sampeb1a269db948597c

HEGEL >

Georg
Wilhelm Friedrich
Hegel
Berliner Schriften
1818-1831

Übersicht

Phänomenologie des Geistes

Wissenschaft
der Logik 

- objektive
- subjektive

Enzyklopädie
der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse

Vorlesungen
 über die Philosophie
der Religion

Vorlesungen
über die Philosophie
der Geschichte

Hegel Grundbegriffe

Hegel-and-Napoleon-in-Jena-1806

Hegel - Philosophen:

Anaxagoras

Anaximander

Anselm von Canterbury

Aristoteles

Böhme, Jakob

Bruno, Giordano

Cicero

Demokrit

Descartes

Duns Scotus

Eckhart von  Hochheim

Epikur

Fichte, Johann Gottlieb

Gotama

Hegel, G.W.F.

Heraklit

Hobbes, Thomas

Hölderlin

Jacobi

Kant, Immanuel

Konfuzius

Laotse

Leibniz, Gottfried Wilhelm

Locke, John

Montaigne

Newton

Parmenides

Pascal, Blaise

Philon

Platon

Plotin

Proklos

Pythagoras

Rousseau

Schelling

Sokrates

Spinoza

Thales

Thomas von Aquin

Voltaire

Xenophanes

Zenon

> mehr

 HEGEL
 Quell- und Volltexte

< >

        Phil-Splitter     .    ABCphilDE   .   Hegel - Philosophen   Hegel - Religion     Info Herok

<  >

Zweiter Artikel                                [<Solgers nachgelassene Schriften und Briefwechsel]

Was zuletzt im vorhergehenden Artikel als Beziehung auf die Philosophie Solgers angeführt worden, mag zwar für einen Reflex derselben in der Freundschaft Tiecks genommen werden; es erhellt jedoch schon von selbst, daß die Art dieses Reflexes nur für eine Seite, etwa der Solgerschen Ideen, Bedeutung haben könne; für den Inhalt müssen wir uns nun an die Solgerschen Expositionen wenden, welche uns in der vorliegenden Sammlung dargeboten sind. Diese Expositionen sind von der Art, daß sie eine weit bestimmtere Vorstellung von Solgers Grundansichten gewähren als die Schriften, die bei seinen Lebzeiten erschienen sind. Wir sehen ihn in diesem Nachlasse vielfach bestrebt, seine Ideen teils seinen Freunden, teils dem Publikum in einigen Aufsätzen, welche er für die Herausgabe in seinem letzten Lebensjahr ausgearbeitet hat, andringlich zu machen; jedoch sind diese nicht systematische Ausführungen, sondern nur für die Vorbereitung des Publikums und zur Ankündigung bestimmt, als "Manifest", wie Solger den Hauptaufsatz nennt (I, 688 ff., 726), um darin auch für das größere Publikum zu erklären, wie er es mit der Philosophie meine und wie er gegen die jetzigen Bestrebungen stehe. Sie gehen aber bei diesem äußeren Zweck so weit, um die Tiefe seiner Idee und seines spekulativen Vermögens in der Philosophie vorstellig zu machen und zu beurkunden. Es handelt sich bei Solger nicht um das, was wohl sonst oft auch Philosophie genannt wird, wir finden bei ihm vielmehr das spekulative Bedürfnis der Vernunft lebendig, das Interesse und Bewußtsein der höchsten Gegensätze und der Widersprüche, die daraus entspringen, wie den Mut, dieselben nicht mit Klage und Demut auf die Seite zu stellen, sondern ihnen in ihrer ganzen Bestimmtheit und Härte ins Angesicht zu sehen und in ihrer Auflösung die Befriedigung des Geistes allein zu suchen und zu gewinnen. Solger scheut auch die auffallenden Formen nicht, in denen es sich darbietet, die Versöhnung der Gegensätze auszusprechen, was dann der Fall ist, wenn diese Gegensätze in einer konkreten Weise, wie sie in der Vorstellung liegen, belassen und nicht auf ihre einfache Gedankenbestimmung zurückgeführt sind.

Ich führe zuerst die geläufige Form an, in welcher er sowohl in den Briefen vielmals als in den anderen Abhandlungen die Idee ausspricht (I, 603), daß nämlich, wenn wir unser absolutes und ewiges Verhältnis zu Gott gefaßt haben, wir "klar und ohne alles Wanken einsehen, daß alles, was in unserem Treiben und Leben wahr und gut ist, nur Gott selbst sein kann...
Indem nun Gott in unserer Endlichkeit existiert oder sich offenbart, opfert er sich selbst auf und vernichtet sich in uns;
denn wir sind nichts."
Es sind hierzu die folgenden weiteren Bestimmungen anzuführen. In dem Zusammenhange (I, 511), daß nicht unser eigenes wesentliches Sein unsere Wahrheit ausmache, heißt es: "Wir sind deshalb nichtige Erscheinungen, weil Gott in uns selbst Existenz angenommen und sich dadurch von sich selbst geschieden hat.
Und ist dieses nicht die höchste Liebe, daß er sich selbst in das Nichts begeben, damit wir sein möchten, und daß er sich sogar selbst geopfert und sein Nichts vernichtet, seinen Tod getötet hat, damit wir nicht ein bloßes Nichts bleiben, sondern zu ihm zurückkehren und in ihm sein möchten?"
Weiter alsdann: "Das Nichtige in uns ist selbst das Göttliche, insofern wir es nämlich als das Nichtige und uns selbst als dieses erkennen."
- Ich bemerke zunächst überhaupt, daß sich in dieser Idee der logische Begriff, welcher die Grundlage für alles spekulative Erkennen ausmacht, vorfindet, - die Allein wahrhafte Affirmation nämliche (es ist das ewige göttliche Tun, welches vorgestellt wird) als die Negation der Negation gefaßt.
Ferner sieht man diese abstrakte Form in ihrer konkretesten Gestalt, in ihrer höchsten Wirklichkeit genommen, nämlich als das Offenbaren Gottes, und zwar dieses nicht in dem formalen, oberflächlicheren Sinn, daß Gott sich in der Natur, Geschichte, in dem Geschicke des einzelnen Menschen usf. offenbare, sondern in dem absoluten Sinn, daß dem Menschen die in Christo als ursprünglich und göttlich seiende Einheit der göttlichen und menschlichen Natur und eben damit das, was die Natur Gottes und was die menschliche in Wahrheit ist, nebst den daraus sich weiter entwickelnden Folgerungen zum Bewußtsein gebracht ist. Im Zusammenhange des zuerst Angeführten ist dies S. 603 f. (wie anderwärts S. 511) bestimmt so ausgesprochen:
 "So" (indem Gott in unserer Endlichkeit existiert und sich selbst aufopfert) "ist unser ganzes Verhältnis zu ihm fortwährend dasselbe, welches uns in Christus zum Typus aufgestellt ist. Nicht bloß daran erinnern sollen wir uns, nicht bloß daher Gründe für unser Verhalten schöpfen, sondern wir sollen diese Begebenheit der göttlichen Selbstopferung in uns erleben und wahrnehmen...
Was so in einem jeden von uns vorgeht, das ist in Christus für die ganze Menschheit geschehen, - es ist nicht bloß ein Reflex unserer Gedanken, was wir davon haben, sondern die wirklichste Wirklichkeit" (vgl. S. 632).
Man sieht, diese Lehre des Christentums mit Inbegriff der Dreieinigkeit, die ihrer Grundbestimmung nach in dem Angeführten enthalten ist, hat ihren Zufluchtsort in der spekulativen Philosophie gefunden, nachdem sie von der in der protestantischen Kirche fast ausschließend herrschenden Theologie durch Exegese und Räsonnement beiseite gebracht, die Erscheinung Christi zu einem bloßen Objekte der Erinnerung und moralischer Gründe herabgesetzt und Gott in ein in sich bestimmungsloses leeres Jenseits als unerkennbares, hiermit nicht geoffenbartes Wesen außerhalb der Wirklichkeit verwiesen worden ist.

Es erhellt aber, daß, wenn die Negation der Negation als wahrhafte Affirmation (welches der ganz abstrakte Begriff ist) die in den angeführten Ausdrücken enthaltene ganz konkrete Gestalt erhält, welche er in der Lehre des Christentums hat, daß es einer ausführlicheren wissenschaftlichen Explikation bedarf, um den Übergang von jener Abstraktion zu dieser Fülle des Inhalts aufzuzeigen, um ebensosehr der Vernunftidee eine konkrete Gestalt zu gewinnen, als die christliche Lehre wieder dem denkenden Geiste zu vindizieren und sie gegen die Leere jener sogenannten Vernunft und der pietistischen Frömmigkeit, welche gemeinschaftliche Sache gemacht, wieder in ihre Rechte einzusetzen.

In jenem Übergang, der philosophisch durchgeführt notwendig ein langer Weg wird, ergeben sich viele Schwierigkeiten und Widersprüche, welche aufgelöst werden müssen. Schon in dem angeführten Vortrag zeigen sich dergleichen; das eine Mal sind wir darin als das Nichts (was das Böse ist) vorausgesetzt, dann ist auch wieder von Gott der harte, abstrakte Ausdruck gebraucht, daß er sich vernichte, also er es sei, der sich als das Nichts setze, und ferner dies, damit wir seien, und darauf heißt das Nichtige in uns selbst das Göttliche, insofern wir es nämlich als das Nichtige erkennen. Diese Entgegensetzung der Bestimmungen, daß wir nichts ursprünglich sind und erst in der Beziehung auf Gott zum Sein gelangen, und wieder, daß wir erst durch diese Beziehung zu nichts werden, hätte einer weiteren Ausführung bedürft, um ausgeglichen zu werden.
Das Angegebene, das als der Prozeß der ewigen Liebe angesehen werden kann, enthält ferner sogleich schon die Voraussetzung von Gott einerseits und von Uns andererseits, und die Schwierigkeit ist dieselbe, ob wir als Seiendes oder als das Nichts vorausgesetzt werden. Es fehlt hierbei das Moment der Schöpfung überhaupt und des Menschen insbesondere nach Gottes Ebenbild, und von da aus des Überganges von dieser nur ursprünglichen, nur an sich seienden, nicht in die Existenz noch getretenen Einheit der menschlichen Natur mit der göttlichen zu dem, was als der Schein und das Nichts ausgesprochen ist.
Der Schein bestimmt sich zu dem Konkreteren, was Bewußtsein und Freiheit ist, und die Schwierigkeit ist, daß dieser Schein nicht nur den Quell des Bösen, das von der Ebenbildlichkeit abfallende Essen von dem Baume der Erkenntnis des Guten und Bösen enthält, sondern auch das Prinzip der Rückkehr zum Ebenbilde, so daß Gott selbst sagend eingeführt wird: Siehe, Adam ist worden wie unsereiner und weiß, was Gut und Böse ist (I. Mos., 3, 22), - die Stelle, welche die andere Seite zu der ersteren Bedeutung des Erkennens ausmacht und gewöhnlich viel zu wenig in ihrer Tiefe betrachtet, ja auch nur beachtet zu werden pflegt.

Der hiermit angedeutete Mangel jenes Voraussetzens verschwindet in folgender Darstellung nicht, die I. Bd., S. 703 vorkommt:
Das Wahre und Ewige "existiert eben als das, was ist, als Gott, als das Gute. Für uns in die Wirklichkeit geworfene Wesen ist beides" (das Wahre und der Schein) "untrennbar70) . Denn das Gute würde für uns nicht sein, wenn es nicht einen Schein hätte, den es tötet, um dessentwillen es sich verkörpert, Fleisch wird, weil es ihn seiner ewigen guten Natur nach vernichten und so die Existenz mit sich versöhnen muß. Die höhere Art dazusein ist, sich zu offenbaren, und sich offenbaren heißt, sein Nichts vernichten, d. i. durch sich selbst dasein; beides ist ganz eins." Es könnte scheinen, daß auch der Prozeß der Schöpfung in dem Gesagten enthalten sei, jedoch ist derselbe wenigstens mehr mit dem Prozesse der Versöhnung, in welchem die endliche Existenz vorausgesetzt erscheint, nur vermischt. Es heißt ebensowohl, daß die Untrennbarkeit des Guten und des Scheines oder der Negation nur für uns sei, als auch, daß des Guten ewige Natur selbst sich den Schein mache, um ihn zu vernichten, und daß es nur so durch sich selbst sei, womit dieser Untrennbarkeit dies, nur relativ für uns zu sein, genommen wäre. Allenthalben aber bleibt es wesentliche, unaufgelöste Grundbestimmung, wie S. 579, daß, da wir nicht anders als unter Gegensätzen zu denken und zu erkennen vermögen, "in uns widerspruchsvollen Wesen der Wirklichkeit oder Offenbarung des Ewigen der völlig leere Schein, das wahre positive Nichts entgegenstehen" müsse. Es ist Solgers ausdrückliche Bestimmung der Philosophie, nicht in einem Dualismus befangen zu sein (z. B. I, 510). Denn in der Tat ist schon aller Trieb zur Wahrheit dies, dem Dualismus unseres Bewußtseins, unserer Erscheinung, oder dem Manichäismus, denn aller Dualismus hat den Manichäismus zur Grundlage, sich zu entreißen. Die Endigung in der höheren Wirklichkeit und in der Versöhnung muß sich aber auch dahin vollenden, nicht mit der Voraussetzung eines Dualismus anzufangen.

Dies hängt dann wesentlich damit zusammen, daß in den angeführten Expositionen auch die Vorstellung von Gott als eine Voraussetzung vorhanden ist. Wenn wie in den obigen Ideen als bekannt angenommen wird, was Gott ist, wie daß er ist, so wäre überhaupt nicht abzusehen, wofür noch zu philosophieren wäre, denn die Philosophie kann keinen anderen Endzweck haben, als Gott zu erkennen. Wäre jene Bekanntschaft jedoch nicht befriedigend und würde mehr als nur Bekanntschaft, nämlich Erkenntnis gefordert, so liegt hierin, daß die Berechtigung nicht für sich vorhanden ist, von Gott zu sagen, er tut dies oder jenes, verkörpert sich usf. Denn alle dergleichen Bestimmungen könnten nur durch die Erkenntnis seiner Natur ihre Begründung erlangen. Jene Art sich auszudrücken hat zunächst den Vorteil, populär zu sein und die allgemeine Religiosität in Anspruch zu nehmen, auch mit einer gewissen Zuversicht auftreten zu können, um der imposanten Wirkung willen, die das Wort Gott hat. Aber diese Weise hat in philosophischer Rücksicht Nachteile, insbesondere den, daß der Zusammenhang dessen, was Gott zugeschrieben wird, mit seiner Natur, d. i. die Einsicht in die Notwendigkeit jener Bestimmungen oder Handlungen sich nicht zeigt, ja nicht einmal die Forderung dieser Notwendigkeit, um welche es, wenn über das Glauben zum Philosophieren hinausgegangen wird, allein zu tun sein kann.

Ebenso nachteilig für das Philosophieren selbst ist für den Vortrag und das Verständnis die in den angeführten Ideen vorhandene Vermischung solcher konkreten Vorstellungen wie Gott, sich opfern, wir Menschen, Erkennen, das Böse usf. mit den Abstraktionen von Sein, Nichts, Schein u. dgl.; man wird unbequem von einem dieser heterogenen Böden auf den anderen herüber- und hinübergeworfen; das Gefühl der Unangemessenheit der abstrakten Denkformen zu der Fülle, welche in den Vorstellungen liegt, ist für sich störend, wenn man auch die nähere Einsicht in das Unzusammenhängende, das jene Vermischung in den Gedankengang bringt, nicht besitzt.

In der ersten Abhandlung des II. Bandes, Briefe, die Mißverständnisse über Philosophie und deren Verhältnis zur Religion betreffend (S. 1-53), und in der zweiten, Über die wahre Bedeutung und Bestimmung der Philosophie, besonders in unserer Zeit (S. 54-199), ist das weitere Hauptinteresse, das Verhältnis der angegebenen Grundidee zum philosophischen Erkennen zu bestimmen und die Abweichungen des Erkennens und die falschen Surrogate aufzudecken und zu verfolgen. Zunächst ist hierüber die von Solger auch sonst überall ausgesprochene Bestimmung auszuheben, daß Philosophie und Religion denselben Inhalt hat, daß die Philosophie nichts anderes ist als das Denken über die Gegenwart des Wesens in unserer Erkenntnis und Existenz oder, mit anderen Worten, über die göttliche Offenbarung (II, 116), daß das Denken, welches das Philosephieren ist, mit der Erkenntnis durch Offenbarung ganz dasselbe ist, nur von einer anderen Seite betrachtet (S. 174).

Die Philosophie ist über ihr Verhältnis zur Religion früher in schlechten Ruf gebracht worden. Nachdem die Vernunft dem, was einst Religion genannt wurde, in der Tat entgegengesetzt gewesen war, ist endlich eine Vereinbarung beider auf die Weise erreicht, daß die sogenannte Vernunft von der Theologie auf ihre Seite genommen und durch sie der religiöse Inhalt immer dünner und leerer gemacht wurde. Diese inhaltsleere Überzeugung, die sich fortwährend den Namen Christentum beilegt, pocht auf die Einschrumpfung des objektiven Inhalts zum subjektiven, dem Gefühl, und erklärt sich nunmehr aus dem ganz gegen vormals entgegengesetzten Grunde gegen die Philosophie, aus dem Grunde nämlich, daß die Grundlehren des Christentums, mit welchen die neue Theologie soeben fertig geworden zu sein meint, in der Philosophie vielmehr ihre Verteidigung finden und daß von daher diesem Gefühlschristentum die Erhaltung oder Wiedererweckung desjenigen droht, dessen Tod es bereits in Ruhe genießen zu können meint. - Unter den Plänen, mit denen Solger umging, nennt er I, 349 auch die Entwicklung, wie das Christentum aus rein spekulativen Gründen verstanden und zur Einsicht gebracht werden könne.

Von dem philosophischen Erkennen ist im allgemeinen diese wesentliche Bestimmung gegeben: 'Die Idee ist der positive Inhalt der höheren Erkenntnis, die wahrhafte Einheit der durch den Verstand bloß aufeinander bezogenen Stoffe ([II] S. 92 f.); das Organ der Philosophie ist das Denken; sie entsteht daraus, daß das Wesen und die innere Einheit unserer Erkenntnis Tätigkeit ist, Tätigkeit einen Übergang von einem zum anderen und folglich einen Gegensatz in sich schließt, das Erkennen der Gegensätze aber in ihren Beziehungen aufeinander und ihre Aufhebung in die ursprüngliche Einheit, worin sie zugleich Gegensätze desselben (des Denkens) mit sich selbst werden, das Denken ist.' Es wird daselbst das Fortschreiten des Denkens erwähnt und seine Einseitigkeiten bemerklich gemacht; zu der höheren Aufgabe aber, dies Fortschreiten für sich selbst, d. i. die innere Notwendigkeit im Erkennen zu begreifen, zu der eigentlichen Natur der Dialektik ist Solger nicht fortgegangen.

Dagegen spricht er sich über die von der Reflexion ausgehende Notwendigkeit des philosophischen Erkennens mit bestimmter Einsicht und nachdrücklich aus. "Unser ganzes Leben ist göttliche Offenbarung, jede Befriedigung durch das Wahre, jeder Genuß am Schönen, jede Beruhigung im Guten kommt uns von diesem Wesentlichen, insofern es in dem gegebenen Momente uns gegenwärtig ist; aber dasselbe ist für den bestimmten Moment immer nur das Wesentliche des gegebenen Zustandes, der relativen Verknüpfung, und fällt so selbst unter die Beziehungen der Existenz. Bei diesen relativen Gestalten kann sich das reine Bewußtsein nicht beruhigen; durch die Philosophie, welche der Glaube selbst ist, aber in seiner Gestalt als Einsicht gefaßt, wenn er in der anderen als Erfahrung vorkam, wird die Idee erkannt, wie sie in allen Momenten ihrer Offenbarung dieselbe ist, wie sie durch die Gegensätze, die sie als vollkommene Einheit in sich selbst enthält, sich an die Existenz anzuschließen und sie in sich aufzunehmen fähig ist. So kommt die Idee in ihrer ganzen Bedeutung zum Bewußtsein, da sie sonst immer durch besondere Zustände und Beziehungen getrübt ist. Daß in diesen das Bewußtsein sich nicht befriedigt finden kann, darin liegt die Notwendigkeit, daß es zur Philosophie getrieben wird. Das Philosophieren ist daher keineswegs ein willkürliches Unternehmen, sondern ein notwendiges und unausweichliches. Wer sich nicht entschließen will zu philosophieren, muß dennoch sein Heil darin versuchen und wird nun getrieben, sich mit einem unglücklichen Ersatze zu begnügen und dadurch den Glauben selbst zu entwürdigen (II, 116 ff.).
"Der Mensch muß philosophieren, er mag wollen oder nicht" (ist es II, 112 ausgedrückt), "und wenn er sich nicht entschließt, es auf die rechte wissenschaftliche Weise zu tun, so rächt sich die Philosophie an ihm durch die grundlosesten und verderblichsten Sophistereien."
- Mit den falschen Surrogaten für die Philosophie, mit den Ausweichungen und Ausflüchten, sich mit Ersparung des Denkens Befriedigung zu finden, ist Solger sehr bekannt; er entwickelt diese Irrtümer und bekämpft sie unter allen den vielartigen Gestaltungen, die sie annehmen, mit Wärme und mit gründlicher Einsicht. Die Frommen (heißt es II, 37), die nur das Wesentliche und Einfache, über welches nicht gedacht zu werden brauche, in der Religion festhalten wollen, haben sich wohl vorzusehen, was dieses Wesentliche sei; der Glaube ohne Einsicht verliert sich in äußerliche Tatsachen, Wunder und Aberglauben. Solger macht die Einseitigkeiten des gemeinen Verstandes und der um nichts weniger in denselben befangenen Orthodoxie und Pietisterei bemerklich (II, 37 ff.); er zeigt die Ode, in welche dieser Verstand als Aufklärerei verfallen ist, aus welcher wieder eine andere Scheinphilosophie hervorgegangen ist, das Reich der Ansichten (S. 58), das insbesondere gut charakterisiert ist als ein Denken, das sich nach jeder Gestalt der Erfahrung, nach jedem Treiben der Zeit modelt, Theorien, besonders in der Geschichte, indem es doch immer Erinnerung an das Wesentliche bedarf, für den Augenblick und für jeden besonderen Zweck: niemand glaubt daran, und jeder heuchelt sie vor sich und vor den anderen. Wie über diese Halbheit des Bewußtseins, mit der sie um die Wahrheit herumgehen, so finden sich S. 192 über ein phantasierendes Herumspielen um die Tiefen des menschlichen Gemüts und anderwärts über andere Scharlatanerien aus gründlicher Erfahrung geschöpfte und mit sicherer Hand gezeichnete ernste Gemälde. Diese Sophistereien erhalten den schwärmerischen Beifall der Menge, weil sie leicht aufzufassen sind und die Mühe des Denkens unnütz, ja unmöglich machen (S. 193).

Die erwähnte Reihe von Briefen läßt sich näher auf die Aufdeckung und Bestreitung der Mißverständnisse über Philosophie und deren Verhältnis zur Religion ein. Soviel Wichtiges und Lehrreiches sie enthalten, so pflegen dergleichen Zurechtweisungen doch nicht so viel Wirkung zu tun, als von ihrem Gehalte zu erwarten stände; man ist überhaupt der Erklärung der Philosophen müde geworden, daß man sie mißverstanden habe. Die Verständlichkeit im Vortrage abstrakter Ideen einerseits und andererseits das Vermögen, philosophische Gedanken nachdenken zu können, sind Bedingungen, über welche es wenigstens von langer Hand sein würde, ins Klare zu kommen. Doch gibt es eine Art von Mißverständnissen, von welchen sich direkt fordern läßt, daß sie nicht stattfinden sollten, nämlich die Unrichtigkeiten in dem, was das Faktische ist. Wenn es zu nichts oder gar nur zu größerer Verwirrung führt, gegen andere Arten von Mißverständnissen zu polemisieren, so hat die Philosophie sich wenigstens über die falsche Angabe der Tatsachen mit Recht zu beschweren, und wenn man näher zusieht, ist diese Art wider Vermuten die häufigste und geht zum Teil ins Unglaubliche.

Das Hauptinteresse der zweiten Abhandlung ist, teils dasjenige Verhältnis, welches in der relativen Art des Erkennens stattfindet, daß nämlich das Ewige nur eine Voraussetzung, hiermit aber nur ein abstrakt Allgemeines sei, so daß die ursprüngliche Identität eine bloße Form der Einheit und Verknüpfung, nicht die göttliche Tatsache selbst werden könne, teils aber das wahrhafte Verhältnis dieser göttlichen Tatsache zum Erkennen darzutun. Diese Tatsache wird nach dem schon Angeführten so bestimmt, daß Gott in unserer Existenz wirklich und gegenwärtig sei, sich in uns zur Existenz schaffe und wir diese Existenz desselben in uns erleben und wahrnehmen müssen. Das wahrhafte Verhältnis dieser Tatsache zum Erkennen soll dieses sein: indem das Denken sich in seinem Fortgang abschließe, trete in den Vereinigungspunkten, zu denen es seine Gegensätze und relativen Bestimmungen bringe und [somit] aufhebe, die Idee selbst als der ewige Akt der Einheit frei hervor und stelle sich als gegenwärtiges Wesen wieder her; so müsse die Gegenwart Gottes in uns selbst unmittelbar erfahren werden (S. 101).

Indem es aber dem Verfasser in der oben angegebenen Absicht "eines Manifestes" nicht darum zu tun ist, die Grundideen zu beweisen, sondern dieselben nur zu exponieren mit der polemischen Rücksicht auf unvollkommene Erkenntnisweisen, so erwächst für den Aufsatz der Nachteil, mehr eine Reihe von wiederholenden Behauptungen und Versicherungen als eine Entwicklung von Gründen zu geben, welche eine Überzeugung hervorbringen könnte. Es wird weder an dem Denken selbst die Notwendigkeit aufgezeigt, daß es sein Reflektieren aufgebe, zum Aufgeben seiner Gegensätze und zur Vereinigung derselben fortgehe, noch weniger die Notwendigkeit des Übergangs von einer gedachten Einheit zur sogenannten göttlichen Tatsache und der wirklichen Erfahrung derselben. Dem Verfasser war es noch zu sehr Angelegenheit, nach außen seinen Standpunkt eindringlich zu machen und gegen Ausweichungen zu verwahren, als daß es seiner philosophischen Bildung schon hätte Angelegenheit werden können, die Richtung nach innen zu nehmen und unbekümmert um jene äußeren Rücksichten die logische Entwicklung dieser Gedanken zu erreichen und sich und seine Leser damit ins Klare zu bringen. Es fehlt daher nicht, daß jene Exposition so tiefer Gedanken noch unaufgeklärte Schwierigkeiten und Widersprüche von Bestimmungen darbietet, welche das Verständnis viel mehr erschweren, als die nicht methodische Art des Vortrages sie erleichtern sollte.

Die zwei Bestimmungen, auf deren Beziehung alles gesetzt ist, sind, wie angeführt, die Entwicklung des Denkens und das Ewige selbst. Die Natur des Wissens ist (S. 141) in die wichtige Bestimmung gefaßt, daß es der Abschluß und die Vollendung des Denkens ist, und zwar so, daß diese Vollendung niemals durch das Denken allein möglich sei, sondern sie erfordere zugleich, daß die Stoffe des Denkens in ihren Gegensätzen an sich eins seien; so sei mit einem jeden solchen Abschlusse (eigentlich indem das Denken jene Gegensätze zu ihrer erst an sich seienden Einheit zurückbringt) zugleich eine Wahrnehmung oder Erfahrung dieser wesentlichen Einheit des Stoffes verbunden, und es entstehe erst aus beiden Seiten der Erkenntnis das volle Wissen.
- Man sieht zunächst, daß das Denken unterschieden wird von seiner Vollendung. Bei der Rücksicht auf die, welche es für Selbsttäuschung, Anmaßung, Schwärmerei u. dgl. ausgeben, die göttlichen Dinge wissen zu wollen, oder die auch sagen (S. 141 f.), daß der Mensch wohl noch einmal so weit komme, aber noch seien wir nicht dahin gelangt, wird das Verhältnis vom Sein des Ewigen und vom Wissen so behauptet, daß 'im vollen Bewußtsein das ewige Wesen sich selbst zum Stoffe macht, sich zugrunde liegt und vor seiner Äußerung und Offenbarung voraus besteht; die Art, wie wir dieses sein Vorausbestehen erkennen, ist, was der Glaube genannt wird, die absolut gewisse unmittelbare Erkenntnis selbst, auf der für uns schlechthin alles beruht; was nun durch den Glauben für uns da ist, die Offenbarung und ihre Verzweigungen in den Gegensätzen der Existenz können und sollen wir in Wahrheit wissen'.

Diese Gegenwart, Wirklichkeit des Wahren, die Unmöglichkeit, irgend etwas zu wissen und zu tun ohne diese Grundlage und Voraussetzung, ist der eine Fundamentalpunkt. Es kann als unbedeutende Abweichung angesehen werden, daß in dem letzteren Vortrag die Unmittelbarkeit des Ewigen im Bewußtsein unterschieden wird von dem Wissen, in dem ersteren aber nur von dem Denken, welches damit als das eine nur der beiden Momente des Wissens, wie dieses daselbst bestimmt war, wird.
Der andere Fundamentalpunkt aber außer dem Verhältnis der Grundlage und Voraussetzung ist das Trennen dessen, was die Erfahrung des Ewigen genannt wird, von diesem Wissen oder dem sich abschließenden Denken. Der Vortrag bleibt in dieser Behauptung bei den Kategorien von Wirklichkeit, Tatsache, Glauben, Erfahrung einerseits und von Denken andererseits und bei der Assertion ihres wesentlichen Getrenntbleibens stehen, ohne diese Kategorien weiter zu analysieren; der Eifer, die Behauptung eindringlich zu machen, verhindert auf sie selbst zurückzusehen. Die meisten aber, ja alle Streitigkeiten und Widersprüche müssen sich durch das leicht scheinende Mittel ausgleichen lassen, nur dasjenige, was sich im Behaupten ausspricht, vor sich zu nehmen, es einfach zu betrachten und mit dem weiteren zu vergleichen, was man gleichfalls behauptet. Wissen, was man sagt, ist viel seltener, als man meint, und es ist mit dem allergrößten Unrecht, daß die Anschuldigung, nicht zu wissen, was man sagt, für die härteste gilt. - Sehen wir hiermit nun die Behauptung Solgers genau an.

Zunächst wird vom philosophischen Erkennen immer die richtige und große Bestimmung gegeben, daß es das Denken des Ewigen ist, insofern das Ewige in den Gegensätzen seiner Offenbarung als eins und dasselbe enthalten ist (S. 124).
Es wird wiederholt als die wahrhafte Weise des Erkennens anerkannt, daß das philosophische Denken die innere Einheit der Erkenntnis als seinen Stoff zerlege, aber daß dies nur eine solche Zerlegung sei, "durch welche er sich in jedem wahren Verknüpfungspunkte als wahrer, wesentlicher und gegenwärtiger Stoff wieder erzeuge" (S. 149 und allenthalben).
Wird nun nicht, frage ich, unverkennbar eben in dieser Bestimmung die Gegenwart und Wirklichkeit des Ewigen, Göttlichen der ursprünglichen Einheit selbst angenommen und anerkannt? Ist die Tatsache des Ewigen und die Lebendigkeit und das Erfahren der Tatsache nicht darin als vorhanden gesetzt, daß die Zerlegung der inneren Einheit durch das Denken eine solche ist, daß darin diese Einheit zugleich als Unzerlegtes, als Stoff, als ein und dasselbe im Denken gegenwärtig bleibt?
Was dem Ewigen als Tatsache, Gegenwart, oder welche populären Vorstellungen sonst gebraucht werden, noch insbesondere für eine Unterschiedenheit zukommen solle, ist nicht abzusehen; um so weniger, als Solger ebenso häufig genug der Stellung widerspricht, wodurch die ursprüngliche Einheit als zu einer bloßen Allgemeinheit, zu einem in sich Unbestimmten und Abstrakten würde, es ist die beständige Behauptung, daß die ursprüngliche Einheit sich offenbare, Tätigkeit, sie selbst hiermit ein Übergehen von einem zum anderen, in ihr selbst das Zerlegen ist, folglich einen Gegensatz in sich schließt (s. oben), daß das Ewige hierdurch allein sich an die Existenz anschließt, in ihr gegenwärtig ist usf. Was jenem Glauben, Erfahren des Ewigen, wo das philosophische Erkennen sich doch außerhalb seiner selbst zum Aufheben seiner fortführen solle, vor der Einheit zukommen solle, in und zu welcher es sich wesentlich innerhalb seiner nach dem Obigen bewegt und fortführt, kann der Sache nach nichts Eigentümliches und Verschiedenes mehr sein. Es bleibt dafür nichts als die leere Form der Unmittelbarkeit, die dem, was Tatsache, Erfahren, Glauben heißt, in der populären Vorstellung ausschließend gegen das Erkennen zukommen soll, als welches nur in Vermittlungen befangen sei. In dieser letzteren schlechten Vorstellung aber ist Solger nicht befangen; ihm ist das philosophische Erkennen selbst ausdrücklich das Aufheben der Gegensätze, damit dessen, was nur vermittels eines Anderen ist, und ebensosehr das Aufheben des nur relativen Erkennens, welches über den Standpunkt des Vermittelns nicht hinauskommt. Die Unmittelbarkeit ist selbst nur Bestimmung eines Gegensatzes, die eine Seite desselben; das wahrhafte Denken, als Aufheben der Gegensätze überhaupt, läßt jene Bestimmung nicht mehr außerhalb seiner für sich bestehen; indem es, wie angeführt, die Gegensätze in ihrer ursprünglichen Einheit faßt, so hat es ebenso in dieser Einheit die Beziehung auf sich, was die Unmittelbarkeit ist, in der Tat immanent in ihm selbst. - Diese Exposition soll es klargemacht haben, daß es, wie gesagt, nur der einfachen Reflexion auf das, was Solger als die wesentliche Natur des philosophischen Denkens aussagt, bedarf, um darin selbst das, was er davon unterscheiden will, ausgesprochen zu finden.

Wenn es nun ferner im Sinne der angenommenen Verschiedenheit der angegebenen Bestimmungen S. 125, heißt, "daß es eine Erfahrung der Offenbarung, d. i. eines göttlichen Daseins, welches die Existenz sowohl schafft als aufhebt, und eine Philosophie nebeneinander gibt, das rührt bloß daher, daß wir nicht das Ewige selbst sind; in ihm ist beides auf eine uns unbegreifliche Weise dasselbe", so ist dem Inhalte nach nichts dawider zu haben, daß von der Philosophie eine Mangelhaftigkeit ausgesagt wird, in welcher das Anerkenntnis liegt, daß "wir nicht das Ewige sind". Doch wenn dergleichen gesagt wird, so liegt das Schiefe darin, als ob sich dies nicht überall von selbst verstünde; sonst wäre es überflüssig, dergleichen zu sagen. Wenn auch in dem Erkennen der Offenbarung das Erfahren der Offenbarung selbst enthalten ist, so hätte es darum weit bis dahin, daß "wir das Ewige wären", sogleich selbst nach Solgers eigener Bestimmung, daß das Offenbaren des Ewigen und das Erfahren der Offenbarung eine bestimmte Existenz ist.

Was aber die Unbegreiflichkeit betrifft, so ist dies gleichfalls eines der vielen ohne allen Begriff ins Wilde hinein gebrauchten Worte. Allerdings ist sie darin vorhanden, daß das Erfahren eines göttlichen Daseins immer außerhalb des Erkennens verlegt wird; wie gezeigt, enthält dieses an ihm selbst das, was ein von ihm Verschiedenes sein soll. Die Begreiflichkeit und das wirkliche Begreifen aber ist nichts anderes als eben die angegebene Reflexion, daß in dem Denken des Ewigen als eines und desselben in den Gegensätzen selbst die Einheit des Erfahrens und Erkennens enthalten, ja ausgesprochen ist. - Man könnte meinen, daß die Behauptung der Unbegreiflichkeit zurückgenommen sei durch die Art, wie (S. 173 unten und 174) das Denken gefaßt ist; daselbst ist bestimmt, daß es das Wesentliche und das Nichtige zugleich vorstellen müsse, was nur möglich sei, wenn es sich gegen beide gleichgültig verhalte oder sie in ihrem Verhältnisse des Überganges denke; diese Gleichgültigkeit sei nicht die der bloßen Form, als welche sich an unendlich verschiedene Stoffe anschließen kann, sondern liege in der vollkommenen Einheit der Stoffe miteinander, und durch ein solches Denken werde unmittelbar der ganze Stoff bestimmt, so daß dieses Denken, welches das Philosophieren ist, mit der Erkenntnis durch Offenbaren dasselbe sei. - Man sieht, daß hier dem Denken das Auffassen ebensolcher Einheit zugeschrieben ist, welche vorhin das Unbegreifliche genannt wurde. - Auf dasselbe führen die im unmittelbar Vorangehenden gegebenen Bestimmungen von unserem Bewußtsein, wenn sie näher analysiert werden; das Bewußtsein bestehe eben darin, daß ein sich selbst Entgegengesetztes sich durch sein Erkennen mit sich selbst verbinde. Indem das Bewußtsein freilich nicht für ein vollständiges Übergehen der Natur und des Geistes ineinander, wovon dort die Rede ist, anzunehmen ist, es aber ausdrücklich durch sein Erkennen sich mit sich selbst verbindet, so kommt es in ihm zu der Einheit, welche mit dem Erfahren zusammenfällt.

Die Inkonsistenz in der Betrachtung dieser höchsten Gesichtspunkte kommt, wie vorhin, offenbar daher, daß, was Begreifen, Denken, Erkennen ist, nur auf unbestimmte Weise vorausgesetzt, diese Vorstellungen nicht selbst analysiert und erkannt worden sind. - Dasselbe ist von einem anderen Ausdruck, vom Anundfürsichsein zu bemerken; in dem Zusammenhange S. 171 und S. 172, wo sich die tiefsten Expositionen befinden, ist von dem Ewigen an und für sich von der Existenz an und für sich gesprochen; es zeigt sich sogleich, daß dies an und für sich nichts heißt als das Abstrakte, Unwahre; das Ewige sei unserer Erkenntnis an und für sich unerreichbar. - Indem dasselbe wesentlich als sich offenbarend, als Tätigkeit gefaßt ist, so bleibt für jenes Ewige ohne Erreichbarkeit für die Erkenntnis, d. i. ohne Offenbaren und Tätigkeit keine konkrete, sondern nur die Bestimmung eines Abstraktums übrig. Ebenso, indem die Existenz an und für sich als nur dasjenige bestimmt ist, was das Wesen nicht ist, das Nichts des Wesens, so ist hiermit selbst gesagt, daß nur das Abstrakte, Erscheinende, Nichtige mit jenem Anundfürsich bezeichnet ist, - die Existenz nur allein, ohne den Zusammenhang mit dem, worin erst ihr Anundfürsich besteht, genommen. Darein will ich nicht näher eingehen, daß bald das Ewige als die zugrunde liegende Tatsache, welche geoffenbart wird, bald die Offenbarung selbst als diese Tatsache erscheint; nur die Analyse dessen, was Tatsache ist, wäre fähig, ihr Verhältnis zum Offenbaren wie zum Wesen und zur Begreiflichkeit wahrhaft zu bestimmen.
- Wenn es überdem in Rücksicht auf Erkennbarkeit darum zu tun sein soll, nicht nur die Unbescheidenheit, sondern auch den Schein derselben zu vermeiden, so wäre es wohl in dieser wie in philosophischer Rücksicht vorteilhaft gewesen, die Ausdrücke von Gottes Existenz in uns, dem Dasein Gottes als unsere ganze Gegenwart durchdringend usf. wegzulassen. Gott in unmittelbare Verbindung mit Endlichem zu bringen, führt eine zu große Unangemessenheit mit sich, um nicht auffallend zu sein. Ob Gott aber sich in uns überhaupt oder auch in unserem Erkennen "zur Existenz bringe", kann in Rücksicht auf Bescheidenheit eben keinen Unterschied machen. Daß in jenen unmittelbaren Verbindungen mit Endlichem Gott nicht in seiner Fülle, sondern in einem abstrakteren Verstande genommen ist, gibt sich durch einen anderen Übelstand kund, - daß statt Gottes auch die Ausdrücke "das Ewige", "das Wahre", "das Wesen" oder "wesentliche Einheit" abwechselnd gebraucht werden. Unter Gott aber verstehen wir noch mehr als bloß das Ewige, das Wahre, das Wesen usf.

Referent hat geglaubt, die Bemerkungen über den Gebrauch unentwickelter Kategorien darum vervielfältigen zu müssen, weil dieser Gebrauch von selbst bei populären Darstellungen vorhanden ist, wo er seine Nachteile hat oder auch nicht hat, je nachdem ein gesunder Sinn und Geist den Gehalt liefert, darin herrschend ist und über die Kategorien der Reflexion die Oberhand behält.
Aber ein anderes ist es, wenn die Darstellung philosophisch sein, hiermit auf Denkbestimmungen beruhen soll. Selbst die Expositionen eines so gründlichen Denkers wie Solger sind der Verführung, Voraussetzungen von Vorstellungen zu machen und die letzten Kategorien, auf welche es ankommt, nicht zu analysieren, nicht entgangen und damit auch nicht den Übelständen, die daraus erfolgen. Vollends ist bei anderen philosophierenden Schriftstellern insbesondere dies Grundübel, die Kategorien, auf deren Gültigkeit alles ankommt, wie Unmittelbarkeit, Denken, Erkennen, Vernunft, Begreiflichkelt usf. als bekannt vorauszusetzen, durch und durch herrschend. Gegen diese Manier gibt es kein Mittel, zu einer Verständigung zu gelangen, denn sie ist das Gegenteil davon, ihre Grundbestimmungen verstehen zu wollen; eben deswegen ist es selbst nicht möglich, sich mit ihr einzulassen, denn sie läßt nichts zu als Assertionen, und natürlich nur ihre eigenen, und ist unwissend darüber, daß das, was sie für Gründe gibt, selbst Assertionen sind.

Aber bei dieser Darstellung von Solgers höchsten Bestimmungen der Idee und von der höchsten Stufe seiner philosophischen Entwicklung vermißt man etwa, die im vorigen Artikel vorläufig berührte Ironie erwähnt zu finden, der man gerade hier, weil sie sonst als das Höchste genannt vorkommt, begegnen, ihren Sinn und Bestimmung exponiert und gegen Mißverständnisse gesichert finden zu müssen glauben kann. Wie sie gewöhnlich vorkommt, ist sie mehr nur als ein berühmter, vornehm sein sollender Spuk anzusehen; in Beziehung auf Solger aber kann sie als ein Prinzip behandelt werden, und in diesem Sinne wollen wir sie hier noch näher vornehmen. Für diesen Behuf unterscheiden wir das spekulative Moment, welches in einer Seite der Ironie liegt und sich allerdings in den betrachteten spekulativen Bestimmungen findet. Dies ist nämlich jene Negativität überhaupt, die in der Steigerung bis zu ihrer abstrakten Spitze die Grundbestimmung der Fichteschen Philosophie ausmacht; im Ich = Ich ist alle Endlichkeit nicht nur, sondern überhaupt aller Gehalt verschwunden. Der höchste Anfangspunkt für das Problem der Philosophie ist mit dieser Steigerung allerdings zum Bewußtsein gebracht worden von dem Voraussetzungslosen, Allgemeinen aus das Besondere zu entwickeln, - einem Prinzip, das die Möglichkeit dazu enthält, weil es selbst schlechthin der Drang der Entwicklung ist.
Aber dies Prinzip ist zunächst selbst eine Voraussetzung und nur in seiner abstrakten und darum selbst nicht in seiner wahrhaften, nicht einseitigen Reinheit; ein Prinzip muß auch bewiesen, nicht gefordert werden, daß es aus Anschauung, unmittelbarer Gewißheit, innerer Offenbarung, oder wie man es nennen mag, mit einem Wort auf Treu und Glauben angenommen werde; die Forderung des Beweisens ist aber für die so vielen und zugleich so einfarbigen sogenannten Philosophien der Zeit etwas Obsoletes geworden.
Die Schwierigkeit dabei ist, das Vermitteln des Beweisens mit jener Voraussetzungslosigkeit des Allgemeinen in der Idee zu vereinigen. Durch das, was als Beweisen erscheint, wird aber zugleich die Abstraktion des Allgemeinen zu einem Konkreten bestimmt, worin allein die Möglichkeit der Entwicklung liegt. In der angeführten Form ist jene Negativität nur in der einseitigen, endlichen Affirmation geblieben, welche sie als Ich hat. In dieser nur subjektiven Affirmation ist sie aus der Fichteschen Philosophie mit Unverständnis des Spekulativen und Beiseitesetzung desselben von Friedrich von Schlegel aufgenommen und aus dem Gebiete des Denkens so herausgerissen worden, daß sie, direkt auf die Wirklichkeit gewendet, zur Ironie gediehen ist, zum Verneinen der Lebendigkeit der Vernunft und Wahrheit und zur Herabsetzung derselben zum Schein im Subjekt und zum Scheinen für andere. Fichte selbst hat die Einseitigkeit seines Prinzips durch Inkonsequenz am Ende verbessert und damit Sittlichkeit und Wahrheit in ihren Rechten erhalten.
Für jene Verkehrung hat die unschuldige Sokratische Ironie ihren Namen müssen verkehren lassen; diese verdiente um so weniger, hierhergezogen zu werden, da, wenn wir die Seite ganz weglassen, nach welcher sie nur die anmutige Sophisterei heiterer, wohlwollender Unterredung der attischen Urbanität war, in welcher Platon und Aristophanes diese großen Meister sind, wenn wir sie nach dem Sinne nehmen, in welchem sie dem Sokrates in Beziehung auf seine wissenschaftliche Lehrmanier zugeschrieben wird, sie dem Sokrates unrichtigerweise, es sei angeschuldigt oder zum Lobe, zugeschrieben worden zu sein scheinen kann. Wenn sie vornehmlich darein gesetzt wird, daß Sokrates sein Einlassen in Unterredung mit der Versicherung, nichts zu wissen, begonnen und die anderen, Sophisten, Gebildete und wer es sonst war, veranlaßt habe, vielmehr ihre Weisheit und Wissenschaft darzulegen, welche dann von ihm durch seine Dialektik in Verwirrung und zur Beschämung gebracht worden sei, so ist dieser Erfolg allerdings bekannt, aber ist zugleich gewöhnlich von der Art, daß er etwas Negatives und ohne ein wissenschaftliches Resultat bleibt, so daß die Eigentümlichkeit und die große Wirkung des Sokrates in die Erregung des Nachdenkens und in die Zurückführung der Menschen auf ihr Inneres, auf ihre moralische und intellektuelle Freiheit zu setzen ist. Die Wahrheiten, welche Sokrates nicht eigentlich lehrte und seine Schüler von ihm gewannen, daß, was dem Menschen als wahr und richtig gelte, er aus seinem eigenen Innern durch Nachdenken schöpfen und bewähren müsse, beziehen sich ganz allein auf jenes freie Selbstbewußtsein des Geistes im allgemeinen. Sonach muß uns jene als unwahr angesehene Einleitung des Sokrates, daß er versicherte, nichts zu wissen, keine Wissenschaft zu besitzen, vielmehr für ganz ernst von ihm gesagt, für ganz richtig und keineswegs für ironisch gelten; wir finden sie durch sein wirkliches Lehren und Treiben nicht widerlegt.

Wenn nun Solger die Ironie nach seinen eigenen Erklärungen keineswegs das "schnöde Hinwegsetzen über alles, was den Menschen wesentlich und ernstlich interessiert, über den ganzen Zwiespalt in seiner Natur" (II, 514 in der Rezension über A. W. Schlegels dramatische Vorlesungen72) ) ist, sondern er diesen Sinn derselben sowohl ausdrücklich verwirft, als er sonst allen seinen Grundsätzen zuwider ist, so bleibt zugleich seine Bestimmung nicht ohne die Beimischung von etwas Schiefem, wie ich anderwärts (Grundlinien der Philosophie des Rechts, S. 15073) ) schon bemerkt habe und was sich im Zusammenhang mit den spekulativen, oben explizierten Ideen noch in bestimmterem Lichte ergibt. Was von der rein abstrakten Haltung der besprochenen spekulativen Kategorie der Negativität zu unterscheiden ist, ist der Reflex derselben auf das Besondere, auf das Feld, wo Pflichten, Wahrheit, Grundsätze beginnen. In diesem Übergange ist es, wo die Ironie erscheint. "Die Mystik", heißt es I. Bd., S. 689, "ist, wenn sie nach der Wirklichkeit hinschaut, die Mutter der Ironie, wenn nach der ewigen Welt, das Kind der Begeisterung oder Inspiration." Wir haben das vorhin gesehen, was ebendaselbst [Bd. II] S. 515 f. so ausgedrückt ist, daß es eine unmittelbare Gegenwart des Göttlichen ist, die sich eben in dem Verschwinden unserer Wirklichkeit offenbare; die Stimmung, welcher dieses unmittelbar in den menschlichen Begebenheiten einleuchte, sei die tragische Ironie.
Das Komische zeige uns ebenso "das Beste, ja das Göttliche in der menschlichen Natur, wie es ganz aufgegangen ist in dieses Leben der Zerstückelung, der Widersprüche, der Nichtigkeit, und eben deswegen erholen wir uns daran, weil es uns dadurch vertraut geworden und ganz in unsere Sphäre verpflanzt ist. Darum kann und muß auch das Höchste und Heiligste, wie es sich beim Menschen gestaltet, Gegenstand der Komödie sein, und das Komische führt eben in der Ironie seinerseits wieder seinen Ernst, ja sein Herbes mit sich." Unmittelbar vorher hatte es geheißen, daß das Höchste für unser Handeln nur in begrenzter, endlicher Gestaltung dasei, daß es deswegen so nichtig an uns wie das Geringste und notwendig mit uns und unserem nichtigen Sinn untergehe, denn in Wahrheit sei es nur da in Gott, in welchem Untergange es sich denn als Göttliches verkläre.
Nehmen wir zuerst diese Erhebung und deren Empfindung, welche hier tragische Ironie genannt wird, so ist schon über das Verhältnis der beiden Bestimmungen, die hier in Beziehung kommen, wovon die philosophische Erkenntnis die eine [Bestimmung], der Ausgangspunkt war, das Nötige bemerkt worden. Diese Erhebung selbst, für sich, was auch ihr Ausgangspunkt sei, ist nichts anderes als die Andacht, und wenn es nur um populäre Darstellung zu tun ist, so bedarf es keiner großen Umschweife, um sie anerkennen zu machen. Auch in der Beziehung auf die antike Tragödie dürfen wir den Namen Andacht gebrauchen, indem jene Kunstdarstellung ein Teil und Art des Kultus war, und wie rein und gesteigert die Andacht sei, so ist sie überhaupt eine Erhebung zu Gott aus der Beschädigung des Geistes mit den zeitlichen Interessen und Sorgen und aus dem Unreinen des Gemüts.
Aber sie ist nur der Sonntag des Lebens, es folgen die Werktage; aus dem Kabinette des Innern tritt der Mensch zur besonderen Gegenwart und Arbeit heraus, und es ist die Frage: wie sieht der Reflex des Göttlichen, das in der Andacht gegenwärtig ist, nun in dieser Welt aus? Daß der Werktag und die Tätigkeit in dieser Welt nur ein gottloses Leben sei und sein könne, von dieser Ansicht ist Solger weit entfernt, seine Theologie ist auch Moral (s. vorigen Artikel), seine Philosophie darum zugleich Weltweisheit.
Aber in dem angegebenen Zusammenhang erscheint der Reflex des Göttlichen in der Welt, "das Aufgehen desselben in dieses Leben der Zerstückelung, der Nichtigkeit" usf., wodurch das Göttliche uns vertraut und ganz in unsere Sphäre verpflanzt werde, nur als die komische Ironie, - das Höchste und Heiligste als Gegenstand der Komödie.
Ohne in die Zergliederung dieser Art der Gestalt "des Höchsten und Heiligsten" näher eingehen zu wollen, erhellt soviel, daß zwischen der weltlichen Gegenwart dieser Art und jener Erhebung über das Endliche die Mitte fehlt, in welcher das "Höchste und Heiligste" als Sittlichkeit, Recht, Liebe und in jeder Tugend weltliche Gegenwart hat, - wie Solger selbst überall den Staat, das gesamte sittliche Leben als Offenbarung Gottes betrachtet.
Hier muß die Affirmation eine ganz andere Bestimmung erhalten als nur die einer subjektiven, gegen das Konkrete negativ beharrenden Affirmation. Wenn die Andacht aus ihrem geistigen Aufenthalt zu der weltlichen Wirklichkeit zurückkehrt, bringt sie die Anerkenntnis von Pflichten, Stärkung und den tüchtigen Ernst zu denselben und zu dem Lebensberuf mit, und hieran, an diesen Früchten, muß sich wesentlich erkennen, ob sie selbst wahrhafter, durchdringender Art ist. Anderen mag es eingefallen sein, auch für dieses Gebiet den Standpunkt der Ironie mitzubringen. Wohl müssen auch die sittlichen Gesetze, Handlungen, Gesinnungen usf. in dem Gesichtspunkte des Endlichen betrachtet werden - "auch das Höchste ist für unser Handeln nur in begrenzter endlicher Gestaltung da" -, und die Andacht, obgleich Erhebung in eine höhere Region, ist, wenn sie, wie gesagt, rechter Art ist, weit entfernt, jene Gestaltung mit der abstrakten Kategorie von "Endlichem" nur geringfügig oder verächtlich zu machen und sich ironisch oder komisch dagegen zu verhalten.

Es ist eher komisch, eine bewußtlose Ironie, daß es Solger in der angeführten Rezension von A. W. Schlegels dramatischen Vorlesungen (II, 514) sehr auffallend ist, die Ironie, "in welcher er den wahren Mittelpunkt der dramatischen Kunst erkennt, so daß sie auch beim philosophischen Dialog" (wovon nachher) "nicht zu entbehren ist, in dem ganzen Werke nur einmal erwähnt zu finden." Die Ironie sei aber auch das Gegenteil jener Ansicht des Lebens, in welcher Ernst und Scherz, wie Schlegel sie annehme, wurzeln. Dasselbe ist Solger begegnet: in den spekulativen Expositionen der höchsten Idee, die er in der oben angeführten Abhandlung mit dem innersten Geistesernste gibt, der Ironie gar nicht zu erwähnen, sie, welche mit der Begeisterung aufs innigste vereint, und in welchem Tiefsten Kunst, Religion und Philosophie identisch seien. Gerade dort, hätte man geglaubt, müsse der Ort sein, wo man ins Klare gesetzt finden werde, was es denn mit dem vornehmen Geheimnisse, dem großen Unbekannten - der Ironie - für eine philosophische Bewandtnis habe. Wenn Solger von der Ansicht des Lebens, welche Schlegel annehme, sagt, daß sie das Gegenteil der Ironie sei, so ist es ganz begreiflich, daß diese Schlegel daselbst, wenn er auch früher "annähernde Äußerungen getan", nicht eingefallen ist, sosehr als Solger bei seinen spekulativen und ernsten Expositionen, auch nicht in den weiter in diesem II. Bande enthaltenen Abhandlungen über die Idee des Staats und der Sittlichkeit, die Kategorie der Ironie nicht eingefallen ist, und wie diese seine gründlichen Ansichten des Lebens das Gegenteil derselben sind; wo es sich vom Konkreten, Ernsten und Wahren ernst und wahr handelt, bleibt dieses Prinzip von selbst fern. Bei Tieck, dessen Anhänglichkeit an die Ironie im vorigen Artikel bemerkt worden, sehen wir das Ähnliche geschehen. Er gibt ein paarmal (z. B. in der Novelle Das Dichterleben) eine mit wahrer Begeisterung geschriebene Schilderung von der Vortrefflichkeit des Dramas Shakespeares Romeo und Julia; hier, wo philosophische Erörterungen ohnehin nicht zu erwarten waren, konnte man hoffen, an einem Beispiel den Punkt bezeichnet zu finden, der die Ironie in dieser Liebe und ihrem herben Schicksale ausmache; aber man findet daselbst die Ironie nicht erwähnt, sowenig als sie sonst jemand dabei leicht einfallen wird.

Wenn wir nun sehen, daß bei Solger die Art von Subjektivität, welche Ironie ist, die höchsten spekulativen Prinzipien sowohl als die Grundsätze der konkreten Wahrheit ungefährdet läßt, so muß es doch, um der Mangelhaftigkeit der Form in den höchsten Bestimmungen willen, geschehen, daß auf eine andere Weise eine subjektive Seite sich hervortue, - was schon aus der Übersicht des Ganzen der oben angegebenen Momente sich zeigen muß. Die erste Bestimmung ist, daß (II, 114, 175 und sonst) die Gottheit sich unmittelbar zu einer gegenwärtigen Tatsache erschaffe, welches Moment für uns nur unter den Bestimmungen und Beziehungen der Existenz sei, in der wir befangen sind. Dieses Relative aber soll sich in uns in die Erfahrung und Wirklichkeit Gottes aufheben. Damit ist die Allgegenwart desselben in allem Endlichen ausgedrückt; aber mit diesem Erfahren sollen sind wir zunächst nicht weiter, als was Spinoza ausdrückte, daß alles sub specie aeterni betrachtet werden müsse; oder es ist ferner dasselbe, was das fromme Gemüt tut, in allen natürlichen Dingen und Veränderungen wie in den Begebenheiten des Kreises der menschlichen Dinge andächtig zu sein, darin das Höhere, Gottes Finger und Gegenwart anzuerkennen und zu empfinden. Das Unbestimmte dieses Verhaltens wird erst durch das Erkennen zu bestimmtem Gehalt. Daß dieser wahr sei, dazu genügt Solger nicht nur die relative Erkenntnisweise, das sogenannte Erklären aus natürlichen Ursachen, welches an Endlichem fortgeht und im Kreise des Bedingten stehenbleibt, wie auch die Erkenntnisweise nicht, welche das Ewige nur zur Voraussetzung und damit zu einem abstrakten Allgemeinen macht. Solger unterscheidet diese Erkenntnisweisen ferner sehr gut von der philosophischen Erkenntnis, als welche innerhalb ihrer, indem sie den Fortgang der sich bedingenden Bestimmtheiten erkennt, zugleich denkend sie über ihre Endlichkeit hinausgehen und ihre ursprüngliche Einheit daraus, und zwar notwendig, hervorgehen sieht. Da Solger aber von diesem objektiven Sein in der Wahrheit, von dem Erkennen der Gegensätze in der Einheit und der Einheit in den Gegensätzen das trennt, was er das Erfahren der göttlichen Tatsache nennt, bleibt für dieses doch wieder nur die "subjektive Empfindung und Andacht" als eine Forderung zu machen und das Erheben zum Bewußtsein göttlicher Gegenwart auf eine Weise zu bewirken, wie dasselbe auf dem Wege der religiösen Erregung des Gemüts hervorgebracht wird; - es sei wesentlich nur in Beziehung auf sich selbst, oder auch, daß es in der Beziehung auf das Philosophieren hervorgebracht werden solle. Auf solche äußerliche Weise allein kann daher nun Solger dies Erfahren des Göttlichen zu bewirken suchen, da er nicht erkannt hat, daß es dem philosophischen Erkennen ebensosehr als affirmatives Resultat wie als Grundlage und in der Tätigkeit des Fortgehens immanent ist.

In dem letzten Kapitel der betrachteten Abhandlung kommt Solger auf die Form des Vortrags zu sprechen, in welcher die Philosophie "ihrer aufgestellten Bedeutung und Bestimmung am besten solle genügen können", welches die dialogische Form sein soll, - ein Mißgriff, der ihn seine ganze Laufbahn hindurch verfolgte, den wir ihn, trotz der Erfahrung, dadurch der Wirkung seiner vorgetragenen Ideen vielmehr im Wege zu sein, hartnäckig behalten und nur Verstimmung daraus ernten sehen. Jene Form hängt ganz mit jener Bedeutung der Philosophie zusammen, nur außerhalb ihrer selbst die Belebung der Idee in den Subjekten hervorbringen zu können. Wenn der aufgezeigte Hiatus zwischen dem wissenschaftlichen Denken und der Existenz der Wahrheit im Subjekt eine Stockung in der Erkenntnis wird, so geht in der an die empirische Menge genommenen Richtung eine Stockung im angelegentlichsten Interesse der Wirksamkeit hervor und daraus eine falsche Beurteilung des Publikums und eine Verstimmung in dem Verhältnisse des Verfassers zu demselben. Dieser trübere Zug geht durch die ganze Briefsammlung und fügt sich hervordringend zur Charakterisierung der philosophischen und individuellen Stellung Solgers hinzu. Es gibt Zeiten, in welchen die Religion als ein öffentlicher, von allen und täglich anerkannter und bezeugter Zustand ist; hier kann es der Philosophie nicht einfallen, diesen festen Boden erst für das Leben und die Wissenschaft erschaffen zu wollen, sondern sie wird gleich darangehen, den religiösen Inhalt nur der denkenden Vernunft anzueignen und deren eigentümlichem Bedürfnis gleichfalls Befriedigung zu verschaffen. Andere Zustände aber können so aussehen, als ob Interesse und Glaube an höhere als sinnliche und zeitliche Wahrheit des täglichen Lebens als vertrieben oder verfälscht von der Eitelkeit des Verstandes und der Dumpfheit des Dünkels angenommen werden und die Philosophie zunächst das Geschäft haben müßte, nur erst wieder eine Nachfrage und ein reines, nicht lügenhaftes Interesse für übersinnliche Gegenstände und dann auch für die Philosophie hervorzubringen.

Solche trübe Vorstellung von seiner Zeit sehen wir bei Solger in dem Briefwechsel nur zu häufig wiederkehren, und die wenige Aufmerksamkeit, mit welcher ihm seine Bemühungen für die Belebung des Sinnes für göttliche Dinge aufgenommen zu werden scheinen, vermehrt die Verstimmung seines Urteils über das Publikum, das er nur unter dem Bilde sieht, welches er sich aus der näheren oder entfernteren Umgebung macht, die sein Umgang berührt. Im Jahre 1815 schreibt er (I, S. 345 f.) an die Frau von Gröben: "Diese Art, alles, was nur recht rein und wahrhaft schön ist, herabzusetzen, ist mir sehr wohl bekannt, und es geht mir so übel, daß ich sie oft bei Leuten finde, bei denen man sonst den erhabenen Eifer für das Herrlichste bewundert ...
Um in den Augen der jetzigen Welt und selbst der sogenannten Besseren etwas Rechtes zu gelten, muß man wenigstens nach einer Seite recht tüchtig borniert sein, irgendeiner schwachen Neigung schmeicheln, das Wahre und Gute immer nur in einer verfälschten Gestalt sehen." - S. 359 an seinen Bruder: "Du glaubst nicht, wie es in unseren Gesellschaften, selbst unter Gelehrten, zugeht. Man langweilt sich lieber und spricht über die albernsten Dinge, als daß einer dem anderen seine Gegenmeinung sagt"; vorher hieß es: "Sie nehmen sich in acht, selbst sich über irgend etwas gründlich zu äußern, weil dabei notwendig der Schein der Allwissenheit Gefahr läuft." Zu vielfach anderwärts (S. 410, 421, 462) kommen solche Klagen vor, um nicht zu fühlen, daß dieser Unmut mehr als vorübergehende Stimmung ist. Noch aus dem Jahre 1818 (S. 607) lesen wir folgendes Resultat seiner Erfahrungen über seine Bekanntschaften: "Ich lebe in dieser großen Stadt fast wie auf einer wüsten Insel. Selbst derer, die ein beschränktes Privatinteresse bewegt, sind doch nur wenige; alles übrige ist, wo es nicht auf das tägliche Brot und die täglichen Austern ankommt, ein weiter stehender Sumpf. So sieht es in dieser 'großen' Zeit aus ... Was dieses Geschlecht etwa noch mag, das sind Müllnersche Rabensteintragödien ... frömmelnde gedankenlose Beispielsammlungen darüber, daß es einen Gott gibt usf. Und wenn sie nur durch so etwas hingerissen und erregt würden, so wäre doch noch ein Keim da ... Aber nein! Diese Dinge wirken in Wahrheit sowenig wie unsere guten Sachen. Man hat sich willkürlich vorgenommen, daß sie wirken sollen. Es steht ja darüber geschrieben, daß darin vortreffliche tugendhafte Modegesinnungen enthalten seien; diese muß man doch auch haben wollen, und das ist der einzige Grund, warum man sich selbst vorschwatzt, davon begeistert zu sein! So sieht es in dieser 'hoffnungsreichen Zeit' aus." Bei Gelegenheit, daß S. 686 Solger auf den Referenten zu sprechen kommt, äußert er sich: "Ich war begierig, was H. hier für einen Eindruck machen würde. Es spricht niemand von ihm. Es durfte nur der dümmste Nachbeter hergekommen sein, dergleichen sie gar zu gern einen hätten, so würde großer Lärm geschlagen und die Studenten zu Heil und Rettung ihrer Seelen in seine Kollegien gewiesen werden. - Ich mache mir zuweilen den Spaß, recht dummdreist hineinzuplumpen, und das geht um so eher, als sie gar nichts Edles oder Tugendhaftes mehr von mir erwarten; was mich für mein Gelingen immer am meisten besorgt macht, das ist, daß ich keine neue Narrheit vorzuschlagen habe."

Man kann nicht ohne schmerzliche Empfindung solche Schilderung der bis zum Äußersten gehenden Verstimmung und des Überdrusses an dem Geiste sehen, dessen Bild er sich aus seiner Erfahrung gemacht hat. Will man sich freilich an das halten, was in dem öffentlichen Verkehr, in Literaturzeitungen oder auch auf dem Theater usf. häufig am beliebtesten und am berühmtesten zu sein pflegt, so wird man solche Schilderungen etwa nicht zu grell und solche Empfindungen nicht ungerecht finden. Was es auch mit dem eigentümlichen Geiste der Stadt, in dessen Anschauung Solger lebte, der für dieselbe immer für auszeichnend gehalten worden ist, für eine Bewandtnis habe, so möchte man Solger gewünscht haben, daß die Erscheinungen des Umganges und des gesellschaftlichen Treibens und Redens ihn weniger frappiert und daß er sie von seiner Phantasie und Empfindung mehr abgehalten hätte, wenn es freilich nicht angeht, alle Verhältnisse und Begegnungen zu vermeiden, in welchen die Plattheit oder Roheit solcher Erscheinungen sich zuträgt oder plump aufdringt. Zur Verminderung der Reizbarkeit dagegen aber müßte die Betrachtung beitragen, daß die Weise der äußerlichen Geselligkeit und des literarischen Treibens, das sich am lautesten macht, für sich nicht nur, sondern oft auch in Beziehung auf die Individuen selbst, die sich darin bewegen, eine Oberfläche ist, innerhalb deren sie wohl noch einen nicht erscheinenden Ernst und das Bedürfnis, denselben, aber ohne ihn auszustellen oder auszusetzen, unbeschrien abzumachen und gründlich zu befriedigen haben können. Wo aber solches Bedürfnis nicht vorhanden und der ganze Zustand des wissenschaftlichen und überhaupt des geistigen Interesses durch und durch zu einer gleißenden Oberfläche geworden, wie Solger solche Anschauung vor sich hat, so ist solche gründliche Verflachung ihrem Schicksal, dem Glücke ihrer Eitelkeit, zu überlassen. Indem Solger dieses Bild seiner Erfahrung zu mächtig in sich sein läßt, mußte er das tiefere Bedürfnis, das in seiner und jeder Zeit vorhanden ist, verkennen und sich abhalten lassen, seine Tätigkeit und Arbeit nur nach der Stätte, die derselben würdig ist, zu richten, daselbst seine Wirkung zu suchen und zu erwarten. Er kehrt zwar öfters auch zu heiterem Mute zurück, wie S. 413, wo er darauf, daß vom Erwin eben fast niemand Notiz nehme, sagt: "Wir müssen also uns und den Musen schreiben und, nicht zu vergessen, unseren Freunden." So fängt es auch S. 509 mit einem Ausdruck besserer Überzeugung an, nämlich daß die wahre Philosophie nur im Stillen wirken könne, aber es ist hinzugesetzt, im Stillen und gleichsam unbewußt, weil es "immer sehr wenige Menschen gibt, die nur dahin zu bringen seien, daß sie das Einfache und Reine als das Höchste erkennen. Sie wollen Schwung und Pomp und außerordentliche, unerhörte Herrlichkeiten, die sie sich doch nur aus den Lumpen der gemeinen Gegenwart zusammensetzen". "Darum", ist dann fortgefahren, "bleibe ich immer dabei, daß sich die Philosophie am besten in ihrer ganzen Wirklichkeit darstellt durch das Gespräch und daß dies ihr bestes Mittel bleibt, auf Menschen lebendig zu wirken." Die zuerst genannte Stille, in welcher die Philosophie gedeihe, hätte eher auf das entgegengesetzte Resultat führen können, bei der Absicht des Wirkens vielmehr jene, wenn auch wenigen, im Auge zu haben.

Bei jener Stimmung kann es nicht wundern, Solger sich die Popularität zum wesentlichen Ziele machen zu sehen. "Besonders will ich aber", heißt es I. Bd., S. 385, "der Welt das Herz rühren über Religion. Der Himmel helfe mir nur zu einer recht erregenden Darstellung, damit ich nicht ganz in den Wind spreche"; oder noch im Jahre 1818 (S. 593): "Einen Gedanken hege ich mit großer Liebe ... Es ist der, einen populären Unterricht über Religion, Staat, Kunst und die allgemeinsten sittlichen Verhältnisse von meiner Philosophie auszuschreiben, so daß sich Ungelehrte, Weiber und die erwachsende Jugend daraus belehren könnten." Was er für das Mittel [dazu] ansieht, ist in Folgendem (S. 316) angegeben: "Ich glaube durch Erfahrung gewiß zu sein, daß in der heutigen Welt den Menschen der Blick auf ein Höheres noch am ersten durch die Kunst abgelockt wird und daß diese sie in das Innere der Dinge zuerst hineinzieht." Wenn es seine Richtigkeit hätte mit solchem Urteile der Verzweiflung, daß es mit einer Zeit so weit gekommen, um es nur darauf anlegen zu müssen, den Menschen einen Blick aufs Höhere abzulocken, so müßte man noch mehr an der Wirksamkeit der Mittel dazu, an der Kunst oder Philosophie oder was es sei, verzweifeln. Der Zusammenhang von Denken, Leben, Kunst ist so gedacht (S. 620): "Ich möchte gern das Denken wieder ganz ins Leben aufgehen lassen; ... daher kam es, daß ich mir die künstlerische dialogische Form gleich als mein Ziel hinstellte. Fast glaube ich nun, daß ich etwas unternommen habe, was die Zeit nicht will und mag. Man will nicht leben, sondern vom Leben schwatzen, - hat doch keiner, der in unserer Zeit etwas recht Lebendiges leisten wollte, wie Novalis, Kleist usw., durchkommen können!" - Es ist oben gezeigt, daß Solger die eigentümliche Lebendigkeit, welche die Natur der denkenden Idee in ihr selbst enthält, mißkannt hat, welche schon Aristoteles so tief und innig als die höchste Lebendigkeit faßte. Dieser Alte sagt (Metaphysik XI,7): Die Tätigkeit des Denkens ist Leben; Gott aber ist die Tätigkeit; die für sich selbst seiende Tätigkeit aber ist dessen vollkommenes und ewiges Leben. - Wenn aber von dem künstlerischen Bewußtsein des "recht Lebendigen" die Rede sein und ein Moderner und Deutscher als Exempel angeführt werden sollte und nicht Goethe etwa, der wohl das "recht Lebendige" geleistet und auch hat "durchkommen" können, angeführt ist, sondern Novalis! sondern Kleist!, - so würde man hieraus inne, daß nur ein durch reflektierendes Denken vielmehr in sich entzweit bleibendes, sich selbst störendes Leben gemeint ist. Denn was sich als die Individualität von Novalis zeigt, ist, daß das Bedürfnis des Denkens diese schöne Seele nur bis zur Sehnsucht getrieben und den abstrakten Verstand weder zu überwinden noch ihm auch zu entsagen vermocht hat. Dieser ist dem edlen Jüngling vielmehr so ins Herz geschlagen, mit solcher Treue kann man sagen, daß die transzendente Sehnsucht, diese Schwindsucht des Geistes, sich durch die Leiblichkeit durchgeführt und dieser konsequent ihr Geschick bestimmt hat. - Die in der Entzweiung bleibende Reflexion der Kleistschen Produktionen ist oben berührt worden; bei aller Lebendigkeit der Gestaltungen, der Charaktere und Situationen mangelt es in dem substantiellen Gehalt, der in letzter Instanz entscheidet, und die Lebendigkeit wird eine Energie der Zerrissenheit, und zwar einer absichtlich sich hervorbringenden, der das Leben zerstörenden und zerstören wollenden Ironie.

Schon aus dem Jahre 1800 ist aus Solgers Tagebuche eine Stelle (S. 15) gegeben, worin er den Vorsatz ausspricht, ein Buch in Dialogen zu schreiben, und noch unter seinem Nachlasse (im II. Band dieser Sammlung) findet sich ein spekulativer Aufsatz in dialogischer Form verfaßt. Man kann nicht in Abrede sein wollen, daß sich der Platonischen Meisterschaft im Dialog nicht in jetzigen Zeiten noch würdig nacheifern und damit große Wirkung und Anerkenntnis hervorbringen lassen möge. Doch protestiert Solger ausdrücklich dagegen, daß er Platon habe nachahmen wollen; aber die Nachahmung einer Methode kann doch nichts anderes heißen, als, was an ihr zweckmäßig und richtig ist, ausüben. Allein Solger hat die plastische Form, welche der Dialog allein durch die Eigenschaft, die Dialektik zur Seele zu haben, gewinnen kann, nicht aufgenommen, sondern ihn in das Gegenteil, in die Konversation verändert, wodurch aller Vorteil dieser Form für abstrakte Materien, die strenge Notwendigkeit des Fortgangs mit einer äußerlichen Belebung begleitet, verlorengegangen und nur der Nachteil, ermattende Breite des Vortrags, ein lästiger Überfluß, die Gestalt der Zufälligkeit des Vorgetragenen, die Störung oder Unmöglichkeit, den Faden des Räsonnements festzuhalten und zu übersehen, hereingebracht worden ist. Der eine der Freunde hält (I. Bd., S. 353) die Gespräche des Erwin für schwer: "Sie müssen schlechterdings, durch welche Mittel es sei, die künftigen verständlicher machen." Ein anderer sagt ihm noch spät (S. 741) in auch nicht heiterem Zusammenhange: "Bis jetzt verstehe ich noch das Straßburger Münster besser als deinen Erwin." Das beste Mittel, den Inhalt Erwins verständlicher zu machen, wäre die schlichte Exposition in zusammenhängendem Vortrag gewesen; die Gedanken des ersten Teils, der sich mit Widerlegung früherer Definitionen und Standpunkte, das Schöne zu betrachten, beschäftigt, ließen sich wohl auf wenigen Blättern deutlich und bestimmt vortragen; so würde es leicht zu fassen sein, was mit der schweren Mühe des Durchlesens der Gespräche kaum erreicht wird. Der erstere der Freunde äußert in demselben Zusammenhang, um Solger die Bemühung um Verständlichkeit näher ans Herz zu legen: "Nicht Platons Parmenides, Euthydem (?), Timaios haben seinen Ruf hauptsächlich gegründet, nicht durch diese schweren Dialoge hat er weit verbreitet gewirkt, nicht darum den Beinamen des Göttlichen erhalten, nicht mit dem mühsam zu Ergründenden die Seele erneuet und wiedergeboren; weit mehr durch den Phaidon, das Gastmahl und die bei der großen Tiefe so sehr verständliche Republik." Für eine hiervon abweichende Ansicht möchte ich mich auch auf die Geschichte berufen, daß nämlich Platons Lehre, wie sie im Parmenides und Timaios vornehmlich vorgetragen ist, zu Ecksteinen der alexandrinischen Philosophie geworden, welche der Ausbildung des höheren christlichen Lehrbegriffs, insofern er die Erkenntnis von der Natur Gottes enthält, wesentlichen Vorschub getan hat. Das Schwere jener Dialoge, durch welche Platon diesen großen Einfluß gehabt, liegt in der Natur des tiefen Gehalts; aber dieser allein ist es, der in die Erleuchtung des Christentums eingedrungen und darin sich so mächtig bewiesen hat; die Art, wie er in jenen Dialogen vorgetragen ist, ist ihm angemessen; es ist die abstrakteste, strengste, von aller Konversationsmanier am entferntesten.

Wir haben in modernen Sprachen Meisterwerke des dialogischen Vortrags (man braucht nur auf Galianis Dialoge, Diderot, Cousin und Rameau zu verweisen); aber hier ist die Form gleichfalls der Sache untergeordnet, nichts Müßiges; die Sache ist aber kein spekulativer Inhalt, sondern eine solche, welche ganz wohl ihrer Natur nach Gegenstand der Konversation sein kann.
In jener plastischen Form Platons behält einer der Unterredenden den Faden des Fortgangs in der Hand, so daß aller Inhalt in die Fragen, und in das Antworten nur das formelle Zustimmen fällt; der Belehrende bleibt Meister und gibt nicht Auskunft auf Fragen, die man ihm machte, oder Antworten auf vorgebrachte Einwendungen. Die Stellung ist die umgekehrte der Vorstellung, die man sich von der Sokratischen Methode (wie man auch die Einrichtung des Katechismus nennt) etwa macht; nicht der Unwissende fragt, und die Personen des Dialogs, außer jenem einen, und zwar Fragenden, benehmen sich nicht mit der Selbständigkeit, die das Recht einer herüber- und hinübergehenden Konversation gäbe, seine besonderen Ansichten, Überzeugungen mit Gründen zu behaupten, die entgegengesetzten Ansichten zu widerlegen oder aus deren Gründen für sich Vorteile zu suchen. Solches Verfahren des Räsonnements, welches wohl in der Konversation vorherrschend sein darf, ist von den Alten Sophistik genannt worden.
An der von Platon ihr entgegengesetzten Dialektik ist jene Form des Dialogs ein Äußerliches, welches nur die Lebendigkeit herbeibringt, die Aufmerksamkeit nicht bloß auf das Resultat oder die Totalvorstellung zu richten, sondern zur Zustimmung für jede Einzelheit des Fortgangs aufgeregt zu werden. Die episodische Anmut, welche mit dieser Form gleichfalls herbeigeführt wird, ist nur zu oft zu verführerisch, als daß nicht viele bei den Einleitungen stehenbleiben, bei der aber so sehr damit kontrastierenden Trockenheit der logischen Abstraktionen und der Entwicklung derselben ermattend nicht in diese hineingehen und doch meinen, den Platon gelesen und seine Philosophie innezuhaben. Jenes Verhältnis aber, damit das Zustimmen nicht etwas Kahles und ein lahmer Formalismus sei, führt die Nötigung mit sich, daß jede einzelne Bestimmung und Satz einfach und im strengsten Zusammenhange exponiert sei. Solche plastische Form des Fortgangs ist aber nur möglich durch die bis zum Einfachsten durchgedrungene Analyse der Begriffe. Nach dieser wesentlichen Bestimmung spekulativen Vortrags ist Aristoteles in seinen Entwicklungen ebenso plastisch, so daß, wenn man den gediegeneren Dialogen Platons die Form des Fragens benähme und die Sätze in direkter Elokution aneinanderreihte, man ebensosehr Aristotelische Schriften zu lesen glauben würde, als man Aristotelische Schriften oder Kapitel durch Verwandlung der Reihenfolge von Sätzen in die Form von Fragen zu Abschnitten Platonischer Dialoge würde machen können.

Ich begnüge mich mit diesen allgemeinen Bemerkungen über den Dialog; es würde tädiös sein, sie mit Beispielen aus dem in diesem Nachlasse enthaltenen philosophischen Gespräche zu belegen oder dafür zu Erwin und den im Jahre 1817 von Solger herausgegebenen Philosophischen Gesprächen zurückzugehen. Von jenem Dialoge Über Sein, Nichtsein und Erkennen (II, 199-262) mag nur angeführt werden, daß sich darin, wie schon aus dem Titel erhellt, Solgers philosophische Laufbahn zur Erhebung in die Betrachtung reiner spekulativer Gegenstände vollendet. Bei diesem Versuch tritt außer dem Störenden der Konversationsform gleichfalls der früher bemerkte Übelstand ein, daß die Abstraktionen von Sein und Nichtsein mit den konkreteren Bestimmungen, wie Erkennen ist, vermischt sind; die Hauptsätze sind solche unangemessene Verbindungen wie die, daß das Nichtsein das Erkennen sei, das Erkennen ein Nichtsein des ins Unendliche besonderen Seins, damit aber auch das Allgemeine usf. Sonst aber ist der allgemeine Begriff der Evolution der Idee, daß sie in jedem Punkte ein Synthesieren, Rückkehr zu sich ist, wie überhaupt der spekulative Charakter des Begriffs darin herrschend. Solger scheut nicht, die Einheit von Sein und Nichtsein auszusprechen es kommt vor, daß das Erkennen mit dem Sein vollkommen eins, nur daß das eine das ist, was das andere nicht ist, - S. 224, daß das Allgemeine und das Besondere notwendig vollkommen eins ist, da eben das Allgemeine nichts anderes ist als das Nichtsein des gesamten Besonderen (S. 245). Man sieht es: an der spekulativen Kühnheit, den Widerspruch zu denken, der nach der traditionellen Logik nicht denkbar und noch wohl weniger existierend sein soll, fehlte es nicht, sowie nicht an der spekulativen Einsicht, daß die Idee wesentlich den Widerspruch enthält. Nur ist dieser in den angeführten Ausdrückungen in seiner ganzen Schroffheit festgehalten, so daß er wie ein Bleibendes erscheint und nicht sein ebenso unmittelbar wesentliches Verschwinden damit verknüpft ist, was seine Auflösung ist und ihn zugleich der Vorstellung wie dem Denken erträglich macht. Aber auch jene schroffen Ausdrücke des Widerspruchs sind für sich wichtig, damit, wenn man vom Auflösen des Widerspruchs und dem Versöhnen des Denkens aus und in demselben mit sich sprechen hört, man von der Vorstellung entfernt werde, als ob solches Auflösen und Versöhnen und irgendein Affirmatives, Vernunft und Wahrheit überhaupt, ohne die Immanenz des Widerspruchs statthaben könne.

Zu dem Umfange der philosophischen Meditationen Solgers muß noch die Philosophie des Rechts und Staats angeführt werden, über welche im zweiten Bande drei früher ungedruckte Aufsätze gegeben sind. Obgleich sie aphoristisch und zum Teil nicht vollendet, wohl zunächst zum Leitfaden seiner Vorlesungen über diese Materie dienen sollten, so läßt sich daraus die Tiefe der Gedanken sattsam erkennen, und die gründliche Ansicht ist bestimmt genug gezeichnet, um sie sowohl nach der allgemeinen Idee als nach den besonderen Kategorien, die über Recht, Staat, Verfassung in Betracht kommen, vor dem ganz auszuzeichnen, was über diese Materien die laufenden Prinzipien sind. Referent hat sich gefreut, bei Durchlesung dieser Aufsätze sich so gut als in allem übereinstimmend mit ihrem Inhalte zu finden.

Es folgen noch einige ungedruckte Aufsätze und an des Königs Geburtstag gehaltene Reden, darunter eine lateinische. Solgers Fertigkeit in gerundeter, klarer und zugleich gedankenvoller Diktion gibt diesen Aufsätzen einen besonderen Wert.
Man muß es den Herausgebern Dank wissen, daß sie die gehaltvolle Vorrede Solgers zu seiner Übersetzung des Sophokles und die in den Wiener Jahrbüchern erschienene, ebenso gewichtige, mehr noch in dem, was hin und wieder darin ausgeführt ist, als in den Widerlegungen interessante Beurteilung der A. W. Schlegelschen Vorlesungen über dramatische Kunst und Literatur hier haben abdrucken lassen. Den Beschluß machen geistvolle Aufsätze aus dem Gebiete des klassischen Studiums, welchem sowohl für sich als in Beziehung auf Philosophie Solger seine Neigung und Arbeitsamkeit früh zugewandt und seine ganze Laufbahn hindurch erhalten hat. Die Mythologischen Ansichten sind ein Aufsatz, der von Herrn Prof. Müller in Göttingen aus Solgers Heften und handschriftlichen Sammlungen redigiert ist und, so reichhaltig er ist, doch nur wenig von dem enthalten konnte, worauf Solger es angelegt und vielfache Vorbereitungen gemacht hatte. Eine von Solger selbst ausgearbeitete Abhandlung, Über die älteste Ansicht der Griechen von der Gestalt der Welt, geht Vossens bekannten Aufsatz über diesen Gegenstand durch, wo es sich zeigt, wie dieser leidenschaftliche Polterer bei seinem Pochen auf Historie und Genauigkeit der Daten es sich zugestand, seine an und für sich kahlen Vorstellungen mit selbstgemachten Erdichtungen auszustatten. Die vielen von Solger für die Geschichte der Religionen aus der Lektüre und der Meditation gesammelten Materialien waren für eine umfassende Arbeit über diesen Gegenstand bestimmt; sein Interesse greift tief in die verschiedenen streitigen Ansichten und Behandlungsweisen der Mythologie in neueren Zeiten ein. Briefe aus den letzten Monaten seines Lebens (s. I. Bd.), in denen er mit seinem Freunde von [der] Hagen etwas scharf zusammentrifft, betreffen noch diesen Gegenstand; doch unter dem Reichtume und der Mannigfaltigkeit der Materien hat dieses, wie noch viel anderes, seinem allgemeinen Inhalte oder auch der Persönlichkeit nach Interessantes, wie die reiner und zarter Empfindungen vollen Briefe an seine Gattin, in dieser Anzeige müssen übergangen werden, welche von dem, was hier aus dem familiären Kreise der persönlichen Bekanntschaft durch den Druck vor das Publikum gebracht und so der Beurteilung ausgestellt worden, nur dasjenige hat aufnehmen sollen, was nicht sowohl die persönliche, mit welcher auch Referent noch in Berührung zu kommen die Befriedigung gehabt hat, als die wissenschaftliche Individualität näher zu bezeichnen dienen konnte. 

 

70) *Diese Exposition ist in einem Zusammenhang gemacht, in welchem Solger von jetziger Philosophie und, wie es nach dem Anfangsbuchstaben H. erscheinen könnte, vielleicht von dem Referenten spricht. Es ist daselbst von einer Ansicht die Rede, in welcher das höhere spekulative Denken in seiner Gesetzmäßigkeit und Allgemeinheit für das einzige Wirkliche und alles übrige, auch die Erfahrungserkenntnis, insofern sie sich nicht auf diese Gesetze zurückführen lasse, für eine täuschende und in jeder (?) Rücksicht nichtige Zersplitterung desselben erklärt wäre. Ohne auseinanderzusetzen, inwiefern diese Darstellung Schiefes enthält, will ich nur dies bemerken was Solger als seine Meinung entgegensetzt.
Dies ist, daß das unwahre Erkennen und sein Gegenstand gleichfalls sei, beides nur allzusehr da sei. Es erhellt sogleich, daß diese Bestimmung schon dem Obigen nicht entgegengesetzt wäre, wo nicht von einem Leugnen des Daseins der Erfahrungskenntnis, was schwerlich je irgendeinem Menschen eingefallen, sondern nur von der Möglichkeit, dieselbe auf den Begriff zurückzuführen und an demselben zu prüfen, die Rede ist. Wenn aber im Verfolge nach dem oben Angeführten das, was hier unwahre Erkenntnis heißt, abstrakter als das Moment des Scheines, welches dem Guten zu seiner Offenbarung selbst wesentlich ist, als welche das Vernichten des Nichts sei, ausgedrückt ist, so ist von diesem Begriffe schon vorhin die Rede gewesen, und die oberflächliche Ansicht jeder meiner Schriften, schon der Phänomenologie des Geistes, die im Jahre 1807, noch mehr meiner Logik, die im Jahre 1811 ff. erschienen, würden zeigen, daß darin alle Formen, sie mögen als Formen des Daseins oder des Denkens genommen werden, sich in denselben Begriff auflösen, der nicht nur als Mittelpunkt von allem daselbst längst vorgetragen, sondern erwiesen ist. In dieser abstraktesten spekulativen Spitze würde sich somit keine Differenz gegen die erwähnte Philosophie ergeben. Aber die Entwicklung dieses Begriffes und das Bedürfnis derselben ist noch ein Weiteres, und daß Solger sich über die Einsicht in dieselbe nicht klar geworden liegt in dem bereits von seinen Ideen Angeführten und wird sich noch mehr im Verfolg zeigen.

72) August Wilhelm von Schlegel, Über dramatische Kunst und Literatur. Vorlesungen, 3 Bde., Heidelberg 1809-1811

73) § 140, Anm. (f).

 

solger

 <<<  zurück blättern       >>>  weiter 

Hegel - Die Ironie   >>>

Karl Wilhelm Ferdinand Solger

* 28. November 1780 in Schwedt a.O. in der Uckermark;
† 25. Oktober 1819 in Berlin)

- Philologe und Philosoph des Deutschen Idealismus.

 

>Berliner Schriften> >Über die Einrichtung einer kritischen Zeitschrift der Literatur> >Über die unter dem Namen Bhagavad-Gita bekannte Episode des Mahabharata von Wilhelm von Humboldt> >Fragment zur Philosophie des Geistes> >Impressum>

Phänomenologie Inhalts-
verzeichnis

Enzyklopädie Inhalts-
verzeichnis

Vorlesungen über die Philosophie der Religion Inhalt

Wissenschaft der Logik  Inhalt
- objektive / - subjektive

             Phil-Splitter       .      ABCphilDE     .     Hegel - Philosophen     .    Hegel - Religion       .   Info Herok

Hegels Quelltexte:
- als Kontexte verbunden von:
>>>>>>>>    ABCphilDE  und
>>>>>>>>   Phil-Splitter.de
>>>>>>>>    Herok.Info

manfred herok                2000 - 14
email: mherok@outlook.de

Loading

 

Auf diesen Seiten suchen:
Website via Yahoo durchsuchen.

 

Phil-Splitter/ABCphilDE

Site search Web search

powered by FreeFind

 

Phil-Splitter

 

since Jan 2013 
ABCphilDE/Phil-Splitter
                                                   >DETAILS

Flag Counter