorhin angeführten Königsbergern, daß es ihm vorkommen konnte, als ob sie einander liebten und achteten, ohne sich recht zu trauen; aber wenn Hamann dort meinte, jene haben schon gefunden, was er noch suche, so galt er hier vielmehr für den, der das gefunden, was die anderen suchten und das sie in ihm verehren und genießen, für sich selbst gewinnen oder stärken sollten. Sehen wir uns nach dem Grunde um, daß die Freude, in der so treffliche Individuen sich beisammenfanden, in den unerwarteten Erfolg, sich doch in Nichtbefriedigung zu enden, überging, so liegt er wohl in dem Widerspruche, in welchem sie sich gegenseitig und sich selbst meinten und nahmen. Wenn unter den Menschen Gesinnungen, Gedanken, Vorstellungen, Interessen, Grundsätze, Glaube und Empfindungen mitteilbar sind, so lag außer und hinter diesem Konkreten der Individualität in der Ansicht dieses Kreises noch die nackte konzentrierte Intensität des Gemüts, des Glaubens; dieses hinterste Einfache sollte allein absoluten Wert haben und nur durch die lebendige Gegenwart einer zutrauensvollen Innigkeit, die nichts zurückbehalte, sich ganz gebe, finden, erkennen, genießen lassen. Die sich solche Trennung fest in ihrer Vorstellung gemacht und daran ihren Begriff von Schönheit, ja Herrlichkeit der Seele geknüpft haben, können sich gegenseitig nicht mit Gedanken und Werken, mit dem Objektiven der Gesinnung, des Glaubens, der Empfindung begnügen; aber das Innere läßt sich nur in jener Weise der Empfindungen, Vorstellungen, Gedanken, Werke usf. offenbaren, zeigen, mitteilen. Indem nun in diesem Mitteilen sowohl die Verschiedenheiten und Partikularitäten der Ansichten, und zwar zugleich in Unklarheit, hervortreten - denn die ganze Stellung ist die Unklarheit selbst - als auch das Erscheinen als solches jener gesuchten, zu sehen verlangten und unsagbar sein sollenden Innerlichkeit nicht entspricht, die Psyche selbst sich als solche nicht zu greifen gibt, so ist das Resultat indéfinissable, eine Unverständlichkeit und unbefriedigte Sehnsucht, - eine Stimmung, in der die Menschen, ohne eigentlich sagen zu können warum, sich getrennt und einander fremd finden, statt sich, wie sie meinten, daß es nicht anders möglich sei, gefunden zu haben, - Situationen und Erfolge, wovon Jacobi selbst die bekannten Schilderungen gegeben hat.
- Wir stellen die Daten zusammen, wie sich in diesem, wenn man will, Romane der Freundschaft die handelnden Personen schildern.

Von der Diotima, Fürstin Gallitzin, schreibt Hamann immer mit der größten Verehrung; er schildert sie einmal (Bd. VII, S. 367) höchst charakteristisch für sie, wie etwa für einen Teil der umgebenden Vortrefflichkeiten, in einem Briefe an eine Freundin in Königsberg: "Wie sehr würden Sie", sagt er, "von dieser einzigen Frau ihres Geschlechts eingenommen sein, die an der Leidenschaft für Größe und Güte des Herzens siech ist." Die Fürstin wird ohne Zweifel oder vielmehr dürfte den Mann, der schon so viel gefunden [und] wohl nicht weit hin zu haben scheinen konnte, um den letzten Schritt zu tun, nicht mit ihrer bekannten Proselytenmacherei unangefochten gelassen haben, was freilich bei Hamann nicht verfangen konnte. Als eine Spur solchen Versuchs mag wohl nicht anzusehen sein, daß er nun, wie er sagt, die Vulgata mit Vorliebe zitiert; eher dies, daß er sich jetzt (nach einem Besuch bei der "frommen Fürstin") alle Morgen aus Sailers Gebetbuche erbaue, in das er ärger als Johannes (d. i. Lavater) verliebt sei, nachdem er es kennengelernt (Hamanns Briefwechsel mit Jacobi S. 406). Er sagt über jenes Buch richtig, wenn Luther nicht den Mut gehabt, ein Ketzer zu werden, Sailer nicht imstande gewesen wäre, ein so schönes Gebetbuch zu schreiben (Bd. VII, S. 420). Dies Gebetbuch war zu jener Zeit des Streits über Kryptokatholizismus sehr berüchtigt gemacht als ein Buch, das, wenn nicht dazu bestimmt, aber dazu gebraucht worden sei, die Protestanten über die Natur des Katholizismus zu täuschen.
Es findet sich (Bd. VII, S. 404) ein interessanter Brief Hamanns an die Fürstin vom 11. Dez. 1787, dessen Anfang oder Veranlassung nicht ganz klar ist, worin es aber im Verfolg heißt: "Ohne sich auf die Grundsätze zu verlassen, die mehrenteils auf Vorurteilen unseres Zeitalters beruhen, noch selbige zu verschmähen, weil sie zu den Elementen der gegenwärtigen Welt und unseres Zusammenhanges mit derselben gehören" (ein sehr wichtiges, geistreiches Wort), "ist wohl der sicherste ... Grund aller Ruhe, sich ... an der lauteren Milch des Evangelii zu begnügen, sich nach der von Gott, nicht von den Menschen gegebenen Leuchte zu richten" usf. Es sind hier Bestimmungen angegeben, welche mehrere Ingredienzien der Religiosität der Fürstin abschneiden.

Mit Fritz Jonathan, Jacobi, hatte sich Hamann in der letzten Zeit seines Briefwechsels in vielfache Äußerungen und Gegenreden über dessen philosophische und Streitschriften gegen Mendelssohn und die Berliner eingelassen; Jacobi hatte darein das ganze Interesse seines Denkens, Geistes und Gemüts mit seiner im hohen Grade gereizten Persönlichkeit gelegt; beinahe alles dieses dabei von Jacobi geltend Gemachte machte Hamann auf seine, d. i. nichts fördernde, nichts entwirrende oder aufklärende Weise zum Teil schnöde herunter. Was Jacobi beinahe ganz in Hamanns Worten über den Glauben aufgestellt und damit das große Aufsehen und Wirkung, wenn hier und da auch nur auf schwache, schon mit dem bloßen Worte Glauben sich begnügende Menschen gemacht hatte, machte Hamann heftig herunter; so auch die Gegensätze von Idealismus und Realismus, die Jacobi auch in seinem um dieselbe Zeit herausgegebenen Hume und überhaupt beschäftigten; [sie seien,] schreibt ihm Hamann, nur entia rationis, wächserne Nasen, ideal, nur seine Unterscheidungen von Christentum und Luthertum seien real, res facti, lebendige Organe und Werkzeuge der Gottheit und Menschheit; so seien ihm (Hamann) Dogmatismus und Skeptizismus die "vollkommenste Identität", wie Natur und Vernunft. Wenn freilich Christentum und Luthertum ganz anders konkrete Realitäten und Wirklichkeiten sind als abstrakter Idealismus und Realismus und Hamanns in der Wahrheit stehender Geist über dem Gegensatze von Natur und Vernunft usf. steht, so ist schon früher ausführlicher bemerkt worden, daß Hamann gänzlich unfähig wie unempfänglich für alles Interesse des Denkens und der Gedanken und damit für die Notwendigkeit von jenen Unterscheidungen war. Am schlimmsten kommt Jacobis Wertschätzung des Spinoza, welche doch zugleich nur ganz den negativen Sinn hatte, daß derselbe die einzig konsequente Verstandesphilosophie aufgestellt habe, bei Hamann weg, der wie gewöhnlich zu weiter nichts als schimpfendem Poltern kommt. Daß Jacobi den Spinoza, "den armen Schelm von kartesianisch-kabbalistischen Somnambulisten, wie einen Stein im Magen" herumtrage, das seien alles Hirngespinste, Worte und Zeichen, de mauvais(es) plaisanteries mathematischer Erdichtung zu willkürlichen Konstruktionen philosophischer Fibeln und Bibeln" (Hamanns Briefwechsel mit Jacobi, S. 349-357 u. f.). "Verba sind die Götzen Deiner Begriffe", ruft er ihm zu (ebenda S. 349), "wie Spinoza den Buchstaben zum Werkmeister sich einbildete" u. dgl. - Hemsterhuis, den Jacobi so sehr verehrte, ist Hamann ebensosehr verdächtig ("eine platonische Mausfalle"); er ahnt in diesem wie in Spinoza nur taube Nüsse, Lügensysteme usf. Er (ebenda S. 341) gesteht Jacobi aufrichtig, daß ihm seine eigene Autorschaft näherliege als Jacobis und ihm, der Absicht und dem Inhalte nach, selbst wichtiger und nützlicher zu sein scheine. In derselben Zeit kam Jacobi sehr ins Gedränge mit seiner Verteidigung des von ihm selbst verachteten Starck, die er gegen die Berliner unternommen hatte; er erfährt von Hamann keine bessere Aufnahme mit einer solchen politischen Freundschaft, wie Hamann jene Verteidigung bezeichnet. Jacobi erwiderte diese Mißbilligungen aller seiner literarischen Unternehmungen nur mit der Berufung auf seinen Charakter, daß wissenschaftliche Verstellung nicht in ihm sei, und es sei ihm nie in den Sinn gekommen, weder dem Publikum noch irgend jemand etwas weiszumachen. Aber gewiß hatte ihm unter diesen vielfachen Verwicklungen, die alle Interessen seines Geistes in Anspruch nahmen, nichts Empfindlicheres geschehen können als die alles mißbilligenden Explosionen Hamanns, die ohnehin so ins Blaue und in die Kreuz und Quer liefen, daß sie das Verständnis einzuleiten oder zu fördern wenig geeignet waren. Doch schwächte alles dies das innige Vertrauen nicht; in der Gegenwart sollte Jacobi die Seele Hamanns, jenen letzten Grund ihrer Freundschaft finden und darin die Auflösung aller Mißverständnisse, die Erklärung der Rätsel des Geistes erkennen und verstehen lernen. Aber Jacobi schreibt nach dem Aufenthalte Hamanns bei ihm an Lavater, 14. Nov. 1787 (Fr. H. Jacobis auserl. Briefwechsel I, S. 435): "Es hat mich gekostet, ihn zu lassen" (von diesem Lassen nachher); "von einer andern Seite mag es gut sein, daß er mir entzogen wurde, damit ich mich wieder sammeln konnte. Seiner Kunst zu leben und glücklich zu sein, bin ich nicht auf den Grund gekommen, wie sehr ich es mir auch habe angelegen sein lassen."7) An denselben vom 21. Jan. 1788 (ebenda, S. 446): "Du sprichst von Buchholzens Sonderbarkeiten; der ist, von dieser Seite betrachtet, nichts, platterdings nichts gegen Hamann; ich kann Dir nicht sagen, wie der Hamann mich gestimmt hat, schwere Dinge zu glauben; ein wahres πpαaν? ist dieser Mann an Gereimtheit und Ungereimtheit, an Licht und Finsternis, an Spiritualismus und Materialismus." Das Resultat, daß Jacobi "der Kunst Hamanns, glücklich zu sein, nicht auf den Grund gekommen", ist nicht ein Mißverständnis, etwa ein Unverständnis zu nennen; er ist durch dessen Gegenwart an ihm nicht irre geworden, aber irre geblieben.

Was endlich den anderen Sohn, den Alcibiades Buchholz, betrifft, dessen großmütige Geschenke und vertrauensvolles Verhältnis die Grundlage zu Hamanns Reise ausmachten, so schreibt Jacobi über denselben, außer dem Angeführten, am 23. Juli 1788 an Lavater nach Hamanns Tode (Fr. H. Jacobis auserl. Briefwechsel I, S. 482): "Buchholz mit Frau usf. ist abgereist; Gott, was mich dieser Mann gedrückt hat. Ich habe diesen sonderbaren Menschen erst vorigen April, da ich Hamann zu besuchen in Münster war, näher kennengelernt. Hamann hat ihm das Geschenk, das er von ihm erhielt, wahrscheinlich mit dem Leben bezahlt. Und doch hat eben dieser Buchholz Eigenschaften, die Ehrfurcht, Bewunderung und Liebe einflößen. Ich glaube nicht, daß eine menschliche Seele reiner sein kann als die seinige. Aber sein Umgang tötet."

Hamann selbst war zunächst von seinem körperlichen Zustande gedrückt; er hatte sich, wie er (Bd. VII, S. 411) schreibt, "mit geschwollenen Füßen und einer zwanzigjährigen Ladung böser Säfte, die ich durch eine sitzende, grillenfängerische Lebensart, leidenschaftliche Unmäßigkeit in Nahrungsmitteln des Bauchs und Kopfs gesammelt hatte", auf die Reise gemacht. Von derselben Unmäßigkeit im Essen und Lesen spricht er während seines Aufenthalts in Westfalen, und die im Lesen gibt sich aus seinen Briefen sattsam zu erkennen. Die Brunnenkuren, ärztliche Behandlung und sorgsamste, liebevollste Pflege, die er in seinem Aufenthalte zu Münster, Pempelfort und Weilbergen genoß, vermochten seinen geschwächten Körper nicht mehr zu erneuern. Er von seiner Seite drückt allenthalben die vollkommenste Befriedigung aus, die er in dem neuen Kreise des Umgangs genoß. Der Lobredner oder Kunstrichter seiner wohltätigen Freunde zu sein, könne ihm aber nicht einfallen (VII. Bd., S. 366). "Ich lebe hier", schreibt er noch am 21. März 1788 von Münster aus, "im Schoße der Freunde von gleichem Schlage, die wie die Hälften zu meinen Idealen der Seele passen. Ich habe gefunden und bin meines Fundes so froh wie jener Hirte und das Weib im Evangelio; und wenn es einen Vorschmack des Himmels auf Erden gibt, so ist mir dieser Schatz zuteil geworden, nicht aus Verdienst und Würdigkeit" (Bd. VII, S. 409). Öfters sagt er, die Liebe und Ehre, die ihm widerfahre, sei unbeschreiblich, und er habe Arbeit gehabt, sie zu erdulden und zu erklären; er war zunächst von "allem übertäubt und verblüfft". Immer drückt er sich in diesem Sinne und der Empfindung der Liebe aus, wie auch sonst die Briefe an seine Kinder aus dieser Periode sehr milde, anziehend und rührend sind.
Aber Hamann, der das Bewußtsein hatte, daß Jacobi manche schwere Probe der Geduld mit seinen bösen Launen ausgehalten und deren noch mehr zu erwarten hatte (Bd. VII, S. 376), Hamann, der bei seiner inneren vollkommenen Gleichgültigkeit gegen alles um so mehr selbst auszuhalten fähig war, konnte es doch nicht fortgesetzt unter diesen "Idealen der Menschheit", wie er seine Umgebung öfters bezeichnet, aushalten. Daß so vieles in seinem Innern vorging, was er nicht beschreibt und was in der Empfindung "des unbeschreiblich vielen Guten und Wohltätigen", das er genoß, nicht ausblieb, wäre schon aus der gezeichneten Umgebung zu schließen; aber es drängen sich bestimmtere Blicke in dasselbe auf. Jacobi erzählt einige Monate nach dessen Tode (Jacobis Auserl. Briefwechsel, S. 486), Hamann habe sich mit jenem Besessenen verglichen, den ein böser Geist wechselweise bald ins Feuer, bald ins Wasser warf; dieser Vergleich passe gewissermaßen auch auf ihn (Jacobi). "O daß mir die Hand erschiene", ruft er aus, "die mich lehren könnte gehen auf dem Wege menschlichen Daseins. - Die Hand, die Hand! rief ich mehrmals meinem Hamann zu. 'Vielleicht' war unter einem Strom von Tränen eines der letzten Worte, die ich aus seinem Munde hörte." Man sieht hier zwei Männer so gebrochen in sich, der Belehrung, auf dem Wege menschlichen Daseins zu gehen, noch so bedürftig, einander gegenüberstehen, die schon ein tief bewegtes Leben des Gemüts durchlaufen hatten. - Nach dem Aufenthalte von etlichen Monaten bei Jacobi zu Pempelfort (vom 12. August an, und zu Düsseldorf vom 1. Oktober bis 5. November 1787) verläßt Hamann das Haus seines Freundes plötzlich, wirft sich, ohne ein Wort von seinem Vorhaben zu sagen, bei kläglicher Witterung, einer seiner Meinung nach auflebenden Gesundheit in den Postwagen und fährt wieder nach Münster zu Buchholz. Der nähere Aufschluß über diese Flucht, die er "mit Gewalt und List" habe ausführen müssen (einige hierher bezüglich scheinende Billette sind nicht abgedruckt; siehe Hamanns Briefwechsel mit Jacobi, S. 384), liegt gewiß nicht in mißliebigen Vorfallenheiten oder verletzenden Benehmungen, sondern vielmehr in dem Gegenteil, das seine Verlegenheit zur Angst gesteigert [hatte], aus der er sich nur durch Flucht Luft zu machen wußte. Er expliziert sich (Hamanns Briefwechsel mit Jacobi, S. 386) nur so darüber: "Du armer Jonathan, hast sehr übel an Deinen beiden Schwestern und an mir Lazaro getan, das harte Joch und die schwere Last einer so männlichen Freundschaft, einer so heiligen Leidenschaft, als unter uns obwaltet, ihrem Geschlecht, das die Natur weicher und zahmer gemacht hat, aufzubürden. Hast Du nicht bemerkt, lieber Jonathan, daß die beiden Amazonen es darauf angelegt hatten, mich alten Mann um die Ehre meiner ganzen Philosophie, um alle Deine günstigen Vorurteile für selbige zu bringen und uns beiderseits in solche Verlegenheit zu setzen, daß wir uns beide wie ein Paar philosophische Gespenster lächerlich vorkommen würden?" Hamanns Philosophieren, oder wie man das irrlichternde Gespenstige seines Fühlens und Bewußtseins nennen will, konnte sich leicht gegen geistreiche Frauenzimmer, mit denen nicht durch Poltern und Kruditäten etwa, womit er sich  heraushalf, abzukommen war, in Bedrängnis und Angst gesetzt fühlen, wenn es aus seiner Nebulosität zur Klarheit des Gedankens oder der Empfindung herauszutreten sollizitiert wurde. - Im folgenden Briefe von Hamann heißt es: "Die Liebe, die ich in Deinem Hause genossen, hat kein Verhältnis zu meinem Verdienst; ich bin wie ein Engel vom Himmel darin aufgenommen worden; wenn ich ein leibhafter Sohn des Zeus oder Hermes gewesen wäre, hätte ich nicht größere Opfer der Gastfreiheit und großmütigen Verleugnung finden können, worin sich Helene" (eine der Schwestern Jacobis) "unsterblich hervorgetan. Sollte ich nun diese Übertreibung des Mitleids bloß meinen Bedürfnissen und nicht vielmehr der Freundschaft für mich zuschreiben und mir etwa anmaßen, was Dir mehr als mir selbst gehörte?" Die übergroße Verehrung und Sorgsamkeit, die er genoß und die er der Freundschaft für Jacobi und nicht für seine Persönlichkeit zuschrieb, vermehrte noch jene Verlegenheit und Not seines Zustandes.

In demselben Briefe (vom 17. November 1787, s. Briefwechsel mit Jacobi, S. 383) appelliert Hamann wegen seiner Flucht an Jacobis Freundschaft, als des Jonathans seiner Seele, der er sein und bleiben werde, solange er (Hamann) sich seines Daseins und Lebens bewußt sein werde, nach so vielen und großen Verbindlichkeiten für all das Gute usf. Auf Jacobis Äußerung, ob es ihm (Hamann) in seinem Aufenthalte bei Buchholz in Münster etwa übel gehe, entgegnete Hamann: "Hier, an dem eigentlichen Orte meiner Bestimmung und meines Ausgangs aus meinem Vaterlande? War es nicht mein Franz (Buchholz), der mich rief und ausrüstete zu dieser ganzen Laufbahn, die ich mit Frieden und Freude zu vollenden der besten Hoffnung lebe und des besten Willens bin? Hier sollte es mir übel gehen, wo ich wie ein Fisch und wie ein Vogel in meinem rechten Elemente bin?" Dieser Empfindung und Meinung unerachtet hielt es Hamann nicht lange daselbst aus. Jacobi schreibt vom 21. Januar 1788 (Auserlesener Briefwechsel, Bd. I, S. 446) an Lavater: "Hamann ist kaum vierzehn Tage in Münster gewesen, so hat er den Einfall bekommen, ganz allein nach Weilbergen, Buchholzens Rittersitze, zu reisen. Alle Vorstellungen, Bitten und Zürnen halfen nichts; er ging. Und was jedermann vorausgesehen hatte, geschah, er wurde krank." Nach einem vierteljährigen Aufenthalte während des Winters an diesem, wie Jacobi sagt, morastigen und feuchten Orte, währenddessen der Briefwechsel zwischen beiden stockte, kehrte Hamann gegen Ende März nach Münster zurück, von wo er nach der Mitte Juni noch einmal Jacobi zu besuchen im Begriff war, um von ihm Abschied zu nehmen und nach Preußen zurückzukehren; aber an dem zur Abreise bestimmten Tage erkrankte er heftig und beschloß den Tag darauf, am 21. Juni 1788, ruhig und schmerzlos sein so bedrängtes Leben. 

 

1) Hegel: "Zweifelknoten"

2) Karl Friedrich Bahrdt, System der Moraltheologie, Eisenach 1770; Briefe über die systematische Theologie, Eisenach 1770-72

3) Johann Christian Starck, Apologie des Ordens der Freimaurer, 1778

4) J. A. Eberhard, Apologie des Sokrates, Berlin 1788

5) altdeutsch "thar" = wagt

6) *Berlin, 26. April 1787. "daß bei der jetzigen Stelle des Packhofverwalters Hamann zu Königsberg wenige und teils unnütze Geschäfte zu versehen sind, solches ist hier schon bekannt und wird in dessen unter dem 16. anhero eingereichter Vorstellung von ihm selbst bekräftigt. Da nun die überflüssigen Posten bei der jetzigen Akzise-Einnahme auf ausdrücklichen Allerh. Befehl eingezogen, die wenig beschäftigten aber mit anderen verbunden werden sollten, so" usw.

7) *Lavater (Fr. H. Jacobis auserl. Briefwechsel I, S. 438) sagt in seiner Antwort über diese Schilderung Hamanns: "Dieses seltsame Gemisch von Himmel und Erde könnte übrigens für unsereins als eine Fundgrube großer Gedanken benutzt werden." Späterhin, als Rehberg in Hannover gegen Jacobi den Ausdruck gebrauchte, daß dieser sich "zu so verwirrten Köpfen wie Lavater u. and. gesellt habe", entgegnet Jacobi (ebenda, S. 471) auf ähnliche Weise in Ansehung Lavaters, daß derselbe ein lichtvoller (?) Geist sei, in dessen Schriften sich vieles finde, was den Mann von Genie charakterisiere, und auch von dem abstraktesten und tiefsinnigsten Philosophen, und vielleicht von ihm am mehrsten, trefflich benutzt werden könne. Von Hamann hat Jacobi nur die zunächst Hume entnommenen Sätze vom Glauben benutzt, nicht sein principium coincidentiae, das Konkrete seiner Idee. Aber man kann sich wundern daß solche innige Freundschaft sich auf das kalte Ende der "Benutzeng" reduzieren soll.

 

 

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